Ödön von Horváth ist für seine Werke bekannt, in denen er den Kampf zwischen Individuum und Gesellschaft darstellt. «Kasimir und Karoline» zeigt ein ernüchterndes Sommerfest zwischen Bierlaune und Wirtschaftskrise. Im Zentrum der Handlung stehen Kasimir und Karoline, deren Beziehung im Laufe eines Abends immer mehr in die Brüche geht. Horváth zeigt auch, wie Verlogenheit und Dummheit von Menschen aller Schichten am Glücklichsein hindern – alles unter dem Motto «Und die Liebe höret nimmer auf».
Die Originalversion spielt im Jahr 1929 während des Oktoberfests in München, die Sommertheater-Version hingegen während eines Sommerfests am Rhein in Schaffhausen.
Von München nach Schaffhausen
Paul Steinmann, der für die Mundartbearbeitung und die historischen Bezüge zuständig ist, hat sich zur Anpassung für das regionale Publikum geäussert. Bei seiner Mundartbearbeitung hat er versucht, sich möglichst nah an das Original zu halten. Teilweise erfolgten Anpassungen auf inhaltlicher Ebene. So entfiel beispielsweise eine Szene im «Abnormitäten-Kabinett», die heute nicht mehr ohne Kommentar gezeigt werden dürfte. Auch der Spielort änderte sich: Das «Schaffhauserische» ersetzte das «Münchnerische». Zudem fand eine Recherche zur damaligen politischen Situation in Schaffhausen statt, die in einige Sätze eingeflossen ist. Schliesslich singen die Teilnehmenden des Sommerfests ab und zu «Schaffhauser Lieder», zum Teil mit neu geschriebenen Texten. Besonders heikel waren die Dialoge, in denen sehr herablassend über die «Weiber» gesprochen wird. «Im Kontext der Figuren, ihrer Gesellschaftsschicht und der Zeit, in der das Stück spielt, konnte dies jedoch übernommen werden», so Paul Steinmann.
Beim Übersetzungsprozess ist man stark vom Nachklang ausgegangen. Beim Lesen der Originalfassung hat sich Paul Steinmann gefragt: «Wie würde eine Schweizer Person diesen Satz in ihrer Sprache sagen und damit einen ähnlichen Nachklang erzeugen?» Auch die Sprach- und Sprechmöglichkeiten des Ensembles wurden berücksichtigt. Nicht alle Schauspielenden sprechen den Schaffhauser Dialekt. Die Figur Rauch spricht beispielsweise in der Sommertheaterfassung Hochdeutsch, da diese die Alltagssprache des Spielers ist.
Die Musik in ihrer Rolle auf der Bühne
Auch Joscha Schraff, der für die musikalische Leitung und Komposition verantwortlich war, konnte spannende Einblicke in seinen Arbeitsprozess geben. Sein Ziel war es, den Text mit der Musik so zu gestalten, dass auch die eine oder andere überraschende Note beigesteuert wurde. Zu diesem Zweck recherchierte er die Originalmusik von Horváths Stück und befasste sich mit der Musik der 30er-Jahre. Anschliessend erstellte er eine Liste mit Motiven, welche er musikalisch begleiten wollte, wie beispielsweise ein Leitthema zu Kasimir und Karoline. Da Paul Steinmann eine Stückvorlage hatte, konnten die beiden bei der Komposition zusammenarbeiten. So schafften sie es, sich vom Original zu lösen und dennoch die gleiche stilistische Ebene zu wahren. Joscha Schraff war bei den Proben immer dabei, um neue Ideen oder Änderungen einzubringen. So konnte er spüren, wo Musik bereichernd sein kann, wo Stille gefragt ist und wo Musik eben auch nicht gebraucht wird. Letztere hat in diesem Stück verschiedene Funktionen. Einerseits dient sie als festliche und überschwängliche Musik als Kontrast zu den eher düsteren Geschehnissen zwischen den Menschen. Andererseits ist sie Stimmungsgeberin. Zeitweise versucht die Musik, Geräusche eines Rummelplatzes im Hintergrund aufleben zu lassen, etwa durch Gesänge oder das Geräusch einer Achterbahn. Stimmungen wie Romantik oder Gefahr werden mit Motiven und Sounds verstärkt. Schliesslich dient sie auch als Genreerweiterung. Als Jazzmusiker war es für Joscha Schraff fast unvermeidlich, Jazz aus dieser Zeit in das musikalische Konzept einfliessen zu lassen. Auch Marschmusikelemente kommen vor, um die Musik aus dieser Zeit aufleben zu lassen. So hat er beispielsweise einen «Lindli-Marsch» komponiert.
Auch die Akustik des Raumes war von Bedeutung, da sie das musikalische Konzept mitprägte. Da es sich nicht um ein Freilufttheater handelt, konnte ein kleiner Flügel in die Halle gestellt werden, der als Ausgangspunkt der Komposition diente. Joscha Schraff sah in den Nebenräumen ein grosses Potenzial, da so Geräusche aus der Ferne erzeugt werden können. Die Musik wird von der Halle sehr gut getragen, dementsprechend muss sehr sensibel gespielt werden, wenn Musik und Text parallel laufen.
Das Theaterstück ist noch bis zum 16. August im Rahmen des Sommertheaters am Werkhof Lindli zu sehen.