Sie ist gerade frisch im Pensionsalter angekommen. «Ich habe Freude. Soeben ist gerade meine zweite AHV-Auszahlung erfolgt», strahlt SP-Kantonsrätin Eva Neumann. Doch anstatt die Idylle des Ruhestands zu geniessen, will sie es nochmals wissen: 2025 vertritt sie als höchste Kantonsschaffhauserin die Rolle als Präsidentin des Kantonsrats. Sie ist notabene die neunte Frau in diesem Amt und die erste weibliche Nachfolgerin seit 17 Jahren nach Jeannette Storrer. «Für mich ist das eine komfortable Situation, denn so kann ich mich vollumfänglich dem Amt hingeben und muss nicht zwischen Job und politischen Terminen abwägen.» Und doch habe sie Respekt vor der Aufgabe und begegne dieser mit Demut, erklärt sie ihre leichte Nervosität. Diese sei auch etwas vorhanden, weil sie selten Interviews gebe und wenig im Rampenlicht stehe. «Ich bin auch nicht in den sozialen Medien vertreten», scheut sie diese Kanäle wie Weihwasser. Politisiert wurde Eva Neumann vor weit über 40 Jahren. «Ich gehörte noch zu denen, die gegen das ‹Fräulein› kämpften», erinnert sie sich an die Anfänge, wo sie sich der SP anschloss. Neumann fand ihre Berufung früh im sozialen Bereich. «Ich bin für die absolute Gerechtigkeit. Klar, während vierzig Jahren hat sich vieles verbessert, aber am Ziel sind wir noch lange nicht.» Besonders Altersarmut, die Frauen häufiger betrifft, ist ein Thema geworden, das ihr am Herzen liegt.
Im Herzen Stadtschaffhauserin geblieben
Geboren in Aarau, kam sie mit drei Jahren nach Schaffhausen. Nach der Schule absolvierte sie eine Ausbildung zur Luftverkehrsangestellten bei der Swissair und verbrachte eine Zeit im Ausland, bevor sie als Englischlehrerin in die Heimat zurückkehrte. In Beringen liess sie sich mit ihrem Mann Ebbo nieder, gebar zwei Töchter und schaffte im Herbst 2008 als Nachfolge von Beat Schwyn den Sprung in den Beringer Gemeinderat, wo sie bis 2016 als Sozialreferentin politisierte. Auf eine dritte Legislatur verzichtete sie, um sich dann bei der Ersatzwahl am 19. Februar 2018 als Mitglied des Kantonsrates als Nachfolgerin der zurückgetretenen Martina Munz zurückzumelden. Sechs Jahre begleitete sie zudem die kantonale GPK, davon zwei Jahre als Präsidentin.
In der Agglo – Eva Neumann spricht insbesondere Beringen an – fehle oft der Altstadtcharme, es gebe wenig bis keine Tagescafés, wenig Fluktuationen, geschweige denn Bibliotheken. Es sei anonymer geworden. «Als wir vor 30 Jahren nach Beringen zogen, wohnten etwa 2700 Menschen dort. Mittlerweile hat es doppelt so viele.» Trotz aller Verbundenheit mit ihrem Wohnort ist sie tief im Innern immer noch die Stadtschaffhauserin, weshalb ein Teil ihres Lebensmittelpunktes nach wie vor im Hauptort stattfindet, zumal sie bis vor Kurzem 18 Jahre lang im Arbeitersekretariat als Rechtsberaterin arbeitete. «Ich liebe Kultur und Filme», schwärmt Neumann, die in der Altstadt gerne Nischenkonzerte besucht und Kinofilme in Originalsprache bevorzugt.
«Eine Bahnlinie? Klingt interessant»
Eine Herzensangelegenheit ist ihr der öffentliche Verkehr. So ärgert sich Eva Neumann darüber, dass der Viertelstundentakt mit der Bahn zwischen Beringen und Schaffhausen zu Stosszeiten gekappt wurde. «Sehr zum Nachteil des Rhytechs in Neuhausen, wo Hunderte neu eingezogen sind.» Sie kritisiert, dass nebst Neuhausen auch Beringerfeld nicht als Umsteigebahnhof konzipiert wurde, bei dem die Busse direkt zu den Gleisen hätten geführt werden können. «Da ging viel Geld flöten.» Die neue Buslinie habe sie ausprobiert, doch der hinkende Takt störe sie. «Der Fahrplan soll so einheitlich als möglich sein, um sich die Fahrzeiten ring merken zu können.» Spannend fände sie hingegen eine Bahnlinie ins Randental, wie das zwischen 1862 und 1895 schon mal zur Diskussion stand, als von Stühlingen via Schleitheim nach Beringen eine Strecke hätte ins Leben gerufen werden sollte. «Das wäre bestimmt eine Diskussion wert, wodurch die H14 entlastet werden könnte.»
Eva Neumanns «grosse Kiste» ist die Story rund um das Beringer Datacenter, welche seit April 2021 schwelt. Als «ganz schlimm» bezeichnet sie die Situation, da der zusätzliche Verbrauch von 350 Gigawattstunden pro Jahr – etwa drei Viertel des kantonalen Strombedarfs – enorme Ressourcen beansprucht, sowohl an Strom als auch an Wasser für die Kühlung. «Ich befasste mich lange zuvor schon damit und wusste, was auf uns zukommt. Darum bin ich konsterniert darüber, dass so etwas möglich ist.» Der Standort sei am völlig falschen Ort, da die Abwärme nicht genutzt werden könne. «Das muss dorthin gebaut werden, wo ein Wärmenetz entsteht.» Neumanns Lösung sei eine Kombi aus Sonne, Photovoltaik und Windenergie. «Auch mit der Gefahr einzelner Vogelschläge», zwinkert sie in Richtung Hemishofer Rotmilan-Posse, die sie nicht verstehe. Und gibt hinterher: «Hände weg von den AKW’s – und dem Rheinfall.»
Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn
Eva Neumann wurde Ende 2023 als Nachfolgerin von Melanie Flubacher zur 1. Vizepräsidentin gewählt. «Ich habe letztes Jahr akribisch genau auf die Finger von Erich Schudel geschaut, um mich schlau zu machen», lacht sie. Nun ist sie stolze Präsidentin, ist sich aber auch dessen bewusst, dass sie politisch stillgelegt sei, wie sie sagt. «Je nach Thema fällt mir das schwer, aufs Maul zu sitzen. Doch das ist Usus.» Als höchste Kantonsbürgerin übernähme sie ja nicht die Alleinherrschaft. «Meine Aufgabe ist, dass ich die Sitzungen souverän durchbringe.» Dabei appelliert Neumann an den Respekt, den sie vom Kantonsrat erwartet. «Ein wichtiges Credo ist, dass Jede und Jeder das Recht hat, die Meinung kundzutun, während der Rest ohne Häme und Dreinreden zuhört. Da werde ich eine gewisse Strenge zeigen,» übt sie sich mit einem ernsten Blick. Auch Endlosschlaufen werden unterbunden, mahnt sie, mit Sicht auf die lange Pendenzenliste, die es abzuarbeiten gilt. Begrenzte Redezeiten, wie in Bern, würden sicher effizientere Abwicklungen hervorrufen, was die Präsidentin sogar begrüssen würde. Eva Neumann ist stolz, den Kanton ein Jahr lang vertreten zu dürfen. «Es ist eine Ehre, für unsere Region zu werben. Und ich hoffe, dass ich dabei auch inspirieren kann.»