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Gesellschaft
18.06.2025

Vier Säulen für die soziale Gesundheit

Tobias Baumgartner ist Präsident von Queerdom.
Tobias Baumgartner ist Präsident von Queerdom. Bild: zVg.
In seiner Kolumne spricht Tobias Baumgartner, Präsident Queerdom, über Veränderungen, Gesundheit, Diskriminierung aber auch Gemeinschaft und Zugehörigkeit.

Pride ist mehr als ein Event. Sie ist Ausdruck eines kollektiven Kampfes um Würde, Sichtbarkeit und Gleichberechtigung. Das diesjährige Motto der Zürich Pride «Gemeinsam für unsere Gesundheit» erinnert daran, dass Gesundheit mehr umfasst als die Abwesenheit von Krankheit. Es geht um körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden und um Zugang zu Schutz ohne Angst vor Stigmatisierung. Der Umgang mit HIV zeigt, was möglich ist: Vor vierzig Jahren war die Angst gross, die Verluste zahlreich. Doch die queere Community kämpfte für Forschung, Medikamente und Anerkennung. Heute ist HIV behandelbar, PrEP schützt zuverlässig. Diese Erfolge zeigen, wie wir gemeinsam Veränderung erreichen können. Auch psychische Gesundheit verdient mehr Beachtung. Diskriminierung, Ausgrenzung, innere Zerrissenheit und Unsicherheit führen zu erhöhtem Druck. Es braucht Angebote, Raum für Gespräche und konkrete Hilfe. Jeder Mensch hat ein Recht auf mentale Stabilität und Unterstützung.

Sichtbarkeit, Zugehörigkeit und Vielfalt sind Grundlagen einer gerechten Gesellschaft. Sichtbarkeit meint, dass queere Menschen das ganze Jahr über präsent sind – in Medien, Bildung, Kultur und Politik. Es ist alarmierend, dass in Ländern wie Italien und Ungarn queere Themen aus Schulplänen gestrichen werden. Zugehörigkeit bedeutet, dass jede Person unabhängig von Identität oder Herkunft einen sicheren Platz in der Gesellschaft findet. In vielen Teilen der Welt, auch in Europa, werden queere Menschen diskriminiert, verfolgt oder kriminalisiert. Die Schweiz muss sich klar für Menschenrechte einsetzen. Vielfalt ist eine Stärke. Sie umfasst Identitäten, Generationen, Kulturen, Religionen und Perspektiven. Diese Realität soll anerkannt und geschützt werden. Es braucht Geschichten, Bilder und Vorbilder, die Vielfalt zeigen, statt sie zu verdrängen. Queere Menschen sollen sich überall wiedererkennen dürfen – und respektiert werden.

Doch Fortschritte bleiben fragil, solange Sicherheit nicht gewährleistet ist. Auch in der Schweiz erleben queere Menschen überdurchschnittlich häufig Gewalt. Laut «Queeramnesty» wurde jede dritte betroffene Person in den letzten fünf Jahren körperlich oder sexuell angegriffen. Viele Fälle bleiben ungemeldet. Besonders im Gesundheitswesen fehlen Sensibilisierung und Vertrauen. Der Staat muss Verantwortung übernehmen, Schutz bieten und queerfeindliche Gewalt klar benennen. Nur wenn Schutz, Sichtbarkeit, Zugehörigkeit und Vielfalt gemeinsam gedacht werden, bleibt das Erreichte bestehen – und kann weiter wachsen.

Schaffhausen24