«Seit drei Jahren wohne ich in Schaffhausen. Der Ostschweizer Dialekt ist mir als gebürtiger St. Galler zum Glück nicht ganz fremd, auch wenn sich doch einige Ausdrücke und Betonungen unterscheiden», sagt der 77-jährige Edwin Nyffeler zu Beginn des Austausches mit dem «Bock» lächelnd. Nach dem Wegzug von St. Gallen habe er in Genf, im Thurgau und danach für einige Jahrzehnte in Zürich gelebt und seine Aus- und Weiterbildungen in England und Kanada durchlaufen.
Vor mehr als 50 Jahren, als junger Student der Sozialen Arbeit, in St. Gallen, sei er auf das Buch Zen-Buddhismus und Psychoanalyse von Erich Fromm gestossen – einstiger deutsch-US-amerikanischer Philosoph, Psychoanalytiker und Sozialpsychologe aus Frankfurt am Rhein: «Ich war vom Gedanken fasziniert, dass man die Welt auch anders als kausal, anders als in der Tradition des Westens mit seiner Aristotelischen Logik betrachten kann. Ich begann bald, mein Geworden-Sein, mein In-der-Welt-Stehen, zu reflektieren und zu hinterfragen.» Es sei ihm stets ein Bedürfnis, bei sich und den anderen Menschen – bei ihrem Tun und Lassen – hinter die Fassaden schauen zu können. «Meinem Leben, meinem Denken und Fühlen wollte ich auf den Grund gehen.»
Stets mit Paradoxien beschäftigt
Bei seinen Reflexionen sei Edwin Nyffeler stets auf Paradoxien gestossen, sowohl im «Aussen» als auch im eigenen Leben. Dabei habe er festgestellt, dass sich diese kausal nicht auflösen liessen. «Es war mir mehr und mehr eine grosse Hilfe, Tatsachen, Ereignisse und Einsichten in einem ‹Sowohl-als-auch› anstelle eines ‹Entweder-oder› stehen zu lassen.»
Die im neu erschienenen Buch niedergeschriebenen Paradoxien, seien eine fein kuratierte Auswahl der über die Jahre notierten Einsichten. Vor rund zwölf Monaten habe er damit begonnen diese auszudrucken und neu zu sichten. «Dabei ist die zu dieser Zeit mir noch kühn erscheinende Idee entstanden, dass ich diese Gedanken in Buchform veröffentlichen könnte», erinnert sich der Coach für pränatalbasierte Körpertherapie zurück. Gedacht, getan. Nun so schnell sei es dann doch nicht gegangen. Das Projekt habe sich aber ganz ohne Stress, Schritt um Schritt, zu einem Ganzen entwickelt. Im Zuge dessen sei bald einmal die Überlegung dazugekommen, seine Paradoxone mit Illustrationen zu begleiten. «So wie ich die Paradoxien als Kernaussage zu unserer Existenz betrachte, so wollte ich auch Zeichnungen dazu anfertigen, die in ihrer Aussage auf ihren Kern reduziert sind.» In einem meditativen Versenkungsprozess seien zu den einzelnen Paradoxien einfache Linien entstanden.
Einmal gefunden und niedergelegt, sei es nachher erstaunlicherweise nicht mehr schwierig gewesen, die scheinbar «einfachen» Zeichnungen für jedes einzelne Exemplar als Original anzufertigen und dann während der Produktion in die gedruckten Text-Blätter einzufügen.
«Die Paradoxien sind einerseits Ausdruck vertiefter Einsichten in meine persönliche Geschichte. Wie im Vorwort im Buch formuliert: Die Paradoxone sind erfühlt und gedacht. Andererseits sind sie auch Ausdruck von beobachteten Befindlichkeiten von all den Menschen, mit denen ich während meiner Berufsjahre zu tun hatte und immer noch zu tun habe», erklärt Nyffeler.