Wir Frauen sind Meisterinnen des Alltags. Wir kümmern uns um Beruf, Tiere, Kinder, Haushalt, pflegen Angehörige, sind ehrenamtlich aktiv und tun das oft mit einer Selbstverständlichkeit die bewundernswert ist. Wir funktionieren. Weil es eben muss.
Aber manchmal wäre es ehrlicher, wenn wir sagen könnten: «Heute kann ich nicht mehr.» Oder: «Ich bin erschöpft.» Doch gerade bei uns, auf dem Land, wo man sich kennt, ist das oft schwer. Schwäche zeigen, offen über Sorgen oder psychische Belastung zu sprechen – das braucht Mut.
Psychische Gesundheit betrifft uns alle. Schlaflose Nächte, Überforderung, Einsamkeit, depressive Verstimmungen oder Angstzustände machen auch vor der stärksten Frau nicht halt. Und trotzdem machen wir weiter. Weil es erwartet wird. Weil wir gelernt haben, dass Aufgeben keine Option ist. Weil sich die Wäsche nicht von allein wäscht, die Kinder nicht von selbst trösten, und der Arbeitsberg nicht kleiner wird, nur weil wir müde sind.
Wenn das «Dorf» fehlt?
Früher war es selbstverständlich, dass Kinder im erweiterten Umfeld betreut wurden – von der Grossmutter, Nachbarin, der Freundin nebenan. Heute leben viele Familien isolierter. Kinderbetreuung wird zur logistischen Herausforderung, spontane Entlastung ist selten geworden. Das berühmte Dorf, das es braucht, um Kinder grosszuziehen, fehlt oft und mit ihm fällt eine wichtige Säule der Entlastung weg. Das spüren viele Frauen emotional, körperlich und finanziell.
Der stille Druck perfekt zu funktionieren
Hinzu kommt ein anderer Druck: der nach aussen perfekte Alltag. Besonders in den sozialen Medien sehen wir lächelnde Mütter, aufgeräumte Küchen, harmonische Familienbilder. Das schafft Erwartungen an uns selbst und an unser Umfeld. Dabei sieht niemand, was hinter den Kulissen passiert: Tränen im Badezimmer, Streit um den gelben Teller am Frühstückstisch und das Kleinkind welches Chaos im ganzen Wohnbereich verursacht. Der Vergleich mit idealisierten Bildern macht viele Frauen noch einsamer. Und es fällt schwerer, zu sagen: «Ich kämpfe.» Dabei wäre genau das der ehrlichere, mutigere Satz.
Selbstfürsorge ist kein Egoismus
Was wir brauchen, ist nicht nur mehr gesellschaftliches Verständnis, sondern auch die Erlaubnis zur Selbstfürsorge. Eine Pause mit einem warmen Kaffee, ein Spaziergang allein oder zehn Minuten Stille. Wir können nicht ständig für andere da sein, wenn wir selbst ausbrennen. Präventive Selbstfürsorge muss selbstverständlich sein. Nicht erst dann, wenn nichts mehr geht.
Das Bild der starken Bäuerin, der tüchtigen Landfrau hält sich hartnäckig. Es ist Zeit, umzudenken. Denn die wahre Stärke liegt manchmal im Eingeständnis: «Ich brauche Hilfe.» Wir müssen anfangen, unsere Grenzen ernst zu nehmen. Und wir dürfen darüber reden.
Wie geht’s dir wirklich?
Fragen wie: «Und wie geht’s dir wirklich?» sollten nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein. Und ehrliche Antworten sollten Platz haben, ohne dass jemand sich dafür rechtfertigen muss.
Vielleicht können wir genau hier anfangen – im Kleinen. Im Gespräch unter Müttern in der Krabbelgruppe, beim Spaziergang mit der besten Freundin oder beim Kaffeetisch der Landfrauen nach der Versammlung. Nicht immer stark sein müssen. Nicht immer vergleichen. Sondern hinhören. Zuhören. Da sein.
Psychische Gesundheit ist kein Luxus. Sie ist zentral – für unsere Lebensqualität, unsere Beziehungen, unsere Kraft.
Wenn es dir gerade nicht gut geht: Du bist nicht allein. Sprich darüber. Hol dir Hilfe.
Und wenn es dir gut geht: Frag vielleicht heute jemanden, wie es ihr wirklich geht. Manchmal reicht genau das, um ein bisschen Licht zu bringen.