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Gesundheit
27.09.2021
27.09.2021 15:17 Uhr

Chirurgie auf 2200 Meter

Dr. med. Peter Šandera
Dr. med. Peter Šandera Bild: zVg.
Dr. med. Peter Šandera, Chefarzt Klinik für Chirurgie Kantonsspital Schaffhausen, berichtet von seinem ersten humanitären Einsatz in Tadschikistan.

Als ich das erste Mal den Auftrag erhielt, in Tadschikistan einen humanitären Einsatz zu leiten, musste ich selbst auf der Weltkarte nachsehen. Das Spital im Pamirgebirge lag auf 2200 Metern über Meer, nur durch einen Grenzfluss von Afghanistans Norden getrennt. Nach mehreren Einsätzen in der Mongolei sollten wir Chirurgen, Anästhesistinnen, Urologinnen und Pflegefachkräfte aus der Schweiz nun also nach Tadschikistan. Wir trafen auf eine hochmotivierte Ärztegruppe, die sich nach jahrelangem Bürgerkrieg danach sehnte, einen praktischen Austausch mit Ärzten/-innen aus Europa zu erhalten. Die Bedingungen im Pamirgebirge sind hart. Grosse Armut wird von einer hohen Sterblichkeit der Mütter bei der Geburt begleitet - ein Indiz für die ungenügende medizinische Versorgung in diesem Land. Tadschikische Ärztinnen und Ärzte studieren wie wir sechs Jahre Medizin. Doch die chirurgischen Techniken basieren noch heute mehrheitlich auf russischen Ausbildungsbüchern aus den 1960er-Jahren. Uns trennten also Welten, auch sprachlich. Die Mediziner/-innen sprechen mehrheitlich den lokalen Dialekt Shugni, der für uns bei jedem Handgriff am Operationstisch auf Englisch übersetzt werden musste. Dies verlängerte die Eingriffe wesentlich und machte uns bewusst, wie elementar wichtig eine klare Kommunikation im Operationssaal ist.

Veraltete Operationsmethoden und äusserst limitierte Ressourcen – damit mussten wir arbeiten. Aber Not macht erfinderisch und gemeinsam mit dem lokalen Ärzte-Team suchten wir nach Lösungen. Zum Beispiel haben wir anstelle von teuren medizinischen Netzen bei der Behandlung von Leistenbrüchen Moskitonetze implantiert, welche vorgängig sterilisiert wurden. Zu unserem Erstaunen erfüllten diese Netze ihren Zweck vollkommen und den Patienten/-innen ging es damit gut. Zurück von diesen Einsätzen stellt sich bei mir jeweils eine grosse Dankbarkeit und Demut ein. Dankbar darüber, hier in der Schweiz in Frieden aufgewachsen zu sein und eine der weltweit besten medizinischen Ausbildungen erhalten zu haben. Demütig, weil ich mir der Verantwortung bewusst bin, mit unseren fast unlimitierten medizinischen Möglichkeiten den Patientinnen und Patienten die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen. Ich freue mich ausserordentlich, diese Verantwortung nun in den Spitälern Schaffhausen wahrnehmen zu dürfen. Ohne auf Moskito-Netze zurückgreifen zu müssen.

Schaffhausen24