«Bock»: Herr Kohler, wie funktioniert das Modell der AsFam genau?
Marcel Kohler: Unser Modell basiert darauf, dass pflegebedürftige Menschen von ihren Angehörigen gepflegt werden, also etwa Ehepartnern, Kindern oder engen Bezugspersonen. Die Angehörigen werden von uns angestellt, absolvieren einen Pflegehelferkurs, erhalten einen Lohn und regelmässige fachliche Unterstützung durch diplomierte Pflegefachfrauen. Zusätzlich gibt es regelmässige praxisbezogene Weiterbildungen. Die geleistete Pflege wird über die obligatorische Krankenversicherung und über kantonale Beiträge entschädigt.
Wie stellen Sie sicher, dass auch wirklich Pflege geleistet wird?
Kohler: Vor jeder Anstellung führen unsere Pflegefachfrauen HF ein ausführliches Erstgespräch vor Ort durch. Sie prüfen, ob tatsächlich grundpflegerische Hilfe nötig ist, zum Beispiel beim Duschen, beim Toilettengang und in der Unterstützung der Mobilität. Aufgaben wie Einkaufen oder Gesellschaft leisten zählen nicht dazu. Anschliessend wird eine Verordnung erstellt, die wir freiwillig mit dem Hausarzt abgleichen. Jede Pflegetätigkeit wird zudem täglich sorgfältig dokumentiert.
Die AsFam erhält Geld für die Pflegestunden. Wie hoch sind Ihre Margen, was bleibt für die Angehörigen übrig?
Kohler: Wir erhalten 52,60 Franken pro Stunde von der Krankenkasse und 18 Franken vom Kanton. Davon geben wir 34,30 Franken direkt an die pflegenden Angehörigen weiter. Zusätzlich profitieren unsere pflegenden Angehörigen von überdurchschnittlichen Sozialleistungen. Dies insbesondere in der Pensionskasse, in welcher kein Koordinationsabzug und kein Schwelleneintritt erfolgt. Der Rest deckt Löhne für unsere diplomierten Pflegefachfrauen, die Pflegehelferkurse, interne Weiterbildungsprogramme für die pflegenden Angehörigen und unser unternehmerisches Risiko. Reich wird man damit nicht, aber wir können auf allen Ebenen faire Löhne bezahlen und das Modell seriös und nachhaltig führen. Im letzten Jahr erzielten wir 2,4 Millionen Franken Jahresumsatz. Unsere Gewinnmarge liegt bei 4,9 Prozent und ist damit tiefer als jene des Kantonsspitals Schaffhausen.
In der Branche gibt es auch unseriöse Anbieter. Wie grenzen Sie sich ab?
Kohler: Bei uns betreuen drei Pflegefachfrauen derzeit 55 pflegende Angehörige. Theoretisch könnten wir unsere Marge erhöhen, indem wir mehr Klienten pro Pflegefachperson zulassen – so wie es einzelne Anbieter tun. Da es in vielen Kantonen keine Regulierung gibt, ist das leider möglich. Doch darunter leidet die Qualität. Unsere Fachfrauen würden das nicht mittragen.Und für meinen Geschäftspartner Sven von Ow und mich kommt das ohnehin nicht infrage.
Aber trotzdem wachsen auch Sie stetig.
Kohler: Ja, jeden Monat kommen ein bis zwei neue pflegende Angehörige dazu. Das Wichtigste für uns ist ihre Zufriedenheit. Wir erhalten sehr positives Feedback. Solange die Rahmenbedingungen stimmen, wollen wir weiterwachsen, aber mit Augenmass und klarem Fokus auf Qualität.
Wie sichern Sie die Pflegequalität?
Kohler: In unseren Pflegehelferkursen lernen die Angehörigen, beispielsweise wie man jemanden mobilisiert oder bei der Nahrungsaufnahme und in der Körperhygiene unterstützt. Unsere Fachpersonen besuchen die Angehörigen regelmässig, ein- bis zweimal im Monat. Zusätzlich pflegen wir einen engen telefonischen Kontakt mit den pflegenden Angehörigen, um zeitnah auf ihre Bedürfnisse eingehen und Unterstützung bieten zu können.
Löst Ihr Modell den Fachkräftemangel?
Kohler: Nein, wir beseitigen den Fachkräftemangel nicht. Aber wir verstehen uns als Teil der Lösung. Es braucht weiterhin ausgebildetes Fachpersonal und wir unterstützen auch die Ausbildungsoffensive. Viele unserer Klienten benötigen nur wenig Pflege pro Tag, da ist das Modell zu Hause besonders sinnvoll und deutlich günstiger als ein Klinik- oder Heimaufenthalt. Genau das wollte auch das Bundesgericht mit seinem Urteil, wonach pflegende Angehörige einen Lohn erhalten sollen.
Wie ist das Verhältnis zur klassischen Spitex? Man hört immer wieder von Spannungen.
Kohler: Unterschiedlich. In Schaffhausen ist die Zusammenarbeit noch ausbaufähig. In anderen Kantonen ist unser Modell bereits etabliert. Immer mehr Spitex-Organisationen interessieren sich für diesen Ansatz. Einige wollen ihn sogar selbst umsetzen. Wichtig ist, dass wir mit Betriebsbewilligung arbeiten und kooperativ agieren.
Nutzen Angehörige die Pflegeausbildung auch für eine berufliche Neuorientierung?
Kohler: Ja, einige nutzen den Pflegehelferkurs als Sprungbrett für einen Einstieg in den Arbeitsmarkt, andere bleiben im familiären Rahmen. Beides ist gesellschaftlich wertvoll. Wichtig ist, dass die Angehörigen Sicherheit im Pflegealltag gewinnen und entlöhnt werden.
Auch für Sie war die AsFam ein beruflicher Neuanfang nach 40 Jahren in der Medienbranche. Wie erleben Sie das?
Kohler: Neben meiner Tätigkeit in der Medienbranche auf VR-Stufe empfinde ich die Zusammenarbeit mit dem Team der AsFam als eine berufliche und persönliche Bereicherung. Es ist zwar etwas ganz anderes, aber ebenso sinnstiftend. Es fühlt sich gut an, etwas Relevantes für die Gesellschaft zu tun.