«Die ganze Schweiz schaut uns»

Die Scheinwerfer an der Decke des Studios sind dunkel, die Kameras ausgeschaltet. Einige Meter davor, an einem langen Tisch sitzen Geschäftsführer Peter Schuppli und Technikchef Dominik Brüllmann und besprechen einige technische Änderungen am Mischpult. Darauf angesprochen, meint Dominik Brüllmann: «Unser Mischpult ist eigentlich einfach eine Schalttafel. Wir sind der Beweis dafür, dass es auch mit sehr begrenzten Mitteln möglich ist, erfolgreich Fernsehen zu machen.» Und wie! Kein anderes Privatfernsehen der Schweiz kann von sich behaupten, so viele Prominente in den Sendungen gehabt zu haben wie «Tele D». Die Wände und die Dachschrägen des Regieraums im Dachstock des TV-Gebäudes sind voll mit Fotos von Prominenten, die in den bald 40 Jahren «Tele D» besucht haben. Claudio Zuccolini, Melanie Oesch, Walter Andreas Müller oder König Gustaf von Schweden sind nur einige davon. Einen Grund dafür, dass schon so viele Prominente das kleine Fernsehen am Rhein besuchten, sieht Peter Schuppli im Engagement und der Gastfreundschaft seines Teams: «Die Leute, die uns besuchen, spüren, dass sie bei uns ausreden dürfen und geschätzt werden. Das spricht sich herum und so wuchs unser Netzwerk über die Jahre.»
30 Leute in der Stube vor dem TV
Angefangen hat alles mit der Diessenhofer Fasnacht. Peter Schuppli nahm das närrische Treiben auf den Diessenhofer Strassen mit einer Videokamera auf und machte einen Querschnitt durch die Fasnacht. Weil ihn so viele Leute auf die Aufnahmen ansprachen, suchte er nach einer Möglichkeit, diese auszustrahlen. Im örtlichen Kabelnetzbetreiber fand er einen Partner, der das Video über seine Gemeinschaftsantenne an 130 Anschlüsse in Diessenhofen sendete. Was dann passierte, war ein Riesenerfolg: «Die Leute erzählen mir heute teilweise noch, dass sie in ihren Stuben über 30 Leute hatten, die unbedingt die Fasnachtsaufnahmen sehen wollten», sagt der heute 73-Jährige. «Leute von ausserhalb von Diessenhofen luden sich kurzerhand selbst bei Freunden im Städtli ein, um das Spektakel zu sehen. Das war wirklich ein Gassenfeger, auch wenn die Aufnahmen technisch miserabel waren.» Das war die Geburtsstunde von «Tele D». 1985 gründete Peter Schuppli die TV-Station, damals noch unter dem Namen «Lokalfernsehen Diessenhofen».
Abenteuerliche Geschichten
Bei den unzähligen Interviews im und ausserhalb des Studios gab es auch immer wieder unvorhergesehene Momente. Der 25-jährige Dominik Brüllmann erinnert sich an einen Besuch im Büro von Bundesrat Ueli Maurer: «Als wir das Material aufbauten, klopfte Ueli Maurer von aussen an sein eigenes Büro und fragte uns, ob er noch kurz etwas aus seinem Büro holen dürfe. Das war schon urkomisch, weil er uns bat, in sein eigenes Büro eintreten zu dürfen.» Von einer besonderen Autofahrt mit dem damaligen Bundesrat Samuel Schmid weiss Peter Schuppli zu berichten. Samuel Schmids Zeitplan war an diesem Tag ziemlich eng und er musste kurz nach der Aufnahme im Studio in Schaffhausen sein. Weil es auf der Strecke zwischen Diessenhofen und Schaffhausen Baustellen gab, war der schnellste Weg über die Diessenhofer Holzbrücke und über deutsches Gebiet. Da die Brücke nur einspurig befahrbar ist, kontaktierte Peter Schuppli im Voraus den Schweizer Zoll und fragte an, ob sie den Verkehr von der anderen Rheinseite zu einem abgemachten Zeitpunkt kurz aufhalten könnten, damit sie rasch durchfahren könnten. Die lapidare Antwort des Schweizer Zöllners: «Der Bundesrat kann warten wie alle anderen auch.» Peter Schuppli gab sich aber noch nicht geschlagen und kontaktierte kurzerhand den deutschen Zoll: «Der deutsche Zöllner sagte mir dann stolz: ‹Ja klar, da machen wir einen erleichterten Grenzübertritt und sperren für Sie von deutscher Seite her die Brücke.› Als wir dann mit dem Bundesrat über die Brücke fuhren, standen vier deutsche Zöllner am Strassenrand und salutierten für den Schweizer Verteidigungsminister.» Es folgte eine rasante Fahrt von Gailingen nach Schaffhausen, um den Bundesrat pünktlich abliefern zu können. «Ja, ich gab schon ein bisschen Gas. Samuel Schmid sagte auf dem Beifahrersitz nur noch: ‹Was machst du nur mit mir?! Ich muss dir jetzt einfach vertrauen, dass du das im Griff hast.›» Peter Schuppli hatte es im Griff und wurde von einer Polizeieskorte mit Blaulicht unterstützt. Er lieferte den Bundesrat auf die Minute pünktlich in Schaffhausen ab.
Das Horrorinterview
«Das Schönste ist, zu sehen, wie unsere Gäste die Arbeit, die wir hier leisten, wertschätzen», sagt Dominik Brüllmann. Das passiere praktisch immer, es habe aber auch schon die eine oder andere Ausnahme gegeben. Zum Beispiel beim Besuch eines hohen Schweizer Bankers, den die beiden nicht mit Namen nennen wollen. Da der Top-Banker zu jener Zeit ausser «Tele D» keine anderen TV-Stationen besuchte, war die Vorfreude beim Team gross. Die Macher luden sogar extra für dieses Gespräch Mitarbeitende der Bank aus der Region ein, damit diese ihren Präsidenten einmal persönlich treffen konnten. Der Star-Banker selbst hatte an seinen Untergebenen offenbar wenig Interesse, gab zweien die Hand, liess den Rest grussfrei stehen und setzte sich im Studio auf einen Stuhl, der gar nicht für ihn vorgesehen war. Peter Schuppli graut es heute noch beim Erzählen: «Von den Kameraabläufen her, gibt es eine klare Sitzvorgabe, wo die Moderatorin oder der Moderator sitzt und wo der Gast. Ihm war das egal, er setzte sich einfach auf den Moderationsstuhl und meinte, dass er hier sitzen werde. Punkt. Das brachte unseren ganzen Plan durcheinander und wir waren ehrlich gesagt wahnsinnig froh, als er wieder weg war.»
Ungewisse Zukunft
Solche Gäste haben bei «Tele D» glücklicherweise Seltenheitswert. Normalerweise sind die Interviewten angetan von der Freude des Teams und den teilweise unglaublichen Geschichten rund um den Sender. Das merkt auch Dominik Brüllmann immer wieder. «Kürzlich war die ‹SRF›-Russland-Korrespondentin Luzia Tschirky bei uns. Als Peter ihr so ein paar Geschichten erzählte, glaubte sie die ersten fünf Minuten kein Wort. Ich weiss nicht einmal, ob sie jetzt noch denkt, dass die Geschichten nicht wahr sein können.» Darauf lachen beide, Peter Schuppli, der Älteste, und Dominik Brüllmann, der Jüngste im Team. Ob er denn einmal die Nachfolge als Chef bei «Tele D» übernehmen wolle? Dominik Brüllmann winkt ab: «Ich habe mir diesen Gedanken schon gemacht, ihn aber rasch wieder verworfen. Der Aufwand wäre viel zu gross.» Darauf sagt Peter Schuppli, dass er sich seit 13 Jahren immer wieder Gedanken zu seiner Nachfolge mache, die perfekte Lösung aber noch nicht gefunden habe. Beide zeigen sich optimistisch, dass «Tele D» auch in Zukunft viele Prominente an den Rhein locken kann. Peter Schuppli fügt aber bescheiden an: «Man darf sich selbst auch nicht zu ernst nehmen. Wenn es ‹Tele D› einmal nicht mehr geben sollte, wäre das natürlich wahnsinnig schade, aber Diessenhofen würde deshalb nicht zusammenbrechen.»