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Gesellschaft
22.10.2025
20.10.2025 16:27 Uhr

Ready, los: Von Hallau in die Welt hinausrutschen

Stefan und Claudia Klarer leiten das Familienunternehmen in zweiter Generation. Die kompetitive 3er-Rutsche im Hintergrund ist Stefan Klarers Favorit. Es bietet, im Vergleich zum Solo-Ride, gemeinsame Erlebnisse mit Freunden und der Familie. Auch das Händehalten ist möglich.
Stefan und Claudia Klarer leiten das Familienunternehmen in zweiter Generation. Die kompetitive 3er-Rutsche im Hintergrund ist Stefan Klarers Favorit. Es bietet, im Vergleich zum Solo-Ride, gemeinsame Erlebnisse mit Freunden und der Familie. Auch das Händehalten ist möglich. Bild: Sandro Zoller
Seit Jahren führen die Geschwister Stefan und Claudia Klarer mit einzigartiger Innovationskraft, wie einst der Vater, ein Unternehmen, das Spass und Freude in die Welt hinausträgt. Ob gemächlich, wie ein Geschoss, stehend, katapultartig durch die Luft fliegend, mit Lichteffekten oder nebeneinander – Wasserrutschen faszinieren über Generationen hinweg.

«Heute gibt es für alles Normen. Früher sah das noch ein wenig anders aus. Damals konnten wir uns beim Konzipieren von Rutschen, etwa für das Alpamare, richtig austoben. Für Rutschfans ist in diesem Zusammenhang sicher die Kobra ein Begriff», sagt Stefan Klarer, Geschäftsführer der Klarer Freizeitanlagen, lächelnd im Gespräch mit dem «Bock». Seit jungen Jahren ist der heute 54-jährige Geschäftsmann im Familienbetrieb tätig. Seine Schwester, Claudia Klarer, teilt mit ihm die Leitung des Unternehmens.

Was sich wie ein roter Faden durch die Firmengeschichte zieht, ist die Innovation. Sie lenkt nicht nur Blicke aus aller Welt auf die Hallauer «Rutschbahn-Schmiede», sondern heimst ihr ebenfalls internationale Awards ein. In den Regalen der Büroräumlichkeiten häufen sich diese mittlerweile in Form von stilisierten Rutschen an.

Wasserrutschbahnen faszinieren Stefan Klarer in mehrerer Hinsicht: «Wir bieten ein Produkt an, das wir vom Anfang bis zum Ende selbst herstellen. Wenn eine Rutschbahn in Betrieb genommen wird und die ersten strahlenden Gesichter aus dem Tunnel kommen, wissen wir, dass unser Job sehr gut war.»

Von Siloauskleidungen zu Rutschbahnen

Vater Klarer machte sich in den 70er-Jahren selbständig. Angefangen hat er mit Kunststoffverarbeitung. Mit glasfaserverstärktem Polyester wurden auf Bauernhöfen beispielsweise Futterkrippen und Betonsilos verkleidet oder Brunnen beschichtet. «Mein Vater hat sich vor nichts versteckt. Jemand, der ihn Feigling nennen wollte, musste flinke Füsse haben», erzählt Stefan Klarer schmunzelnd. Wenn er irgendwo eine Gelegenheit sah, habe er sie am Schopfe gepackt.

In der John-Travolta-Ära, den 80ern, sei jemand auf das Unternehmen zugekommen, welcher eine Rollerskaterbahn wünschte. Stefan Klarers Vater baute aus einzelnen Polyester-Segmenten eine ovale Bahn, welche zusammen mit Musik und Licht, auch als Disco genutzt wurde. «Ich sehe es noch vor mir, wie wenn es gestern gewesen wäre. Wir Kinder mussten am Donnerstagnachmittag die vier Meter breiten Elemente der Bahn putzen. Die Lust dazu hielt sich in Grenzen.» Um das Reinigen unterhaltsamer zu gestalten, hätten sie die einzelnen Elemente ein wenig angewinkelt und mit Wasser benetzt, um mit einem Lappen herunterzurutschen. Der Vater habe sie natürlich irgendwann dabei erwischt und ermahnt. Der erhobene Zeigefinger sei rasch einer wegweisenden Idee gewichen: mehrere Elemente so verbinden, dass ein Gefälle entsteht und es möglich ist, darauf zu rutschen. Moderne Wasserrutschbahnen werden heute aber anders hergestellt. Um so verwunderter war Stefan Klarer vor kurzem bei einem Besuch in Deutschland: «Ich glaubte mich trifft der Schlag. Da stand tatsächlich eine Rutsche mit ähnlichen Elementen, welche wir als Kinder geputzt haben.»

Niemand will der erste Käufer sein

In den Anfängen, als Halbschalenrutschen zum Standard wurden, habe ein deutsches Unternehmen mit Klarer zusammenarbeiten wollen. Der Vertrieb erwies sich als alles andere als einfach. Die Badeanstalten sahen keinen Sinn darin, in eine Rutschbahn zu investieren. «So entstand die Idee, dass wir in Deutschland ein Bad suchten, das quasi eine unserer Wasserrutschen kostenlos annahm – nur damit wir ein Referenzprojekt vorzuweisen hatten», erklärt Stefan Klarer. Damit sich die Rutsche finanzieren liess, wurden Schirm, Tisch und Stuhl daneben platziert. Eine Person kassierte da pro Rutschvorgang ein paar Münzen.

Zu dieser Zeit hatte ein Dr. Max Anton Höfter eine Vision: eine Badelandschaft mit Fokus auf Rutschen. 1970 ging das Alpamare in Bad Tölz, Deutschland, und 1977 ebenfalls in Pfäffikon an den Start. Letzteres war zur damaligen Zeit der grösste gedeckte Wasserpark Europas. Höfter fragte Stefan Klarers Vater an, ob er mit von der Partie sei und die beiden Bäder mit Wasserrutschen beliefern möchte. «Unser Sortiment wurde von heute auf morgen relativ gross. Zusätzlich war das der Startschuss zur Belieferung der halben Welt.» 

«Bis heute haben wir schon 40 Kilometer an Wasserrutschen verbaut. Für einmal um die Erde reicht es aber noch nicht.»
Stefan Klarer, Co-CEO von Klarer Freizeitanlagen

Innovation macht den Unterschied

Vor dem Internet waren nur Fachmessen der Ort, um neue Kundschaft zu gewinnen. In Düsseldorf, Köln und Stuttgart kamen plötzlich gar Japaner an Klarers Stand und wollten wissen, welches seine neuste Innovation ist – bis heute. «Wir sind sicherlich nicht die Günstigsten auf dem Markt. Normale Rutschen sollten deshalb in der Türkei oder im Osten bestellt werden. Dafür sind wir weltweit die Innovativsten», hält Stefan Klarer, während des Rundgangs in der «Schaltzentrale» in Hallau, stolz fest. In ihrer Schmiede gibt es nichts, das es nicht gibt. Und wenn es noch nicht existiert, dann möglicherweise bald. Wie wäre es mit einer 300 Meter langen und mit Luft angetriebenen Wasserrutsche, welche die Rutschfans mit 60 Kilometern pro Stunde durch die Röhre schiesst? Oder sich mit Freunden messen, wer auf der Sprungschanze «High Fly» weiterfliegt oder auf der 3er-Racing-Rutsche schneller im Ziel ankommt? «Gerade eben haben wir die höchste Kamikaze-Bahn Europas gebaut. Für diese Freifallrutsche erhielten wir sogar einen internationalen Award.» Das aktuellste «High-End»-Produkt aus dem Hause Klarer ist eine interaktive Wasserrutsche. Neben einem Ausstellungsobjekt, in der Tüftler-Werkstatt, das bereits wild leuchtet und blinkt, wählt Stefan Klarer auf dem dazugehörigen Touchscreen ein Programm aus. Der Bildschirm in der Rutsche, sowie die Lampen stellen sich um und lassen die Röhre wie ein Raumschiff wirken. Nebenbei erklärt Klarer: «Ich glaube, in unserer Bibliothek haben wir mittlerweile rund 40 verschiedene Themen. So ist dieselbe Rutschbahn über Jahre wandelbar und bietet immer neue Möglichkeiten an.»

Immer wieder ein neuer Kick

Die Faszination Rutschen habe, wie Auto- oder Skifahren, mit dem Bewegungsdrang der Menschen zu tun. Und das ist nachweislich ein Anziehungsgrund für jedes Bad. «Heute hat so gut wie jedes Bad auf kommunaler Ebene mindestens eine oder zwei Rutschbahnen. Private Anbieter, die auf Rendite aus sind, können sich aber nicht auf so wenigen Lorbeeren ausruhen», stellt Stefan Klarer klar. Diese würden deshalb bereits beim Bau der Anlage weitere Ausbaustufen einplanen. «Du musst etwa alle zwei Jahre eine neue Rutsche anbieten.» Das AquaMagis in Plettenberg, Deutschland, startete mit zwei Bahnen und beliess es anfänglich auch dabei. Die Besucherzahlen sausten nach unten. «Wir hatten gerade einen neuen Looping im Angebot. Diesen installierten wir da und konnten zusehen, wie sich in kürzester Zeit die Zahlen mit 450 000 Eintritten pro Jahr mehr als verdoppelten. Nun bezieht er alle zwei Jahre das Neuste aus unserem Hause und kann mit der Weltneuheit punkten sowie die Besucherzahlen hochhalten», berichtet Klarer sichtlich zufrieden. Kürzlich bauten Sie in einem Unternehmen in Karlsruhe, erstmalig und gleich fünffach, stylishe und puristisch wirkende Stehrutschen ohne Wasser ein. Es bleibt spannend in der Welt der Rutschbahnen.

  • Claudia und Stefan Klarer mit Papa Moll. Bild: Sandro Zoller
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  • Private Anbieter von Bade- und Rutschlandschaften planen bereits am Anfang weitere Ausbaustufen, wie höhere Rutschtürme, ein. Nur so können dieselben Besucherzahlen weiterhin gehalten werden. Bild: Sandro Zoller
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Sandro Zoller, Schaffhausen24