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Kultur
08.06.2021

«Tu sei lo Svizzero!»

Franco Battel vor dem Kolosseum in Rom: «Die Italienerinnen und Italiener sind ein enorm interessiertes Volk. Wenn ich da ein Mikrofon auspacke, kommen sie automatisch.»
Franco Battel vor dem Kolosseum in Rom: «Die Italienerinnen und Italiener sind ein enorm interessiertes Volk. Wenn ich da ein Mikrofon auspacke, kommen sie automatisch.» Bild: zVg.
Der Schaffhauser Franco Battel berichtete die letzten sechs Jahre als Korrespondent für das Schweizer Radio «SRF» aus Rom. Trotz seinen italienischen Wurzeln sei er bei seinen Freunden in Rom immer «der Schweizer» gewesen.

Ja, die Korrespondenz in Italien sei eine Traumstelle gewesen, sagt Franco Battel in seiner Wohnung in Zürich. Sein Büro ist aufgeräumt, die Ordner in den USM-Haller-Möbeln der Farbe nach eingegliedert. Im Büchergestell fallen die dicken «Schunken» der Schaffhauser Kantonsgeschichte als Erstes auf. Seit nun einem Monat ist der studierte Historiker wieder in der Schweiz. So ganz wieder eingelebt habe er sich aber noch nicht, gibt er zu, das brauche wohl noch einen Moment. 

Italienische Wurzeln

Schon vor seinem Stellenantritt als Korrespondent in Rom 2015 hatte Franco Battel eine ausgeprägte Beziehung zum sonnengesegneten Land südlich der Schweiz. Sein Vater, der aus Italien in die Schweiz eingewandert war, brachte ihm die Kultur näher, eine Reise nach Rom im Alter von 18 Jahren entfachte in ihm das Feuer für die geschichtsträchtige Stadt und ein Auslandsemester in der italienischen Hauptstadt ermöglichte ihm einen intensiveren Einblick ins tägliche Leben der Italienerinnen und Italiener. Das sei für seine Aufgaben als Korrespondent durchaus ein Vorteil gewesen: «Ich habe ein Wissen, das es mir erlaubte, das Land einigermassen einzuschätzen. Das ist gerade bei Italien nicht ganz unwichtig, denn eigentlich alle Schweizerinnen und Schweizer haben ihr eigenes Italienbild, weil sie schon einmal da waren. Die Leute können über dieses Land mitreden, was bedeutet, dass es als Korrespondent mehr Wissen braucht, als wenn ich beispielsweise aus Australien berichten würde.»

Lockerer geworden

Auch wenn Franco Battel italienische Wurzeln hat, sieht er sich selber in vielen Dingen als klassischen Schweizer. So sei er zum Beispiel ausserordentlich pünktlich. Ein Begriff, den die Italienerinnen und Italiener bekanntermassen etwas lockerer interpretieren. «In Italien können Sie immer verspätet sein, da dreht einem niemand einen Strick draus. Sagen wir es so: Ich selbst bin immer noch sehr pünktlich, aber ich habe in den letzten Jahren eine gewisse Gelassenheit entwickelt, was die Pünktlichkeit von Mitmenschen anbelangt.» Abgemachte Interviews fanden manchmal etwas später statt als geplant. Dafür habe es dank der südländischen Aufgeschlossenheit auch viele ungeplante Gespräche gegeben: «Die Italienerinnen und Italiener sind ein enorm interessiertes Volk. Wenn ich da ein Mikrofon auspacke, kommen sie automatisch. Das pure Gegenteil von Liechtenstein, da sprangen alle davon, wenn ich früher als Auslandjournalist des Radios kam.» Nur in einem Punkt seien unsere südlichen Nachbarinnen und Nachbarn deutlich weniger locker als die Leute in der Schweiz. Beim Thema Essen höre der Spass bei den Italienerinnen und Italienern auf: «In der Schweiz haben wir eine Galgenfreiheit beim Essen, in Italien hingegen gibt es einen klaren Kanon, was, wie zu essen ist. Das hat abgefärbt. Ich erachte heute Spaghetti alle vongole mit Parmesan als Verbrechen. Da tun Sie den Spaghetti also wirklich Gewalt an», sagt er mit einem väterlichen Lachen im Gesicht, seine Stimme bleibt indes ernst: «Das macht man nicht.»

«Ich bin gelassener geworden, wenn Leute zu spät kommen.»
Franco Battel

Corona-Zentrum Italien

Das letzte Jahr war auch für Franco Battel eine Herausforderung, besonders im vergangenen Frühling, als ganze Lastwagenkolonnen die Leichen der an Covid-19 verstorbenen Menschen aus der italienischen Stadt Bergamo herausfuhren. Bilder, die auch Franco Battel zum Nachdenken brachten: «Ein Schlüsselmoment in der Pandemie war für mich, als in einigen Regionen Italiens die an Corona Verstorbenen nicht mehr richtig von ihren Angehörigen beerdigt werden konnten, sondern aus Sicherheitsgründen sofort kremiert wurden. Da wurde mir bewusst, dass da etwas ganz Schreckliches passierte.» In Rom sei die Lage glücklicherweise nie so angespannt gewesen wie in Bergamo, relativiert Franco Battel, die Situation in der italienischen Hauptstadt sei vergleichbar gewesen mit der in Zürich oder Schaffhausen. 

«Ein Stück Heimat»

Aufgewachsen ist Franco Battel im Grubenquartier in Schaffhausen. Und obwohl er schon seit rund 30 Jahren nicht mehr hier lebt, zieht es ihn regelmässig in die nördlichste Stadt der Schweiz. Hier verbringt er mit seinem Zwillingsbruder Zeit auf dem Rhein oder besucht Freundinnen und Freunde. Noch immer fühle er sich in Schaffhausen auch zu Hause: «Egal, wie lange ich weg war, wenn ich am Rhein oder auf dem Randen bin, dann fühle ich mich einfach wohl und vertraut. Und wenn ich vom Bahnhof her durch die Stadt gehe, treffe ich spätestens auf dem Fronwagplatz oder in der Vordergasse eine Person, die ich kenne und die mich grüsst. Das ist Lebensqualität.» Und diese Verbundenheit spiegelt sich auch in seinem Dialekt, der noch heute so schön breit schaffhauserisch daherkommt, wie damals 1996, als er beim «Regionaljournal Zürich/Schaffhausen» des Schweizer Radios begann und nicht etwa über Schaffhausen, sondern über Zürich berichtete. Der Dialekt sei schon damals ein Thema gewesen, erinnert sich Franco Battel schmunzelnd: «Es hiess in der Sendung jeweils: ‹Schweizer Radio DRS, es isch halbi Sächsi.› Ich sagte dann, wie mir der Schnabel gewachsen ist: ‹Schweizer Radio DRS, es isch halbi Sexi.› Das irritierte gewisse Leute schon sehr. Und als ich dann statt vom ‹Sächsilüüte›, vom ‹Sexilüüte› sprach, musste ich das anpassen.» Auch an seinen ersten Radiobeitrag mag sich Franco Battel heute noch lebhaft erinnern. Er berichtete damals über eine Frau, die beim Türlersee in der Nähe des Albispass Frösche über die Strasse trug. «Dieser Beitrag war nicht weniger herausfordernd als ein Bericht aus Italien. Wenn ich als Korrespondent über Beppe Grillo berichte, kontrolliert er nicht, was ich sage. Die Frau mit den Fröschen hat den Beitrag aber natürlich gehört und die hätte sich ganz sicher gemeldet, wenn ich etwas Falsches gesagt hätte.»

«Wenn ich am Rhein oder auf dem Randen bin, fühle ich mich wohl.»
Franco Battel
Franco Battel 2015 im Radiostudio in Rom in der Nähe des «Trevi Brunnen». Das Studio teilte er mit den Kollegen von «RSI». Bild: zVg.

Vorerst in der Schweiz

Dass Franco Battel nun wieder zurück in der Schweiz ist, liegt auch daran, dass Korrespondentenstellen in aller Regel nur sechs Jahre dauern. Das mache auch Sinn, findet der 55-Jährige, denn ein Wechsel biete immer die Möglichkeit, dass jemand Neues einen anderen Blickwinkel auf ein Land hat. Franco Battel selber arbeitet nun in der Schweiz wieder in der Auslandredaktion, wo er unter anderem für Österreich zuständig ist, und als Produzent der Sendung «Echo der Zeit». Eine andere Korrespondentenstelle wollte er aktuell nicht annehmen: «Italien ist ein Land, bei dem ich das Gefühl habe, dass ich es den Schweizerinnen und Schweizern gut vermitteln kann. Dieses Gefühl habe ich bei relativ wenigen Ländern. Österreich gehört auch dazu. Ich würde aber zum Beispiel nie nach China gehen.» Zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal ein paar Jahre aus Italien zu berichten, will er aber nicht ausschliessen. Auch wenn ihm dann seine italienischen Freunde wieder sagen werden: «Tu sei lo Svizzero!»

Yves Keller, Schaffhausen24