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Politik
14.01.2025

Für Gerechtigkeit und gegen Macht

Angela Penkov weiss aus eigener Erfahrung, dass es Mut braucht, nach vorne zu stehen.
Angela Penkov weiss aus eigener Erfahrung, dass es Mut braucht, nach vorne zu stehen. Bild: Claudia Riedel
Sie steht gerne früh auf, ist bis zu einem gewissen Grad schüchtern – doch für Chancengleichheit lehnt sie sich auf. Grossstadtratspräsidentin Angela Penkov über ihre Ziele, Wünsche und anstehende Veränderungen.

Angela Penkov malt sich gerne Worst-Case-Szenarien aus. «Natürlich macht mich das nervös. Aber so bin ich auf alles vorbereitet», lacht sie. Und Vorbereitung ist ihr wichtig. In ihrer Rolle als Schulleiterin im Lindenforum, als Lehrperson sowie in ihrer neuen Funktion als Grossstadtratspräsidentin. «Gerade weil ich vom Typ her eher chaotisch und unordentlich bin.»
Vor einer Woche wählte der Grosse Stadtrat sie zur Präsidentin und damit zur höchsten Stadtschaffhauserin. Ein Titel, mit dem Angela Penkov gar nicht so viel anfangen kann. «Ich bin kein Machtmensch und mag keine Hierarchien.» Kein Wunder also, hatte sie das Präsidium gar nicht auf dem Schirm, «bis mich die SP vor drei Jahren auf die Laufbahn schickte.»
Ihre Zurückhaltung ist ein typisches Beispiel für ein Phänomen, das viele Frauen kennen: die eigenen Fähigkeiten zu unterschätzen. Auch Angela Penkov kämpft damit – trotz ihres schnellen politischen Aufstiegs. Sie startete in der Alternativen Liste, war dort Co-Präsidentin, Mitglied im Stadtschulrat, wechselte nach der Auflösung der Partei zur SP, war Nationalratskandidatin und gerade erst hat sie die Wahl in den Kantonsrat geschafft: «Das war eigentlich ein längerfristiges Ziel, damit habe ich noch gar nicht gerechnet.» Und auch ihre Partei nicht. Doppelmandate sind bei der SP nicht vorgesehen. Darum gibt es für Penkov jetzt eine Ausnahmeregelung.

Wäre lieber ins Werken als in die Handzgi 

Eine Rebellin war sie schon immer. Gerechtigkeit war ihr stets ein Anliegen. «Schon als Kind habe ich mich gefragt, warum nicht alle Familien die gleichen Voraussetzungen haben und warum ich als Mädchen nicht das Gleiche darf wie die Jungs.» So wäre sie nämlich lieber ins Werken als in die Handzgi. Schon damals hat sie sich aufgelehnt. Hat gegen Jacques Chiracs Atomwaffentests demonstriert: «Wir liefen aus dem Klassenzimmer und dachten, wir verändern die Welt.» War später im alternativen Zürcher Umfeld regelmässig an Demos dabei. Doch erst mit dem Umzug von Zürich nach Schaffhausen kam sie in die Politik. «Ich habe erst spät erkannt, dass meine Denkweise schon immer  sehr politisch war.»
Seit 14 Jahren ist Schaffhausen ihre Heimat. «Wenn ich durch die Stadt laufe, bin ich einfach glücklich», so die Mutter eines Teenagers. Die Menschen seien hier offen und entspannt.
Angela Penkov mag den Abend: «Mit Freunden in einer Bar sitzen und danach vielleicht noch tanzen gehen.» Aber auch den Morgen: «Egal, was war, ich stehe immer früh auf.» Zum Abschalten schaut sie gerne Kochsendungen oder taucht unter: «Am liebsten in der Rhybadi.» Und wenn sie unterwegs nicht angesprochen werden möchte, setzt sie ihre Kopfhörer auf, hört einen Podcast, ABBA, Bach oder wenn sie eine extra Portion Empowerment braucht auch mal einen Disney-Song.
Sich selbst und andere stärken, ist ihr ein Anliegen. Chancengleichheit ist für sie ein Herzensthema. Sei es in der Bildung, zwischen den Geschlechtern, bei der ärztlichen Versorgung oder eben auch im Grossen Stadtrat.

Das Glöggli etwas öfters läuten 

Darum werde sie vermutlich das Glöggli auch etwas öfters läuten als ihr Vorgänger. Zum Beispiel bei Zwischenrufen: «Die finde ich unglaublich störend», so die SP-Politikerin. «Da werden Leute – oft Frauen – unnötig verunsichert.» Ihr ist wichtig, dass sich alle im Rat wohlfühlen. «Egal, ob sie eine laute oder leise Stimme haben.»
Denn es brauche Mut, vorne zu stehen und etwas zu sagen. Das wisse sie aus eigener Erfahrung. «Ich habe mir immer gut überlegt, wann ich was sage.» Vielleicht auch, weil sie sich nicht immer getraut habe. Eine Sitzung zu leiten, das traut sie sich aber sehr wohl zu. «Das ist genau mein Ding, das liegt mir und dabei bin ich hochkonzentriert.»
Um die Zusammenarbeit der verschiedenen Fraktionen im Grossen Stadtrat zu fördern, will sie die Kommissionsarbeit stärken. «Die Leute in den Kommissionen sollen zu Lösungen kommen, ohne dass man sie danach im Rat torpediert», so Penkov. Hier müssten sich einige «meist männliche» Ratsmitglieder an der Nase nehmen. «Ist es denn immer nötig, nochmals für die Tribüne zu entgegnen?»
Trotz der Streitereien, die ihrer Meinung nach niemanden voranbringen, fühlt sie sich im Parlament wohl. In einer Exekutiven sieht sie sich eher nicht. «Ich sehe mich eher als Aktivistin und nahe an der Basis. Die kreativen Kampagnen – das würde mir fehlen.»

Ein neuer Nebenjob als Türsteherin? 

Aber wer weiss. Angela Penkovs bisherige Politlaufbahn hat gezeigt, wie schnell es gehen kann. Beruflich kommt schon bald etwas Neues. Ihre Stelle als Schulleiterin und Lehrerin im Lindenforum gibt die 46-Jährige diesen Sommer auf, weil sie Lust hat, etwas zu machen, was sie noch nie gemacht hat. «Ich könnte mir einen neuen Nebenjob gut vorstellen, zum Beispiel als Türsteherin im TapTab oder Glacé-Verkäuferin im El Bertin.» Und auch hier gäbe es vermutlich das eine oder andere Worst-Case-Szenario, das sie sich ausmalen könnte.

Beim Treffen im Meetingpoint haben die beiden SPlerinnen, Eva Neumann (l.) und Angela Penkov sofort einiges zu besprechen und viel zu lachen. Dank einer Ausnahmeregelung in der Partei werden die beiden Präsidentinnen auch im Kantonsrat aufeinandertreffen. Bild: Claudia Riedel
Claudia Riedel