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Kultur
25.11.2025

Literatur: Begleiterin durchs Leben

Niels Zubler lebt seit 24 Jahren in Schaffhausen. Noch länger besteht die innige Verbindung zur Literatur. Seit jeher verfasst er Kurzgeschichten und Gedichte – des öfteren nur für die Schublade. Beim Mauerläufer engagiert er sich als freiwilliger Redaktor.
Niels Zubler lebt seit 24 Jahren in Schaffhausen. Noch länger besteht die innige Verbindung zur Literatur. Seit jeher verfasst er Kurzgeschichten und Gedichte – des öfteren nur für die Schublade. Beim Mauerläufer engagiert er sich als freiwilliger Redaktor. Bild: Sandro Zoller
Sehr früh entwickelte sich eine Passion für das Lesen und Schreiben. Eine bis heute stetig anwachsende Sammlung an Gedichten ist die Folge davon. Dennoch entschied sich Niels Zubler nicht für die Kommunikations- und Medienbranche. Komplett kehrte er ihr aber nie den Rücken. Heute unterstützt er die Redaktion des Mauerläufers, ist frisch gebackener Sieger eines Literaturwettbewerbs und Herausgeber eines Buches.

«Schreiben ist eine Übung, wie wenn man Musik macht. Es ermöglicht mir, mich auszudrücken und zu reflektieren. Ich glaube, ich schreibe direkt und ehrlich, zwar mit viel Fantasie, aber möglichst ohne Fake», meint der 67-jährige Niels Zubler zu Beginn des Austausches mit dem «Bock». In seiner Mittelschulzeit habe sein Deutschlehrer die Literaturgeschichte über weite Strecken mit Dichtkunst vermittelt. «Ich liebte das.» Gedichte seien im besten Fall präzise, verdichtet, gut formuliert, rhythmisch, bildhaft und gar horizonterweiternd.

Der einstige Lehrer, schulischer Heilpädagoge und studierter Logopäde, besuchte mit 16 Jahren das Seminar Unterstrass in Zürich. Da habe er in einem kleinen, gemischten und fortschrittlichen Internat gelebt. «Die Zugverbindungen waren damals so schlecht, dass nicht daran zu denken war, jeden Tag in die Stadt zu fahren», erinnert sich Zubler zurück. Bereits seit 24 Jahren lebt der ursprünglich aus Wald, Zürcher Oberland, stammende Dichter aus Leidenschaft, zusammen mit seiner Frau in Schaffhausen. Der Liebe zum Schreiben ist er seit dessen «Entflammung» bis heute treu geblieben, wenn auch nicht hauptberuflich.

Lieber reflektieren als recherchieren

«Als Kind las ich zwar langsam, aber gerne. Meine Mutter las vor und erzählte uns viel. Vermutlich entdeckte ich dadurch den Wert des Erzählens und wollte dies ebenfalls beherrschen», erklärt der Wahl-Schaffhauser. Er habe in Deutsch immer gut sein wollen, obwohl er vermutlich Legastheniker war. «Ich hatte Glück.» Seine Lehrerinnen und Lehrer hätten ihm die vielen Fehler verziehen und gefunden, dass er, abgesehen davon, ein Talent besitze. «Es kann sein, dass ich mich schriftlich besser ausdrücken kann als mündlich», so die nüchterne Reflexion von Niels Zubler.

Trotz all der Zuneigung zu den Buchstaben, ist für ihn früh klar gewesen, dass das Schreiben nur ein grosses Hobby sei, aber nicht zum Beruf werden soll: «Dafür fehlt mir die Geduld und Ausdauer.» Er habe immer Gedichte geschrieben, vor allem für sich selbst, so wie andere Musik machen würden. Man denke nach, habe Ideen und Eingebungen. «Diese speisen sich aus dem Reservoir des Übens, des Schauens, des Nachdenkens sowie der Gespräche und das, obwohl sie sich teilweise anfühlen, als seien sie einfach dem ganz Inneren entsprungen.» Für gute Gedichte brauche es Übung, Verstand, Intuition, Rhythmus, Stil und Talent. Von Vorteil sei zudem ein eigenes untrügliches Gefühl, welches einem vor Kitsch bewahre – oder eine Erstleserin, wie seine Frau. «Gedichte schreibe ich grösstenteils für die Schublade, denn wer liest noch Gedichte.»

Er bewundere guten Journalismus, gerade Reportagen sowie die für die Gesellschaft wichtige investigative Arbeit. Dennoch sehe er seine Stärken in der Reflektion und weniger im Recherchieren. Rückblickend hätte er vermutlich Germanistik studieren sollen, so der pensionierte Logopäde: «Vielleicht hätte ich es wie mein Deutschlehrer geschafft, andere ins literarische Boot, das manchmal ein Narrenschiff ist, zu holen.» Dennoch sei er damit zufrieden, wie das berufliche Leben verlaufen ist.

«Blumen ohne Gewähr» sowie der Mauerläufer sind in drei Schaffhauser Buchhandlungen zu finden. Bild: Sandro Zoller

Gewinner und Publizist

Der Internationale Bodensee-Club, welcher seit 1950 besteht und sich der Kulturvermittlung in den Bereichen Bildende Kunst, Musik und Literatur widmet, führte dieses Jahr den dritten Kurzgeschichtenwettbewerb durch. Es sei das erste Mal seit langem gewesen, dass er an einem literarischen Wettbewerb mitgemacht habe – und das mit grossem Erfolg. «Gewinnen ist stets mit Glück verbunden. Die Texte des zweiten und dritten Platzes sind möglicherweise ebenso gut wie meiner», sagt Zubler bescheiden. Daraus entstand im Eigenverlag das Buch «Blumen ohne Gewähr». Es enthält im ersten Teil Fiktion mit autobiografischem Hintergrund. Diese Geschichten entstanden über die Zeit. Im zweiten Teil sind kleine Fantasien zur Wirklichkeit zu finden. Sie schrieb Zubler bewusst für das Buch. Als Zugabe ist sein Sieger-Text des Wettbewerbs enthalten. Erfahrung für das Publizieren sammelte er reichlich als Redaktor beim jährlich erscheinenden Mauerläufer. Der Grafiker und eine Korrektorin des literarischen Heftes haben ihm zudem unter die Arme gegriffen. Er sei stolz darauf, dass das Buch professionell daherkommt.

«Ich wurde von Hanspeter Wieland angefragt. Er war Mitbegründer des Mauerläufers, ist jetzt aber nicht mehr in der Redaktion tätig. Er hat einen Nachfolger für Jochen Kelter gesucht», so der Jungautor. Bereits seit der zweiten Ausgabe habe er stets ein Gedicht eingesandt. Zu seiner Freude wurde jedes publiziert. «Offenbar fanden die Leute beim Mauerläufer, dass ich etwas zu sagen habe und hofften, dass das der Redaktion zugutekommt.»

«Gedichte schreibe ich grösstenteils für die Schublade, denn wer liest noch Gedichte.»
Niels Zubler Pensionierter Logopäde, Redaktor beim Mauerläufer und Autor

Redaktor auf freiwilliger Basis

Der Mauerläufer sei ein Kollektiv ohne Chef, worin jede und jeder auch selber schreibt. Aktuell besteht das Team aus drei Frauen und drei Männern. Jedes Mitglied habe den Auftrag, alle Einsendungen zu lesen und darüber ein Urteil abzugeben. Danach gehe es um die Zusammenstellung des Heftes. «Zusätzlich organisieren wir Lesungen und versuchen, die Presse zu erreichen. Dabei verläuft der ganze Prozess sehr basisdemokratisch.» Niels Zublers Arbeit für den Mauerläufer beläuft sich im Durchschnitt auf rund vier Stunden pro Woche: «Ich schreibe sie nicht auf. Sie erfolgt freiwillig.»

Schaffhausen ist ein kleiner Teil des Einzugsgebietes des Mauerläufers. Trotzdem wurde er dieses Jahr von «KulturSchaffhausen» finanziell unterstützt. Seine Redaktionskollegen und er fänden es schön, wenn mehr Einreichungen aus dem hiesigen Kanton kämen. Weibliche, queere und jüngere Schaffhauser Autorinnen und Autoren seien kaum vertreten.

Literatur rettet nicht die Welt

«Manchmal ist für mich völlig klar, dass die Qualität nicht stimmt. Aber da ist ein Mensch hinter dem Text, der sich vielleicht mit seinen Zeilen identifiziert und durch eine Ablehnung verletzt wird», sagt der Mauerläufer-Redaktor. Er glaube, dass sich schreibende Personen nicht zu sehr mit dem eigenen Text identifizieren dürfen. Er solle etwas Autonomes sein, welcher durch eine kritische Beäugung auch Ablehnung erfahren kann. «Literatur vermag die Welt nicht zu retten», hält Zubler fest. Eventuell diene sie nur der Stärkung des Verstandes und der Intuition. Aber möglicherweise könne sie gar zur Resilienz beitragen und ein kleiner Verstärker des Widerstands gegen die Macht des Faktischen sein. «Vielleicht ist sie gerade wegen der Fiktion ein Gegengewicht zu Fakes.»

In seiner Schublade liege genug Material für eine Reihe von Novellen. Und ob die Literatur nun eine Weltenverbesserin sei oder nicht, er werde auch morgen und übermorgen weiterschreiben.

Sandro Zoller, Schaffhausen24
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