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04.09.2025

Warum Wein heute Geschichten braucht

Thomas Vaterlaus erklärt aus seiner Sicht der Weinmarktsituation.
Thomas Vaterlaus erklärt aus seiner Sicht der Weinmarktsituation. Bild: Nici Peter
Der Weinmarkt steckt im Umbruch: Weniger Konsum, aber mehr Wertschätzung. Thomas Vaterlaus, Chefredaktor von VINUM, zeigte in Neunforn Trends auf. Seine Botschaft: Krise ja – doch wer begeistert, hat auch Zukunft.

Thomas Vaterlaus, Chefredaktor des Magazins VINUM, spannte in seinem Referat den Bogen von nüchternen Marktanalysen bis hin zu Visionen für die Zukunft. Sein Fazit: «Der Weinmarkt ist im Umbruch – und die Winzerinnen und Winzer müssen Antworten finden.»

Weniger, aber besser

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Der Weinkonsum in der Schweiz ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Selbst renommierte Weinhandlungen in Zürich mussten innerhalb weniger Jahre bis zu einem Viertel ihres Umsatzes einbüssen. Und vieles deutet darauf hin, dass es sich nicht um ein kurzfristiges Tief handelt.

Die Gründe sind vielfältig: Jüngere Generationen trinken weniger Alkohol als die Babyboomer, für die das Glas Rotwein zum Abendessen selbstverständlich war. Gesundheit und Fitness stehen hoch im Kurs, viele meiden Alkohol oder vertragen ihn wegen Allergien nicht. Dazu kommt, dass die anhaltend schlechte Stimmung in der Branche auf die Konsumenten abfärbt.

Und doch gibt es Lichtblicke: Zwar sinkt die getrunkene Menge, doch der Wert der Weine hält sich besser. «Die Leute trinken weniger, aber sie sind bereit, mehr Geld für eine Flasche auszugeben», so Vaterlaus. Billigweine und lieblos produzierte Massenware verlieren an Bedeutung – gefragt sind Qualität, Nachhaltigkeit und Geschichten, die ein Produkt tragen.

Neue Vorlieben

Auch im Trinkverhalten zeigen sich Trends. Weisswein und Rosé legen zu, während der Rotweinanteil stagniert. Besonders dynamisch wächst das Segment der Schaumweine – in den letzten zehn Jahren hat es kräftig zugelegt. Viele Betriebe setzen inzwischen auf eigene Schaumweinkreationen. Doch Vaterlaus warnt: «Auch dieser Markt ist irgendwann gesättigt.»

Alkoholfreier Wein erlebt einen Boom, aber auch hier mahnt er zur Vorsicht: Noch sei unklar, ob die Nachfrage von Dauer sei. Parallel entdecken viele Konsumenten Cider oder Bier aus Winzerhand – Produkte, die mit weniger Alkohol und neuen Geschmackserlebnissen punkten.

Chancen in der Sortimentsgestaltung

Wie soll man sich als Winzer in diesem Umfeld positionieren? Vaterlaus rät zu einer klaren Strategie bei der Sortimentsgestaltung. Statt auf viele Rebsorten zu setzen und den Kunden mit Fachbegriffen wie «Riesling-Silvaner» oder «Muscaris» zu verwirren, könne es sinnvoll sein, mit kreativen, sprechenden Namen aufzutreten. Ein Beispiel: Ein Wein mit dem Namen «Nobler Weisser» wirkt emotionaler und flexibler als ein blosser Sortenhinweis.

Wichtig sei, das Sortiment zu straffen: ein stabiles Kernangebot, ergänzt durch kleine, wechselnde Spezialitäten. Denn die Konsumentinnen und Konsumenten suchen heute Abwechslung – selten bleibt jemand sein Leben lang bei derselben Flasche.

Kommunikation als Schlüssel

Neben der Weinqualität zählt immer stärker die Kommunikation. Viele Weingüter pflegen noch immer statische Webseiten, die jahrelang unverändert bleiben. Das reiche heute nicht mehr. Gefragt seien lebendige Internetauftritte mit Neuigkeiten, Bildern und Videos. Besonders kurze Clips für Social Media böten Chancen, um Aufmerksamkeit zu gewinnen. «Es muss beim Konsumenten schnell klick machen», so Vaterlaus.

Das wichtigste Instrument bleibe jedoch der direkte Kontakt. Verkauf ab Hof, Degustationen, Feste und Führungen auf dem Weingut schaffen Erlebnisse, die im Gedächtnis bleiben. «Es gibt eine Krise im Weinkonsum, aber nicht im Weintourismus», betonte Vaterlaus. Wer Kundinnen und Kunden auf den Hof hole, baue Vertrauen auf – und erhöhe die Chance, dass diese auch Wein kaufen.

Zwischen Realismus und Enthusiasmus

So nüchtern Vaterlaus die Herausforderungen beschreibt, so sehr plädiert er für Leidenschaft und Optimismus. Wein müsse mit Freude verbunden sein. Er erinnerte an Kaspar Wetli, den früheren Präsidenten des Branchenverbandes Deutschschweiz, der sich selbst als «glücklichen Winzer» bezeichnete. «Dieses Schmunzeln, dieser Enthusiasmus – genau das müssen wir vermitteln», sagte Vaterlaus.

Denn am Ende bleibt Wein mehr als ein Getränk. Er ist Kultur, Handwerk, Erlebnis – und eine Brücke zwischen Produzent und Konsument. Auch wenn die Mengen sinken: Wer Qualität, Geschichte und Persönlichkeit ins Glas bringt, hat gute Chancen, im Markt zu bestehen.

Schaffhausen24, Originalmeldung Schaffhauser Bauern