Am Strickhof organisierte Anna Brugger ein Webinar, in dem Luzi Schneider, Geschäftsführer der Schweizerischen Fachstelle für Zuckerrübenbau, den aktuellen Stand zur Zikadenproblematik präsentierte.
Die aktuelle Lage
«Die Zikade beschäftigt uns zunehmend», erklärte Schneider. 2023 wurden erste Funde in der Ostschweiz gemacht. Noch sei die Situation nicht akut, dennoch sei es das Ziel, ein Monitoring aufzubauen, die Lage zu analysieren und wirksame Präventionsmassnahmen zu etablieren. Schneider erinnerte daran, dass ähnliche Probleme bereits vor 30 Jahren in Frankreich aufgetreten seien – dank der Schliessung einer Zuckerfabrik konnte damals die Weiterverbreitung der Zikade verhindert werden.
Seit 2017 verzeichnet die Schweiz wieder vermehrt Schäden: Der Zuckergehalt sank um 2 bis 5 Prozent, die Zuckererträge lagen nur noch bei 6 bis 8 Tonnen pro Hektar. Die Krankheit breitet sich jährlich um etwa 20 Kilometer ostwärts aus, entlang von Gewässern. Die Übertragung erfolgt durch die Zikade, die beim Anstechen der Blätter ein Proteobakterium überträgt; das ebenfalls bekannte Stolbur-Phytoplasma konnte bisher in der Schweiz nicht nachgewiesen werden.
Befunde und Verbreitung
2023 waren vier Proben von gelben Rüben positiv auf das Bakterium. Der Zyklus der Zikade beginnt mit dem Einstich ins Blatt. Danach legt sie ihre Eier in der Wurzelspitze ab, überwintert und ernährt sich von Winterbegrünung. Ab Mai bis Juli erfolgt der Wiedereinflug in die Zuckerrüben.
Die Liste der Wirtspflanzen wächst stetig: Neben Kartoffeln und Zuckerrüben sind auch Gemüsearten wie Randen betroffen. Kürzlich wurde das Bakterium auch in Rhabarber und Spargel nachgewiesen.
Um die Verbreitung besser zu erfassen, wurden 2024 21 Standorte mit Klebefallen ausgestattet, die wöchentlich gewechselt werden. 2024 wurden 68 Zikaden gefangen, ein Drittel davon war Träger des Bakteriums. Während im Seeland in einer infizierten Rübe 28 000 Kopien des Erregers gefunden wurden, lag die Zahl im Aargau bei 300 bis 600 – ein flächiger Befall bleibt bisher aus. In der Ostschweiz ist das Niveau aktuell sehr gering.
Fruchtfolge als wirksamste Massnahme
Erste Überlegungen zur Fruchtfolge wurden bereits 2018 angestellt. Ziel war es, Kulturen zu finden, die den Zikadenkreislauf unterbrechen. Weizen zeigte keinen Effekt, Mais hingegen reduzierte die Population deutlich. In Feldversuchen zeigte sich: Brachliegende Felder im Winter und Maisanbau ab Mai senken die Zikadenzahl signifikant, wenn auch nicht vollständig.
Mit Zelten untersuchten Forschende von der HAFL die Ausschlupfraten in unterschiedlichen Nachfolgekulturen. Resultat: Winterweizen führte zu höheren Zikadenzahlen, während Sommerkulturen wie Mais den Befall reduzierten. Wichtig ist es deshalb, auf Wintergetreide nach Zuckerrüben zu verzichten.
Dank konsequenter Fruchtfolge und resistenteren Sorten – wie Interessa, Monteverdi oder Fitis – konnten in Versuchen 2024 fast alle Proben frei von Erregern gehalten werden. Die Zuckererträge erreichten beinahe wieder das Niveau vor dem Krankheitsausbruch. Allerdings bleiben die heutigen Sorten generell hinter den früheren Zuckergehalten zurück – nicht wegen des Erregers, sondern aufgrund züchterischer Entwicklungen.
Prävention beginnt im Anbau
Erstmals wurden zwei Sortenlisten erstellt: für SBR-gefährdete Gebiete (ohne Smart-Sorten) und für weniger betroffene Regionen. Schneider betonte: «Derzeit sind in der Ostschweiz keine speziellen SBR-Sorten nötig, aber Smart-Sorten sind nicht geeignet.» Falsche Sortenwahl ohne Fruchtfolgeumstellung führt zu tiefen Zuckergehalten. Proaktive Massnahmen sind entscheidend – Einzelmassnahmen bringen wenig.
Forschung und Zusammenarbeit
Neben der Fruchtfolge bleibt auch die Sortenprüfung ein Forschungsschwerpunkt. Fragen wie der Einfluss früherer Erntezeitpunkte und der Zusammenhang zwischen Erregerbelastung und Zuckergehalt werden untersucht. Auch das Insekt selbst gibt noch Rätsel auf. In Deutschland gibt es bereits Notfallzulassungen für Insektizide gegen Zikaden. In der Schweiz setzt man jedoch primär auf vorbeugende Massnahmen. Die Wirkung von Spritzungen auf adulte Zikaden gilt als gering, ein effektives Mittel gegen Larven wäre wünschenswert.
Zuckerrüben sind nicht die einzige Kultur, die betroffen ist – auch Kartoffeln und verschiedene Gemüsearten leiden unter dem Bakterium. Deshalb strebt die Fachstelle eine enge Zusammenarbeit mit anderen an. Das Monitoring-Netz wurde auf 60 Standorte erweitert, von Aargau bis Schaffhausen.
Ausblick und Empfehlungen
Der wichtigste Ansatz bleibt die Anpassung der Fruchtfolge: Winterweizen sollte nach Zuckerrüben vermieden und stattdessen geeignete Sommerungen wie Mais angebaut werden. «Wir möchten agieren, nicht reagieren», betonte Schneider. Frühzeitige Umstellungen bieten die beste Chance, Ertragsverluste nachhaltig zu verhindern.