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Gesellschaft
09.03.2021

Die erwachsene Jugend

Die Maske gehört zum Alltag: Johannes Borer, Kajsa Rahm, Tobias Burkhardt (v. l.).
Die Maske gehört zum Alltag: Johannes Borer, Kajsa Rahm, Tobias Burkhardt (v. l.). Bild: Yves Keller, Schaffhausen24
Die Corona-Pandemie hat einer ganzen Generation die jugendliche Freiheit genommen. Für sie gibt es keine Abenteuer, keine Möglichkeiten, Grenzen auszuloten und kaum Gelegenheit, neue Leute kennen zu lernen. Wie es ihnen dabei geht? Der «Bock» hat drei Jugendliche zum Gespräch getroffen.

Es ist ein sonniger Nachmittag. Rund um den Munotsportplatz sind viele Spaziergängerinnen und Spaziergänger unterwegs, vier Männer spielen Basketball, einige Läuferinnen und Läufer drehen auf der Tartanbahn ihre Runden, vom Spielplatz her ist Kinderlachen zu hören. Kajsa Rahm (17), Tobias Burkhardt (18) und Johannes Borer (19) erscheinen alle mit Maske zum Interview. Schnell wird klar, sie sind darauf bedacht, ein gutes und pflichtbewusstes Bild ihrer Generation zu geben. Und: Sie schauen mit einer überraschenden Reife auf ein Jahr voller Einschränkungen zurück.

Unbeschwertheit verloren

Eintönig sei das Leben geworden, sagen die drei Jugendlichen. Immer der gleiche Tagesablauf. Schule. Hausaufgaben. Am Abend vielleicht noch ein Spaziergang oder Sport. Es gehe ihnen zwar relativ gut, betonen die drei, trotzdem sei die Last des letzten Jahres zu spüren, gibt Kajsa Rahm zu: «Es geht mir schon weniger gut als noch vor einem Jahr. Ich habe aber gelernt, dass es o.k. ist, wenn es mir an einem Tag mal nicht so gut geht.» Nach einer kurzen Gedankenpause ergänzt sie: «Grundsätzlich fühle ich mich wohl. Es ist einfach alles so monoton geworden, es passiert nichts Unerwartetes, jeder Tag sieht gleich aus und ich muss mich oft alleine beschäftigen. Unterdessen habe ich wieder angefangen, Klavier und Gitarre zu spielen und mich sogar in Nähen und Zeichnen versucht.»

Die beiden jungen Männer pflichten ihr bei, dass das Leben etwas eintöniger und einsamer geworden sei. Sie würden mehr lesen, Serien und Dokumentationen schauen oder kochen. Sonst gebe es nicht viele Alternativen. «Ich vermisse eine gewisse Spontaneität und den Kontakt mit den Menschen», sagt Tobias Burkhardt. «Vor Corona konnte ich einfach im Gruppenchat fragen, wer ans Lindli kommt und dann kamen sieben Leute. In den letzten Monaten vor den Lockerungen musste ich zuerst überlegen, wen ich frage und gleichzeitig war dann noch die Frage, ob ich es mit dem eigenen Gewissen vereinbaren kann, wenn wir zu fünft raus gehen. Das war schon sehr anstrengend.» Ähnlich pflichtbewusst wie Tobias Burkhardt sind auch Kajsa Rahm und Johannes Borer. Sie sind der Meinung, dass sie wegen der Pandemie einen Teil ihrer Jugendlichkeit abstreifen mussten. Kajsa Rahm erklärt es so: «Corona zwang uns, erwachsener zu werden, weil wir so viele mögliche Konsequenzen unseres Verhaltens zu beachten haben. Da fühle ich mich schon etwas alt, wenn ich so sehr an meine Eigenverantwortung denken muss.» Tobias Burkhardt pflichtet ihr bei: «Vor Corona war mein Leben unbeschwerter, diese Leichtigkeit gibt es nun einfach nicht mehr.»

Mühe mit Anschuldigungen

Im Gespräch wirken die drei Teenager sehr selbstreflektiert. Sie haben sich mit den Einschränkungen arrangiert. Mühe haben sie vielmehr damit, dass ihre Generation vor allem am Anfang der Krise als Sündenbock herhalten musste. Johannes Borer sagt: «Ich empfand es als ungerecht, dass wir Jungen am Anfang als der problematische Teil der Gesellschaft betrachtet wurden. Es hiess immer wieder, dass die Jungen sich nicht an die Regeln hielten. Ich kann Ihnen sagen, ich kenne genug ältere Menschen, die sich nicht im Geringsten um die Regeln scherten. Der Fokus war zu krass auf uns gesetzt.» Die anderen beiden nicken ihm zu und Tobias Burkhardt ergänzt: «Wir sind bereit, uns zurück zu nehmen, auch wenn ich natürlich lieber in den Ausgang gehen und viele Freunde treffen würde. Ich erwarte das dann aber auch von jedem Teil der Gesellschaft.» Die drei Jugendlichen gehören zu einer ganzen Generation, die sich nicht ins Nachtleben stürzen kann. Haben sie Angst, deshalb etwas zu verpassen? Hier fallen die Antworten unterschiedlich aus.

Johannes Borer vermisst in erster Linie seine Tätigkeit als Präsident eines Vereins, Kajsa Rahm findet zwar, dass sie im Vergleich zu anderen Generationen etwas verpassen würden, da es aber allen so geht, sei es für sie nicht so dramatisch. Mehr Mühe damit hat Tobias Burkhardt: «Das grösste Problem, das ich mit dieser Pandemie habe, ist, dass gerade eine wichtige Zeit meines Lebens irgendwie einfach so an mir vorbeizieht. Im Sommer gehe ich ins Militär und danach an die Uni. Es wird also nie mehr so entspannt wie jetzt, nur kann ich es jetzt nicht so geniessen.» Auf eine baldige Rückkehr zur Normalität hoffen alle drei und sie wissen auch schon, was sie dann, wenn alles wieder offen ist, als Erstes tun werden. «Ich freue mich sehr darauf, im Verein einen Anlass zu organisieren und mit hoffentlich vielen Leuten durchzuführen», sagt Johannes Borer mit einem breiten Lachen auf dem Gesicht. Kajsa Rahm hofft, bald wieder an Festivals gehen zu können: «Das wäre natürlich schon sehr cool, wieder einmal mit so vielen Leuten zusammen zu feiern.» Und Tobias Burkhardt? Er ist pragmatisch: «Ich glaube, wenn wir alles hinter uns haben, dann gehe ich ohne Maske in die Migros und atme mal so richtig tief ein.»

Yves Keller, Schaffhausen24