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Kultur
08.04.2021

100. Geburtstag von Sir Peter Ustinov

Sir Peter Ustinov und der in Schaffhausen wohnhafte Phlipp Flury bei Dreharbeiten.
Sir Peter Ustinov und der in Schaffhausen wohnhafte Phlipp Flury bei Dreharbeiten. Bild: zVg.
Am 16. April würde Sir Peter Ustinov, der in der Schweiz lebte, 100 Jahre alt werden. Der Medienschaffende Philipp Flury aus Schaffhausen erinnert sich an seine langjährige Freundschaft mit dem Autor, Regisseur, Schauspieler und Humanisten.

Zum 100. Geburtstag von Sir Peter Ustinov (16. April 2021) erinnern sich der Urner Filmemacher Felice Zenoni und der in Schaffhausen wohnende Ex-TV-Mann und Medienschaffende Philipp Flury an den Schauspieler, Regisseur, Autor, UNICEF-Botschafter und Humanisten. Der 1921 in London geborene Engländer zog mit seiner Familie in den 1950er-Jahren in die Schweiz. Ustinov ruht auf dem Friedhof von Bursins, jener Waadtländer Gemeinde aus der Bundespräsident Guy Parmelin stammt.
Im Dokumentarfilm «Sir Peter Ustinov – Der Wahlschweizer» (abrufbar in der «SRF»-Mediathek) erinnern sich Guy Parmelin und der Medienschaffende Philipp Flury an den Oscar-Preisträger. Im Film sind erstmals Ausschnitte aus einer Pilotsendung zu sehen, die wenige Monate vor Ustinovs Tod entstanden ist. In Ustinovs letzter Arbeit vor der Kamera bekennt er sich als glühender Fan von Roger Federer und erwähnt auch Wilhelm Tell.

Von den Anfängen

Wir begegneten uns zum ersten Mal persönlich im Jahr 1982 bei einem Interview in der Live-TV-Vorabendsendung «Karussell», deren Mitbegründer, Mit-Moderator und Mit-Realisator ich war. Peter Ustinov war auf Promotion-Tour für den Filmkrimi «Das Böse unter der Sonne» nach Agatha Christie. Er spielte den belgischen Privatdetektiv Hercule Poirot. Wir waren uns auf Anhieb sympathisch und er lud mich für den Abend in die Zürcher Kronenhalle ein, heute noch ein Restaurant, wo sich vor allem die Prominenz aus allen Künsten wohlfühlt. Er schob mir am Ende dieses gemütlich-humorvoll-freundschaftlichen Essens eine der wunderschönen, von der Künstlerin Helena Helbling gemalten Menükarten über den Tisch: Darauf hatte er sich auf einem drehenden Karussell gezeichnet und geschrieben – neben der Helbling-Zeichnung und der Mousse au Chocolat-Angabe: «Für Philippissimo, Ihr fürchterliches Karussellgeisel». Später meinte er, dass diese Formulierung humorvoll gemeint sei. Von da an verstanden wir uns auch humor-mässig ausgezeichnet. Bei einem weiteren Essen in der Kronenhalle wurde wieder gezeichnet: er mich, ich ihn. Dabei war auch seine dritte Frau, Hélène du Lau d’Allemans. Eine französische Journalistin und Schriftstellerin, mit der er bis zuletzt in seinem Haus in Bursins am Genfersee lebte. Sie war eine ruhige und doch lebenslustige, interessierte, ausgesprochen charmante Dame, die sich sehr um ihren Peter kümmerte. Ich weiss noch, als Sir Peter meinem alten Freund, dem Produzenten Marcel Schmid, und mir einige Jahre später mitteilen musste, dass eine gemeinsame Produktion in Kuba nicht realisiert werden könne, der UNICEF wegen, hielt sie ihrem kreidebleichen Mann die Hand und gab ihm Kraft, dies sagen zu können. Wir waren ihm nicht böse, umso mehr der UNICEF, die eben doch nicht unabhängig von der amerikanischen Politik ist. Aber das ist eine andere Geschichte, die in meinem neuen Buch erscheinen wird.

«Flurystan. Rette mich.»

Nach Philippissimo nannte er mich nur noch Flurystan, eine Anspielung auf ein Gespräch mit ihm über die Zukunft Russlands aus seiner Sicht. «Flurystan – komm bald zurück – eine ganze Menge Fidelios erwarten dich!» Dazu die Zeichnung: Ich in Fesseln mit klassischer Gewichtskugel schickte er mir ins Spital, als ich zwei Stunden vor Beginn einer Konzertreihe im Rahmen von ORPHEUM, die er moderierte, einen Herzinfarkt erlitt. Und immer wieder kamen seine Anrufe: «Flurystan. Rette mich.» Und ich rettete ihn. Es waren meist unangenehme Situationen für ihn, in denen ich ihn allem Anschein nach moralisch unterstützen konnte. Beispiel gefällig?
Als das Telefon klingelte und sich ein «Herr aus Bursins, aber jetzt in Köln» meldete, vermutete ich, dass eine weitere «Rettungsaktion» fällig war. Meine Annahme war richtig. Er jammerte (so richtig weinerlich, natürlich bewusst gespielt), er sei in Köln an der deutschen Vertonung eines alten, kitschig-grauenhaften Filmes, bei dem er früher nur des Geldes wegen mitgespielt habe. Er habe mir zur Bestätigung das Drehbuch geschickt. Ob ich ihn retten und nach Köln kommen könne. René, mein alter Freund, und ich fuhren tags darauf nach Köln und trafen ihn abends im Foyer eines Hotels. Er freute sich wie ein Kind und erzählte ohne Unterbruch, wie schlimm es sei. Und, wie gut es ihm tue, dass wir nun hier seien. Wir sassen zusammen, tranken was und munterten ihn auf, was gut gelang. Nach einer guten Stunde musste er ins Bett – und wir fuhren wieder nach Hause…

Ironie und grosse Menschlichkeit

Er war ein grossartiger Mensch. So mächtig wie seine Figur, so umfassend waren sein Wissen, seine Intelligenz, seine wuchtige Kreativität, in vielen künstlerischen Bereichen. Aber auch sein zuweilen ironisch-sarkastischer Humor zeichneten ihn aus, seine Liebenswürdigkeit und vor allem seine grosse Menschlichkeit.
Der in Sankt Petersburg gezeugte, in London geborene, in Schwäbisch Gmünd evangelisch getaufte und 1990 von Elisabeth II. in den britischen Adelsstand erhobene Alleskönner, war auch Winzer. Dazu meinte er: «Aus meinen Reben gibt es echten Schweizer Wein. Die Schweizer Weine gewinnen doch jeweils im Ausland internationale Preise. Deshalb habe ich immer, wenn ich im Auto unterwegs bin, einige Flaschen in meinem Kofferraum. Man kann ja nie wissen …»

Der Autor, Medienschaffende und TV-Mann Philipp Flury lebt in Schaffhausen. Er war 15 Jahre mit Sir Peter Ustinov eng befreundet.

Philipp Flury, Schaffhausen24