Mittagspause auf der Winterthurer Schützenwiese, bevor das Nachmittagstraining auf dem Programm steht. Auf der Haupttribüne sitzt Trainer Uli Forte und nimmt sich Zeit für ein Interview, einige Spieler gönnen sich ein Power Napping, spielen Karten oder lassen sich, wie der Sirnacher Basil Stillhart, von der Frühlingssonne bräunen. Die Ruhe trügt, denn der FC Winterthur kämpft in der Super League um den Ligaerhalt, und der 2:0-Sieg gegen Kantonsrivale GC hat geradezu eine Euphorie entwickelt. Das Team hat nach langem Kampf nicht nur die Konkurrenz punktemässig eingeholt, sondern ist fest entschlossen, nach dieser Saison zwei Konkurrenten hinter sich zu lassen, um dem Abstieg definitiv zu entrinnen. Die Lage ist so dramatisch wie hochspannend.
Von Beringen nach Niederhasli
Mittendrin in diesem Krimi mischt mit der Nummer 6 auch ein gebürtiger Schaffhauser kräftig mit. Im Sommer 2023 fand Randy Schneider den Weg von St. Gallen nach Winterthur. Ende August wird er 24 und darf von sich behaupten, seit fünf Jahren als Profifussballer zu arbeiten. Der Weg dahin war jedoch ein langer. «Schon als Vierjähriger wollte ich beim FC Beringen Fussball spielen», erinnert er sich. «Doch anmelden durfte man sich erst mit fünf.» Gleich nach seinem Geburtstag stand er mit seiner Mutter wieder auf der Matte und durfte sich endlich anmelden. «Tschutten im Verein, das war immer mein Traum.» Dort blühte er auf, wechselte später zum FC Schaffhausen, wo er zwei Jahre blieb. «Dann erhielt ich die Chance, in die U14 des Grasshopper Club zu wechseln.» Fortan pendelte er zwischen Beringen und dem Campus in Niederhasli ZH. Auch die Schule meisterte er ohne Probleme. «Besonders die Sprachfächer fand ich cool, da mir das Lernen von Sprachen immer leicht gefallen ist», sagt Schneider. Bei GC absolvierte er später auch seine Sportler-KV-Lehre.
«Eine geile Erfahrung»
Randy Schneiders Hobby ist seit jeher mit viel Talent gesegnet. Das sah auch der Schweizerische Fussballverband so. Unter Massimo Lombardo debütierte Schneider am 22. September 2015 in Stirling als Captain mit der U15-Nati beim 2:0-Sieg gegen Schottland. Einige Weggefährten von damals, wie etwa die YB-Akteure Lewin Blum und Darian Males, trifft er heute im Ligaalltag an. Jahr für Jahr stieg er in den Altersklassen der Schweizer Nati und trainierte unter Namen wie Heinz Moser, Johann Vogel oder zuletzt Patrick Rahmen in der U21. Zuletzt stand er am 24. September 2022 in Marbella gegen Norwegen auf dem Platz. «Das war eine geile Erfahrung. Es ist nicht selbstverständlich, wenn man als Teenager durch halb Europa reist», erinnert er sich. «Ich durfte früh viel erleben, das hat mich geprägt.» Mit der Zeit wurde es anspruchsvoller – die Konkurrenz wuchs, und auch Verletzungen stellten ihn wiederholt vor neue Herausforderungen.
Der Sprung ins Profitum
14. Juli 2020. Die Meisterschaft hatte nach der pandemischen Zwangspause seit einem Monat den Betrieb wieder aufgenommen. Der Grasshopper Club bastelte, gerade in der Challenge League verweilend, am Wiederaufstieg. Randy Schneider hatte vor Wochenfrist gegen SLO debütiert, nun war gegen Chiasso erneut der Platz im rechten Mittelfeld für ihn vorgesehen. Wieder nach zehn Minuten traf er, GC gewann mit 2:1 gegen die Tessiner. Und Randy? Gefühlt um zwei Meter gewachsen, realisierte er langsam, aber sicher, dass er mit seinem Hobby auch Geld verdienen kann. «Ich wurde anschliessend wieder in die U21 degradiert, was ich nicht akzeptieren wollte.» Es folgte eine Leihe zum FC Aarau, wo er sich sein Standing erkämpfen musste. «In einem Gespräch mit dem damaligen Trainer Stephan Keller ging der Knopf auf», erinnert sich Schneider. Zwei Spielzeiten blieb er in Aarau, ehe er nach St. Gallen wechselte. «Für mich war es eine lehrreiche Zeit beim FCSG», fasst er eine schwierige Saison zusammen, geprägt von Verletzungen und unregelmässigen Einsätzen. Der FC Winterthur sei da schon eine ganz andere Welt, stellte Randy Schneider fest, als er vor fast zwei Jahren in die Eulachstadt wechselte. «Nicht nur der Empfang war sehr herzlich, sondern weil hier die Wege überall sehr kurz sind, ist auch alles familiärer, stehen sich alle automatisch näher. Das schätze ich sehr.» Für den Mittelfeldspieler war dieser Wechsel ein Segen, denn auf der Schützenwiese blüht er wieder auf.
Als Trauzeuge gegen Tadschikistan
Wer Randy Schneiders Namen genauer anschaut, entdeckt darin einen zweiten Vornamen: «Abogado». Das klingt nach einem brasilianischen Filigrantechniker, genau massgeschneidert auf seinen Spielstil. Doch falsch gedacht: «Abogado ist der Nachname meiner Mutter. In der philippinischen Kultur ist es Tradition, dass das Kind diesen als zweiten Nachnamen erhält», lächelt Schneider. «Aber brasilianischer Filigrantechniker gefällt mir.» Die Mischung aus bissigem Terrier und Leichtfüssigkeit prägt sein Spiel. 68 Pflichtpartien und sieben Tore zieren aktuell seine Winti-Vita.