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Klettgau
15.05.2025

Der Weg zum Viehhändler

Felix Tenger hat die Möglichkeit, als Erster die angelieferten Kälber beim Viehhändler auszuwählen. Dabei achtet er genau auf Details – ein Knubbel an der Backe könnte beispielsweise auf mögliche Zahnprobleme des zukünftigen Munis hinweisen.
Felix Tenger hat die Möglichkeit, als Erster die angelieferten Kälber beim Viehhändler auszuwählen. Dabei achtet er genau auf Details – ein Knubbel an der Backe könnte beispielsweise auf mögliche Zahnprobleme des zukünftigen Munis hinweisen. Bild: Nici Peter
Seit über 20 Jahren wählt Felix Tenger aus Schleitheim seine Kälber persönlich im Emmental aus. Mit Erfahrung und einem geschulten Blick entscheidet er, welche Tiere zur Munimast auf seinen Hof kommen. Denn für ihn zählt mehr als nur das Gewicht – es geht um Vitalität und das Gespür für robuste Munis (männliche Rinder).

Der Morgen im Emmental beginnt geschäftig. Der Klang von Motoren und das Muhen von Kälber füllen die Luft. Lastwagen um Lastwagen fährt heran und lädt Kälber aus: braune, fast weisse, einige mit kleinen schwarzen Flecken, ganz dunkle. Viele Rassen, Grössen und Gewichte sind vertreten.

Nach einigen Stunden Autofahrt erreicht Felix Tenger den Hof im Emmental. Seit über 20 Jahren kommt der Landwirt regelmässig hierher, um seine Kälber direkt beim Händler auszuwählen. Ihm ist es wichtig, die späteren Munis vor dem Kauf persönlich zu begutachten. «Mein Vater Hansheini fuhr bereits hierher und kaufte seine Kälber direkt vor Ort», erzählt Tenger. Diese Tradition führt er fort. Felix Tenger ist Munimäster. Da er keine Milchkühe hält, kauft er die Kälber zu. Während andere Landwirte ihre Tiere ungesehen beim Händler erwerben, setzt Tenger auf die persönliche Auswahl.

 

Der Weg zum Viehhändler

Alle zwei Monate – genauer alle zehn Wochen – besucht Tenger den Viehhändler im Berneroberland. Vor Ort steht ein festes Zelt, wo die Tiere angeliefert werden. Dann werden sie unterteilt in drei Bereiche: eine für weibliche Tiere für Kälbermast und zwei für die Munimast. Die Tiere werden zuerst gewogen und dann den Gruppen zugeteilt. Immer wieder fahren Lastwagen vor und bringen neue Kälber. Zum Beurteilen der Tiere geht der Landwirt in die Abteile rein. Tenger begutachtet die Tiere, markiert sie mit einem roten Filzstift auf dem Rücken. Anschliessend werden die markierten Kälber für den Transport nach Schleitheim verladen, wo sie abends ankommen.

 

Auswahlkriterien für die Mast

31 Kälber hat er dieses Mal gekauft. Alle mindestens 21 Tage alt. Bis zu 45 Kälber haben Platz in seinem Stall. Diese sollten beim Verkauf maximal 80 Kilogramm wiegen. Der Bauer zahlt fix nur bis 80 Kilogramm, den abgerechnet wird nach Gewicht. Wichtige Auswahlkriterien sind ein kurzer, breiter Kopf, ein kräftiger Rücken und stabile Beine. Die Kälber müssen vital wirken und dürfen keine Krankheitsmerkmale zeigen.

Der Landwirt bevorzugt die Rassen Simmentaler und Limousin. «Ich finde, es sind sehr robuste Rassen und ich hatte bei diesen die besten Erfahrungen», erklärt er. Kälber der Kategorie AA sind ihm am liebsten. AA bedeutet, der Vater des Tieres stammt zu 100 Prozent aus einer Mastrasse.

 

Angebot und Nachfrage

Der Viehhändler war angespannt. Wegen der Blauzungenkrankheit sind weniger Kälber zum Verkauf vorhanden. Generell ist es so, dass es im Winter mehr Kälber auf dem Markt hat. Dies weil Kalbfleisch zu Weihnachten gefragt ist. Daher sinken die Geburten im Frühling und im Sommer sind nur noch wenige Tiere auf dem Markt. Die Blauzungenkrankheit hat viele Muttertiere geschwächt und viele Aborte generiert. Dies wirkt sich auf den Markt aus. Statt erst im Sommer ist bereits jetzt im Frühling die Nachfrage grösser als das Angebot.

 

Erster Tag in Schleitheim

Schon bevor die Kälber ankommen, bereitet der Landwirt alles für sie vor. Frisches Stroh verteilt er im Stall, die Halsbänder für die Kleinen liegen bereit. Jedes Tier trägt ein Halsband mit Sensor daran, und erhält damit seine exakte tägliche Milchmenge. Seine Jüngsten werden mit Milchpulver gefüttert. «Damit kann ich eine gute Futterqualität garantieren», ergänzt er.

Gleich nach der Ankunft erhalten die Kleinen ihre Milch und können sich von den Strapazen des Tages ausruhen. Bis sie ihren Trinkrythmus gefunden haben, dauert es einige Tage. Dies bedeutet für den Landwirt eine strenge Zeit: Viele Kälber müssen erst lernen, die individuelle Tränke zu nutzen. Frühes Aufstehen gehört dann zur Tagesordnung – um drei Uhr morgens beginnt er mit dem Anlernen. Einige Kälber haben Mühe, den Trinknuggi zu nutzen. Dann leert er etwas Milch darüber, um ihnen die Verbindung zum Trinken aufzuzeigen. In den ersten acht Wochen erhalten die Kälber Milch, danach folgt schrittweise die Umstellung auf Kraftfutter. Nach dem Abtränken werden sie in Gruppen unterteilt. Insgesamt dauert die Mast rund ein Jahr, bevor die Tiere zum Schlachter gehen.

 

Der starke Muni

Die Tiere legen während der Mast kräftig an Gewicht zu – fast das Fünffache ihres eigenen Gewichts wiegen sie, bevor sie zum Schlachter gehen. Insgesamt hat der Landwirt etwa 320 Munis, die er betreut. Hat er nie Angst vor den kräftigen Tieren? «Ich kenne die Munis und vor allem ihre Eigenschaften genau. Meist reicht ein Blick, und ich erkenne, ob einer einen schlechten Tag hat.» Trotzdem bleibt es riskant, den Stall zu betreten. Denn wenn ein Muni um seine Kraft weiss, wird es wirklich gefährlich. Dies ist sich der Landwirt immer bewusst.

 

Ein schönes Halsband

Der Umgang mit den Schwergewichten ist ihm seit der Kindheit vertraut. Seine vier Töchter wachsen etwas anders auf als er und haben weniger engen Kontakt zu den Tieren. Den Bezug zum Hof haben aber alle vier. Die beiden älteren haben die Traktorenprüfung abgelegt. Die Jüngste kommt gerne mit zum Viehhändler – und hat ihre eigene Methode zur Auswahl der Kälber: Ein violettes Halsband genügt, und für sie ist das Kalb perfekt für die heimische Mast. «Nicht immer kann ich dem Wunsch meiner Tochter nachkommen. Dann gibt es auf der Heimfahrt auch mal schlechte Stimmung», lacht Tenger. «Nur ein schönes Halsband macht noch keinen guten Muni.»

Die Kälber bei Tengers erhalten maximal sieben Liter Milch pro Tag, verteilt auf vier Mahlzeiten. Jede Portion umfasst ca. 2,5 Liter, ähnlich der natürlichen Trinkmenge bei der Mutter. Bild: Nici Peter
Schaffhausen24, Originalmeldung Schaffhauser Bauer, Nici Peter