Die 26-jährige Pia Kugler ist hauptberuflich Kindergärtnerin, leidenschaftliche Schauspielerin und bereits zum zweiten Mal Regisseurin eines Stücks des Theaterproduktionsvereins «Szenario». Dieses Mal wird auf der Fass-Bühne das Stück «Anne» präsentiert, welches die Lebensgeschichte von Piratin Anne Bonny erzählt. Das Theaterstück spielt im 18. Jahrhundert, als Anne Bonny als uneheliches Kind einer irischen Dienstmagd und eines Rechtsanwalts auf die Welt kam. «Damals gab es solche Affären wie Sand am Meer, doch der Rechtsanwalt entschied sich, die Schwangerschaft nicht zu verheimlichen und das Kind zu behalten.» Das war kein übliches Vorgehen für diese Zeiten, was zu einem riesigen Skandal führte, erzählt die Regisseurin. «Anfänglich wurde sie als Junge erzogen, da die Familie ihren Ruf nicht ruinieren wollte. Somit konnte sie einen Einblick in all die Freiheiten erhalten, die damals nur Männern vorbehalten waren.» Letztendlich kam die Wahrheit ans Licht und die Familie musste fliehen. Mit 16 heiratete sie gegen ihren Willen einen Segler und liess sich in Nassau nieder. Dort begann ihr Leben als Piratin, das sie zu Reichtum brachte. «Ob sie eine gute Person gewesen ist, über das urteile ich nicht. Ich finde sie aber eine sehr inspirierende und spannende Figur für ihre Zeit», erläutert Pia Kugler.
Historisch korrekt, menschlich erzählt
Alles, was in dem Theaterstück passiert, wurde minutiös recherchiert. «Die Informationen stammen aus verschiedenen Podcasts und aus Daniel Defoes Buch ‹A General History of the Robbers and Murderers of the Most Notorious Pirates› aus dem frühen 18. Jahrhundert, der ersten Quelle von modernen Piratengeschichten.» Die 300-jährige Geschichte möglichst historisch akkurat zu erzählen und ein klares Bild von der Figur zu geben, war Pia Kugler sehr wichtig: «Als ich das Stück schrieb, wollte ich die Geschichte einer normalen, unperfekten Frau mit Ängsten und Zweifeln, die ums Überleben kämpfen musste erzählen.» Das findet sie gelungen, auch dank der sensiblen Interpretation von Elena Fahrni, welche in die Hauptrolle schlüpft.
Von der Schauspielerei zur Regie
Pia Kugler kann ihre Erfahrungen als Schauspielerin gut beim Regieführen einsetzen: «Es ist anstrengender als spielen. Als Schauspieler gibt man die Verantwortung an den Regisseur ab, der entscheidet, was gut aussieht und wie etwas auf der Bühne präsentiert wird, ohne dass sich die Schauspielenden blamieren.» Diese Verantwortung hat Vor- und Nachteile, erzählt die Regisseurin: «Einerseits ist das lässig, weil ich alles steuern und das Stück so formen kann, wie ich es mir vorstelle. Andererseits ist es sehr anstrengend, wenn alle Antworten erwarten, auch zu Dingen, mit denen ich mich noch nicht befasst habe.» Grundsätzlich geniesse sie es aber, so viele Möglichkeiten zu haben und ein so talentiertes Ensemble begleiten zu können.
Zusammenhalt im und aus dem Theater
Das Stück ist sehr spontan entstanden und wurde mit bestimmten Schauspielerinnen und Schauspielern im Kopf geschrieben: «Ich habe mit vielen von ihnen bereits selbst auf der Bühne gestanden und sie schauspielern erlebt, daher kenne ich sie sehr gut.» Man schaut füreinander und der Zusammenhalt im und aus dem Theater ist sehr stark, erzählt Pia Kugler. Über die Vorbereitungen für das Stück hat sich die Regisseurin auch geäussert: «Wir haben vor etwa einem halben Jahr mit vereinzelten Treffen und kleinen Proben begonnen. Intensiv ist es etwa vor einer Woche geworden. Bis zur Premiere am 17. Oktober werden wir jeden Tag proben.», erklärt sie.
Die Leidenschaft fürs Theater
Die Begeisterung für das Theater entdeckte sie sehr früh, bei ihren Anfängen im «Jugendclub Momoll»: «Schon als Kind fand ich die Welt der Schauspielerei faszinierend, ebenso wie die Möglichkeit, Geschichten in einem sicheren Rahmen zu erleben.», so Pia Kugler. Einer ihrer stärksten Regieeinflüsse stammt aus ihrer Zeit im Jugendclub: «Damals war der Leiter Jürg Schneckenburger. Seit ich 12 bin, habe ich mit ihm gearbeitet, und seine Art spiegelt sich in meinem Theaterstil wider.» Die Schauspielerei begleitet sie auch in ihrem Lehrerinnenalltag: «Ich erzähle viele Geschichten. Dabei spielen Mimik und Aussprache eine grosse Rolle.» Sie erklärt, dass theaterpädagogische Einflüsse sich sehr positiv auf Klassen auswirken können. «Das hat mit dem Selbstkonzept der Kinder zu tun: Nicht nur das Selbstbewusstsein wird gestärkt, sondern auch das Körpergefühl und die psychische Selbstsicherheit.» Die Erfahrungen im Klassenzimmer haben ihr auch bei ihrer Tätigkeit als Regisseurin geholfen. Doch sie konnte auch viel von ihrer Vorgängerin Manuela De Ventura lernen, die bei diesem Mal die Unterstützung der Regie übernommen hat. «Sie hat ein sehr gutes Auge für die Figurenentwicklung. Das konnte ich letztes Jahr von ihr lernen und dieses Mal beim Stück einsetzen.», erklärt Pia Kugler.
Vom Waldfriedhof aufs Piratenschiff
Das erste Stück, bei dem sie Regie geführt hat, fand im Waldfriedhof unter komplett anderen Bedingungen statt: «Damals haben wir kein Licht und kein Bühnenbild benötigt, jede Schauspielerin und jeder Schauspieler hatte nur ein Kostüm.» Dieses Mal haben die Darsteller jeweils etwa fünf Kostüme, es gibt Licht und Bühnenbild und auch mit Musik wird viel gearbeitet. «Es ist schon komplizierter, aber auch sehr lässig», so Pia Kugler. Die gewölbte Bühne im Fasskeller eignet sich besonders gut, um die Stimmung auf einem Piratenschiff zu vermitteln. «Piraterie war nichts Gutes, doch die Kreativität, mit der man spielen kann, fasziniert mich besonders», fügt Pia Kugler weiter aus.
Im Stück werden dem Publikum alle Informationen aber nicht eindeutig geliefert: «Vieles ist impliziert und wird der eigenen Interpretation überlassen», erklärt die Regisseurin.
Vom 17. bis zum 24. Oktober wird «Anne» an sechs Abenden im Fasskeller aufgeführt. Tickets sind bei Eventfrog erhältlich. Mehr Infos: szenario-schaffhausen.ch