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Kultur
10.06.2025

Mona Gamie – Symbiose zwischen Lust, Lippenstift und Laszivität

Die graziöse Mona Gamie tritt mit Pianist Basil Spiess am Donnerstag, 19. Juni, um 19 Uhr im Stadttheater auf.
Die graziöse Mona Gamie tritt mit Pianist Basil Spiess am Donnerstag, 19. Juni, um 19 Uhr im Stadttheater auf. Bild: Peter Zumkeller
Mona Gamie ist Schaffhausens bekannteste Dragqueen, eine sündige Diva voller Witz und Chansons. Erschaffen von Tobias Urech, verführt sie ihr Publikum mit Glanz, Haltung und einer Prise bittersüsser Erotik.

Wenn sie einen Raum betritt, verändert sich die Statik. Wärme steigt auf, Blicke flackern, eine Spannung legt sich über jede Silbe. Es ist keine einfache Präsenz, sondern ein Akt der Verführung, als würde der Alltag die Luft anhalten.  Hübsch herausgeputzt und mit lackroten Lippen – Mona Gamie ist eine graziöse Erscheinung. Sie gehört zu jenen Persönlichkeiten, die automatisch Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sobald sie Präsenz markiert. In ihrer Ausstrahlung verdichten sich Lust und ein Hauch von Wollust, Schwermut, Frechheit und Sehnsucht.

 

Geboren aus Lust und Überdruss

Erschaffen wurde sie 2013 von Tobias Urech im Kontext der queeren Jugendorganisation Milchjugend. Urech, der in seinem Leben abseits der Bühne Historiker ist, zeigt Gespür für das Verlorene, das Zügellose und das zutiefst Menschliche. In Mona Gamie kanalisiert er all das, was sonst hinter Schlafzimmerwänden flüstert oder in verwaschenen Fantasien schwelt. «Ich verspürte schon immer grosse Lust, als Dragqueen auf der Bühne zu stehen», sagt Urech rückblickend. «Klar brauchte es Mut und Überwindung dazu, doch der Drang war stärker, sich zu exponieren.» Keine Karikatur, keine Parodie, sondern ein Wesen mit Haltung und Herkunft. Zwischen Schaffhauser Bodenhaftung und pariserischem Taumel lebt sie die Ekstase mit einem Lächeln, das alles weiss und nichts verrät. Anfangs als Experiment gedacht, ein Hauch Provokation in Stöckelschuhen, wurde sie mit jeder Reaktion aus dem Publikum realer, raumgreifender, unerbittlicher. «Der Name Mona Gamie existierte schon von Beginn weg», so Urech. «Und doch bin ich erstaunt, dass sich alles so entwickelt hat, wie ich mir das von Anfang gewünscht habe.» Tobias Urech verschwindet in ihr, bleibt aber der Dirigent im Hintergrund. Keine Bewegung ist zufällig, keine Pose ohne Absicht. Jede Linie ist Pinselstrich, jede Haltung ein Zitat. Mona flirtet, reizt, küsst, kratzt, ohrfeigt mit Genuss und singt sich durch Chansons und Balladen, als wären sie ihr ureigener Schmerz. «Sie entspricht meinen Vorbildern», sagt Urech, «den grossen alten Diven, Zarah Leander, Edith Piaf, aber auch ältere Travestie-Grössen.» Wer sie singen hört, glaubt an das Drama des Augenblicks. Wer sie sprechen hört, fühlt sich ertappt. Wer sie anschaut, erkennt sich selbst im Wimpernschlag. Nicht weil sie spiegelt, sondern weil sie entblösst.

 

Kleiner Tod im Scheinwerfer

In Stücken wie «La petite mort» des Zürcher Ensembles Salon Morpheus erhebt sich Mona zum Zentrum der Ekstase. Der Abend badet in frivoler Lust, gesättigt mit Orgasmusmetaphern, Akrobatik und Burlesque. Auf einem Divan thronend wie eine Göttin der Verweigerung, verweigert sie sich dem kleinen Tod – nicht aus Kälte, sondern aus Erfahrung. Ihre Widerständigkeit ergibt sich nicht dem Moment, sondern der Tiefe. Sie singt von Vampiren, Leidenschaft, Herzbruch. In jeder betörenden Geste liegt ein klarer Blick auf die Tragikomödie des Begehrens. Mona spielt mit Worten, umgarnt die Lust, führt das Publikum an der Hand, nur um es im nächsten Moment ins Leere greifen zu lassen.

 

Chansons zwischen Rauch und Haut

Doch Mona Gamie ist nicht nur im Varieté zu Hause. Als Chansonnette und Erzählerin führt sie durch vergangene Welten, die nach Zigarettenrauch, Liebesbriefen und schummrigen Nächten duften. Sie singt keine Lieder, sie legt Geschichten frei, erzählt von Edith Piaf, vom ersten queeren Schlager der Zwanzigerjahre, von Sehnsüchten, die in Musik überleben, wenn alles andere längst zerbricht. «Nicht ganz ernst, aber es geht um die Geschichte der Chansons, deren Bedeutung gewisse Tiefe haben, wie Entwicklungen», sagt Urech. Mona wird zur Oberlehrerin – süffisant, elegant, mit Ironie. Wenn sie Zarah Leanders «Es wird einmal ein Wunder geschehen» singt, schwingt die Geschichte des schwulen Liedtexters Bruno Balz im Hintergrund mit. Ihre Stimme ist wie ein seidener Schal, der Blick durchbohrt Mark und Moral. «Als Dragqueen steht man im Rampenlicht und lebt mit den Sorgen, die im aktuellen Weltgeschehen wieder lauter werden», sagt Urech. «Gerade deshalb gehört Drag auf die Bühne – wir wollen uns nicht einschüchtern lassen, sondern als vielfältige Gemeinschaft sichtbar bleiben.» In dem Moment, wenn sie sich mit der ‹Zigarette danach› zurücklehnt, der Applaus aufbrandet und die Bühne im Dunkeln verschwindet, bleibt mehr zurück als nur ein herkömmlicher Abend. Es ist ein Gefühl, das unter die Haut geht – und dort womöglich für immer verweilt. Wer sich von der einzigartigen Mona Gamie verführen lassen will, erlebt sie am Donnerstag, 19. Juni, um 19 Uhr im Stadttheater mit dem Programm «Drag und Chansons», begleitet von Basil Spiess am Klavier.

Ronny Bien, Schaffhausen24