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Gesellschaft
14.01.2025
15.01.2025 08:37 Uhr

Tanzen die Schaffhauser Nachtclubs um ihr Überleben?

Die Schaffhauser Nachtclubszene verändert sich, neben dem Angebot haben sich auch die Interessen der jüngeren Generationen verändert.
Die Schaffhauser Nachtclubszene verändert sich, neben dem Angebot haben sich auch die Interessen der jüngeren Generationen verändert. Bild: Salome Zulauf, Schaffhausen24
Das Nachtleben befindet sich im Wandel – auch in Schaffhausen. Während frühere Generationen ihre Wochenenden in überfüllten Clubs und an ausgelassenen Partys feierten, entscheiden sich heute viele junge Menschen vermehrt für alternative Freizeitaktivitäten oder kleinere, private Feste. Diese Entwicklung stellt die Partyszene vor grosse Herausforderungen. Der «Bock» ist der Problematik nachgegangen und hat mit einigen Veranstaltern gesprochen, um sich ein eigenes Bild von der Situation zu machen.

An einem Novemberabend in der Unterstadt von Schaffhausen: Die Restaurants und Bars sind gut besucht, draussen auf den Gassen sind vereinzelt Passanten unterwegs. Mit fortschreitender Stunde versammeln sich zunehmend Jugendliche und junge Erwachsene vor den Clubs der Munotstadt – die Kammgarn, das Tap Tab und der klub8. Schnell wird noch eine letzte Zigarette geraucht, bevor sich das Partyvolk in die Warteschlange am Eingang einreiht. Die Schaffhauser Nachtclubszene durchlebt derzeit eine schwierige Phase. Die glanzvollen Partynächte von vor gut 20 Jahren, als die Gassen von Donnerstag- bis Samstagnacht voller Feiernden waren, sind vorbei. Gäste gehen weniger in den Ausgang und konsumieren daher auch weniger, was die Betreibenden der Nachtclubs zunehmend vor finanzielle Schwierigkeiten stellt. Auch in der Partystadt Zürich zeigt sich ein ähnliches Bild. Eine Studie der «Bar & Club Kommission Zürich» (BCK) zeigt: Zwischen 2018 und 2023 sind die Umsätze in den Zürcher Clubs deutlich zurückgegangen: Obwohl die Gästezahlen in den letzten fünf Jahren leicht zugenommen haben, ist der Pro-Kopf-Umsatz von 45 Franken auf 30 Franken gesunken.

 

Rettet das Tap Tab

Zurück nach Schaffhausen, dort sorgte im August ein Instagram-Post des Musikraums Tap Tab für Aufmerksamkeit. Mit den Worten «Rettet das Tap Tab!» wandte sich der Verein an seine Follower und bat um finanzielle Unterstützung. Sie beschrieben ihre Lage als eine «kleine, aber feine finanzielle Krise» und fragten um einen «Übergangsbatzen». Laut den Vereinsmitgliedern gibt es mehrere Gründe für die finanzielle Schieflage, wie sie auf der Spendenwebseite schrieben. Einerseits seien die Gagen für Künstlerinnen und Künstler gestiegen, andererseits wurde die technische Ausstattung zunehmend komplexer. Zudem habe die Bereitschaft zur freiwilligen Mitarbeit abgenommen. Für ihr ursprüngliches Ziel legten sie eine Summe von 10’000 Franken fest – innerhalb von nur zwei Stunden kam diese zustande. Inzwischen haben sie sogar rund 54’000 Franken gesammelt. 

Der Konflikt mit der Generation Z

Auch gegenüber vom Tap Tab, im Kammgarn, spiegelt sich die etwas angespannte Situation der Schaffhauser Nachtclubszene wider. Besonders bei der Generation Z wird festgestellt, dass diese im Vergleich zu früheren Generationen seltener in den Ausgang geht.
An diesem Novemberabend wirkt der Hofplatz der Kammgarn dennoch belebt. Aus dem Inneren dröhnen die Bässe der Musikboxen, während draussen einige junge Erwachsene in der Warteschlange stehen und sich auf die Partynacht einstimmen. Eine von ihnen ist Laura (19). Sie geht etwa ein- bis zweimal im Monat in Schaffhausen aus und beschreibt sich selbst als Gelegenheitsausgängerin. «Was ich schade finde, ist, dass es in Schaffhausen nicht mehr so viele Optionen gibt», sagt sie. «Vor allem seit der Übernahme des Orients durch neue Besitzer hat sich das Angebot grundlegend verändert. Mit dem neuen Konzept, das Veranstaltungen erst ab 20 oder sogar 25 Jahren ausrichtet, ist der Club für viele junge Menschen als Ausgehmöglichkeit weggefallen.» Ähnlich sieht es auch Jonas (20), der zwar häufiger in Clubs geht, in Schaffhausen jedoch schon lange nicht mehr unterwegs war. «Meine Freunde und ich gehen lieber nach Konstanz. Dort ist es günstiger und das Angebot ist grösser.» Zwar sei der Weg etwas länger, doch dies lohne sich seiner Meinung nach.

Verändertes Konsumverhalten

Dieses Verhalten macht sich auch bei den Betreibenden der Kammgarn bemerkbar. «Wir haben in den letzten Jahren eine Veränderung in der Partyszene wahrgenommen», sagt Pascal Bührer, Marketing- und Kommunikationsverantwortlicher des Kammgarns. Früher waren Besucherzahlen von 800 Personen an einem Samstagabend keine Seltenheit. Heute sei es schwieriger, abzuschätzen, welche Veranstaltungen funktionieren. «Vor allem bei Partys ab 18 Jahren haben die Besucherzahlen stetig abgenommen», sagt der Schaffhauser. Die Nachfrage sei schon vor der Pandemie zurückgegangen, wurde aber durch diese verstärkt. Neben rückläufigen Besucherzahlen bei den Partys ab 18 Jahren zeigen sich auch Unterschiede im Konsumverhalten der verschiedenen Altersgruppen. Besonders Partys ab 16 Jahren bringen deutlich geringere Einnahmen, da Jugendliche oft anderswo ihre Getränke kaufen. «Wir sprechen hier von einem Pro-Kopf-Umsatz von etwa neun bis elf Franken», sagt der 41-Jährige. Dies sei früher jedoch nicht anders gewesen, da die Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht so viel Geld zur Verfügung hatten. Generell hat sich das Konsumationsverhalten verändert. «Nicht alkoholische Getränke sind im Trend. Das ist grundsätzlich nichts Schlechtes, zeigt sich jedoch im Umsatz», sagt der Kommunikationsverantwortliche. Er vermutet einen Zusammenhang mit dem auf Social Media propagierten gesunden Lebensstil. Hinzu kommen andere Prioritäten: Reisen, Teilzeitarbeit oder teure Hobbys könnten ebenfalls dazu führen, dass im Nachtleben gespart wird.

Alkoholkonsum in der Schweiz
Laut einer aktuellen Erhebung des Bundesamts für Statistik (BFS) konsumieren vier von fünf Personen in der Schweiz ab 15 Jahren Alkohol – ein Anteil, der seit 30 Jahren stabil geblieben ist. Der tägliche Konsum ist jedoch stark zurückgegangen: 1992 tranken noch 20 Prozent der Bevölkerung täglich Alkohol, 2022 waren es nur noch 9 Prozent. Im Gegensatz dazu zeigt die Erhebung eine Zunahme des Rauschtrinkens, das seit 2007 bei Frauen wie Männern ansteigt. Besonders betroffen sind junge Männer zwischen 15 und 24 Jahren, von denen sich 31 Prozent mindestens einmal im Monat in einen Rausch trinken.
Was man unter Rauschtrinken versteht
Rauschtrinken, auch Binge Drinking genannt, bezeichnet den Konsum grosser Mengen Alkohol in kurzer Zeit mit dem Ziel, schnell einen Rauschzustand zu erreichen. Als Richtwert gelten vier oder mehr Standardgläser bei Frauen und fünf oder mehr Standardgläser bei Männern. Rauschtrinken birgt erhebliche gesundheitliche Risiken wie Alkoholvergiftungen und Langzeitschäden.

Mehr als nur ein Club

Mittlerweile ist kurz nach Mitternacht, die Warteschlange vor der Kammgarn hat sich aufgelöst. Die letzten Gäste betreten den Club, drinnen sorgen laute Musik und bunte Lichter für eine mitreissende Partystimmung. Etwa 300 Menschen sind an diesem Samstagabend gekommen.
Für Pascal Bührer ist ein vielfältiges Angebot der Schlüssel, um die Schaffhauser Partyszene zu stärken. «Wir versuchen, ein breites Zielpublikum anzusprechen und verschiedene Partys, Konzerte oder Theateraufführungen zu organisieren», sagt er. «Wenn etwas zu nischig ist, wird es allerdings schwierig, genügend Interessierte in der Region zu finden.» Entscheidend sei ein vielfältiges Angebot, denn: «Es braucht unterschiedliche Clubs für verschiedene Zielgruppen, damit sich die Szene nicht gegenseitig Konkurrenz macht, sondern gemeinsam wieder wachsen kann.»

  • 22:30 Uhr – Freitagabend vor dem Kulturzentrum Kammgarn in Schaffhausen. Bild: Salome Zulauf, Schaffhausen24
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  • 22:40 Uhr – Im Verbindungsgang zwischen der Kammgarn und dem Tap Tab halten sich vereinzelt ein paar Besucher:innen auf. Bild: Salome Zulauf, Schaffhausen24
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  • 23:00 – Die Tanzfläche der Kammgarn bleibt fast leer, nur vereinzelt sind Personen zu erkennen. Bild: Salome Zulauf, Schaffhausen24
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  • 23:30 Dekoriert und farblich darauf abgestimmt, schafft der Raum eine Atmosphäre, die eigentlich zum Tanzen einlädt. Bild: Salome Zulauf, Schaffhausen24
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  • 00:30 – Trotz der geringen Besucher:innen herrscht eine ausgelassene Stimmung auf der Tanzfläche. Bild: Salome Zulauf, Schaffhausen24
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  • 01:00 – Draussen beim Raucherbereich herrscht Stille. Bild: Salome Zulauf, Schaffhausen24
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  • 01:15 – Die Tanzfläche leer sich wieder, einige halten sich bei der Bar auf und unterhalten sich. Bild: Salome Zulauf, Schaffhausen24
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  • 02:15 – Die Party ist vorbei. Bild: Salome Zulauf, Schaffhausen24
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Kulturkick für Schaffhausen

Ein breites Zielpublikum anzusprechen, ist auch das Ziel des klub8 an der Safrangasse. Wie viele andere Veranstaltungsorte in Schaffhausen denken die Betreibenden darüber nach, wie sie die Partykultur lebendig halten und ihre Relevanz langfristig sichern können. Dabei verstehen sie sich nicht nur als Veranstalter des städtischen Nachtlebens, sondern auch als aktive Gestaltende der regionalen Kulturszene.

Salome Zulauf, Schaffhausen24