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Gesundheit
08.07.2025

Schwitzen, Schwindel, Sonnenstich – was nun?

Sobald sich unsere Körperkerntemperatur erhöht, versucht der Körper das wieder auszugleichen. Unser Puls steigt und wir beginnen zu schwitzen.
Sobald sich unsere Körperkerntemperatur erhöht, versucht der Körper das wieder auszugleichen. Unser Puls steigt und wir beginnen zu schwitzen. Bild: pexels
Wenn der Sommer plötzlich zuschlägt, gerät unser Körper schnell an seine Grenzen. Warum Hitze für viele zur echten Belastung wird, wer besonders gefährdet ist und wie man sich schützen kann, erklärt PD Dr. med. Markus Schneemann, Stv. Chefarzt der Klinik für Innere Medizin von den Spitälern Schaffhausen.

«Bock»: Herr PD Dr. Schneemann, was passiert im Körper, wenn die Temperaturen plötzlich ansteigen?
Markus Schneemann: Sobald das Thermometer nach oben schnellt, erhöht sich unsere Körperkerntemperatur leicht. Um die überschüssige Wärme abzuführen, beschleunigt das Herz, der Puls steigt, die Haut wird stärker durchblutet und wir beginnen zu schwitzen. All das sind Schutzmechanismen, damit die Körpertemperatur möglichst konstant bei rund 37 °C bleibt. Denn hier funktionieren wir am besten. Wenn man Fieber hat, merkt man, wie eingeschränkt wir bereits bei 38 oder 39 °C sind. 

Welche Körpersysteme leiden am meisten unter Hitze?
Schneemann: Besonders das Herz-Kreislauf- und das Nervensystem. Viele Menschen fühlen sich schlapp, bekommen Kopfschmerzen oder haben vermehrt Durst. Wer bereits an Atemwegs- oder Herzerkrankungen leidet, kann bei Hitze zusätzlich Atemnot verspüren.

Wer gehört in Hitzephasen zur Risikogruppe?
Schneemann: An erster Stelle stehen ältere Menschen ab etwa 65 Jahren, aber auch Menschen mit chronischen Erkrankungen oder regelmässiger Medikation sowie Säuglinge, Kleinkinder und Schwangere müssen aufpassen. Oft unterschätzt werden Personen mit Demenz oder psychiatrischen Erkrankungen – sie nehmen Hitzesignale schlechter wahr und reagieren entsprechend zu spät.

Warum reguliert der alternde Körper Temperatur weniger effektiv?
Schneemann: Die Thermoregulation wird zentral im Gehirn gesteuert. Im hohen Alter arbeitet dieses «Thermostat» weniger sensibel: Durst wird weniger stark empfunden, manchmal fehlt die Wahrnehmung ganz. Deshalb müssen gerade ältere Menschen gezielt ans Trinken und Abkühlen erinnert werden.

Wie kühlt man sich denn am besten ab?
Schneemann: Abkühlung funktioniert vor allem über die Haut – also von aussen. Ein eiskaltes Getränk mag zwar kurzfristig erfrischend wirken, bringt aber kaum etwas für die tatsächliche Temperaturregulation im Körper. Effektiver sind lauwarme Duschen, feuchte Tücher oder Fuss- und Handbäder, um die Haut gezielt zu kühlen.

Und gleichzeitig ausreichend trinken?
Schneemann: Unbedingt. Gerade bei Hitze ist es wichtig, genügend Flüssigkeit aufzunehmen – am besten Wasser oder ungesüsste Tees. Auf Alkohol und koffeinhaltige Getränke sollte man verzichten. Auch die Ernährung spielt eine Rolle: kleine, leichte Mahlzeiten über den Tag verteilt sind ideal. Und nicht zuletzt hilft es, auf den eigenen Körper zu hören – und seine Signale ernst zu nehmen.

Woran erkennt man eine gefährliche Überhitzung und ab wann wird es kritisch?
Schneemann: Alarmsignale sind starker Schweiss, pochende Kopfschmerzen, Benommenheit und ausgeprägte Müdigkeit. Spätestens dann heisst es: Flüssigkeit nachfüllen, in den Schatten setzen oder kurz ins kühle Wasser steigen. Ab einer Körpertemperatur von etwa 40 °C droht der Hitzschlag – ein medizinischer Notfall, bei dem Organe und Gehirn Schaden nehmen können. Vorstufen sind Sonnenstich oder Hitzeerschöpfung mit Übelkeit und Schwindel.

Manche Menschen scheinen hitzeresistenter zu sein als andere. Gibt es das wirklich?
Schneemann: Ja. Ein gutes Beispiel sind Ausdauerathletinnen und -athleten, die sich gezielt an hohe Temperaturen gewöhnen: Sie trainieren in der Mittagshitze oder nehmen heisse Bäder. Dadurch verbessert sich die Schweiss¬produktion und die Wärme¬abgabe über die Haut. Gesundheit, Fitness und Gewohnheit spielen eine grosse Rolle. Denken Sie beispielsweise an die südländische Siesta-Kultur. 

Eine Mittagsruhe kann also helfen. Welchen Einfluss haben andere Lebensstilfaktoren wie Ernährung und Fitness? 
Schneemann: Ein gesunder Lebensstil macht den Körper robuster: Wer ausreichend schläft, regelmässig Sport treibt und sich ausgewogen ernährt, hat generell bessere Reserven.

Was können Menschen präventiv tun, um sich auf abrupte Hitzewellen vorzubereiten?
Schneemann: Überlegen Sie rechtzeitig, wie Sie Ihre Wohnung oder Ihr Arbeitsumfeld kühlen können: Ventilatoren oder mobile Klimageräte anschaffen, tagsüber Fenster schliessen und abdunkeln. Planen Sie Aktivitäten in die kühleren Morgen- oder Abendstunden und ich wiederhole mich:  Trinken Sie konsequent – nicht erst, wenn Durst entsteht.

Welche langfristigen gesundheitlichen Folgen sehen Sie durch die zunehmenden Hitzewellen?
Schneemann: Die Zahl der heissen Tage hat sich in den letzten 20 Jahren nahezu verdoppelt. Das bedeutet mehr Herz-Kreislauf-Notfälle, aber auch chronische Belastungen für ältere und vulnerable Menschen. In der medizinischen Ausbildung rücken Klima- und Umweltfaktoren deshalb stärker in den Fokus. Gesundheit, Klima und Umwelt sind enger miteinander verbunden, als lange Zeit angenommen – darauf müssen wir uns einstellen.

PD Dr. med. Markus Schneemann Bild: zVg.
Claudia Riedel