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Gesellschaft
20.04.2021
27.05.2021 08:56 Uhr

«Wir Menschen haben doch eine Verantwortung»

Samuel Gründler ist besorgt um die Wasserqualität im Rhein.
Samuel Gründler ist besorgt um die Wasserqualität im Rhein. Bild: Yves Keller, Schaffhausen24
In den letzten Tagen sorgte die Netflix-Dokumentation «Seaspiracy» auch in der Schweiz für viel Aufsehen. Der Film zeigt, wie der internationale Fischfang einen grossen Teil an die Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung beiträgt. Der Präsident des Fischereivereins Schaffhausen rät nachdrücklich zum Kauf von lokalen Fischen.

Im Film «Seaspiracy» wird aufgezeigt, wie selbst bei angeblich nachhaltiger Fischerei enorme Mengen an Beifang gemacht, Ökosysteme in den Weltmeeren zerstört und Menschen auf Fischerbooten als Sklaven gehalten werden. Diese Probleme, welche die internationale Fischerei verursachen, sind dem Präsidenten des Schaffhauser Fischereivereins, Samuel Gründler, schon lange bekannt. Das Problem sei, dass 95 Prozent der Fische, die in der Schweiz gegessen werden, importiert sind. Die Klimabilanz solch importierter Fische sei lausig. Auf der anderen Seite habe der Rhein das Potential, dass mehr Fische für den Konsum gefangen werden könnten, solange es die richtigen Fischarten seien, wie zum Beispiel der Alet (Fisch des Jahres 2021), dessen Bestände im Rhein sehr gross sind. «Der frisch gefangene Fisch aus dem Rhein ist eigentlich das nachhaltigste Lebensmittel überhaupt. Ich behaupte, dass er sogar ‹veganer› sein kann als die Karotten vom Feld.» Eine gewagte Aussage, die der Biologe begründet: «Beim Pflügen des Feldes sterben hunderte Regenwürmer. Bei Pestizideinsätzen trifft es noch viel mehr Tiere. Verstehen Sie mich nicht falsch, natürlich braucht es die lokale Landwirtschaft für eine regionale Nahrungsmittelversorgung. Ein direkter Bezug zum Lebensmittel hilft für ein ganzheitliches Verständnis.»

Hitzesommer und Chemiecocktail

Samuel Gründler ist in Schaffhausen aufgewachsen, hat an der ETH Biologie und in Finnland Fischbiologie studiert. Nach dem Nachdiplom zum Energieingenieur leitet er heute ein Ingenieurbüro in Schaffhausen. Seit 2011 ist der 37-Jährige im Vorstand des Schweizerischen Fischereiverbandes. Regelmässig ist er auf dem Rhein und beobachtet die Veränderungen unter Wasser. Dramatische Veränderungen, wie er sagt: «Im Rhein ist es ganz brutal, wie sich der Fischbestand in den letzten 25 Jahren gewandelt hat. Der erste Bestandseinbruch kam mit den vielen Kormoranen. Als wir dieses Problem eindämmen konnten, kam der erste Hitzesommer und seither blieb unter Wasser kein Stein mehr auf dem anderen.» Besonders darunter gelitten hat die Äsche. Während andere Fische vom wärmeren Wasser sogar profitieren konnten, habe sich die Äsche schon fast ganz aus dem Rhein verabschiedet: «Wir hatten hier den grössten und wichtigsten Äschenbestand in ganz Mitteleuropa. Heute kämpft der Fisch ums Überleben. Ich gebe nicht auf, aber es sieht düster aus für die Äsche.» Für alle Fische eine Belastung sei die Verschmutzung durch chemische Rückstände im Abwasser und der Einsatz von Pestiziden. Viele kleine Bäche seien heute nahezu tot. Um das Abwasserproblem zu lösen, werden Kläranlagen künftig aufgerüstet. Bei den Pestiziden habe es die Politik aber versäumt, eine gute Lösung zu finden: «Es ist ein Fakt, dass in unseren Gewässern viele chemische Rückstoffe sind. Leider hat das Parlament sein Versprechen für einen wirksamen Gegenvorschlag gebrochen, weshalb ich unterdessen die Agrarinitiativen als letzte Lösung gegen den Chemiecocktail in unseren Gewässern sehe. Wir haben doch eine Verantwortung, die Unterwasserwelt auch für die nächsten Generationen zu erhalten.» Zudem gehe es nicht nur um die Fische: «Am Schluss trinken wir dieses Wasser, das kommt alles auf uns zurück.»

Fischer als Frühwarnsystem

Dass er Fische fängt und tötet und sich gleichzeitig für deren Schutz einsetzt, sieht Samuel Gründler nicht als Widerspruch. «Wenn ich einen Fisch essen will, muss ich einen töten, das stimmt. Jede Fischerin und jeder Fischer setzt sich aber mit dem Tier und dessen Lebensraum auseinander. Wenn sich nur ein Teil dieser Leute auch für den Schutz des Fisches einsetzt, haben wir tausende Naturschützerinnen und Naturschützer.» Gerade dank den Fischerinnen und Fischern seien zum Beispiel Kläranlagen gebaut worden und die Problematik des Insektensterbens hätten die Fischer als erste erkannt. Und was wünscht sich Samuel Gründler für die Zukunft der Schaffhauser Unterwasserwelt? «Grundsätzlich eine gute Wasserqualität und eine ausgewogene Balance zwischen Schutz und Nutzung für alle Lebewesen.» Möglich sei dies noch immer, fügt er an, aber es brauche Bereitschaft und Wille zum Handeln.

   
Yves Keller, Schaffhausen24