Home Region Sport Schweiz/Ausland Magazin Agenda
Gesundheit
29.04.2025

Vergessen oder gar verdrängt? STI weiterhin auf hohem Niveau

Mehrwert: Hier an der Webergasse 2/4 kann ab Mai jeden letzten Dienstag im Monat beim «VJPS» getestet werden.
Mehrwert: Hier an der Webergasse 2/4 kann ab Mai jeden letzten Dienstag im Monat beim «VJPS» getestet werden. Bild: Ronny Bien
«Im Minimum en Gummi drum.» Was einst selbstverständlich schien, wird heute zunehmend verdrängt. Die Medizin macht vieles möglich, doch der sorglose Umgang mit Safer Sex lässt die Zahlen sexuell übertragbarer Infektionen wieder steigen.

Sexuell übertragbare Infektionen (STI) nehmen schweizweit, aber auch in Schaffhausen weiter deutlich zu. Besonders betroffen sind junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 34 Jahren, wie nationale und kantonale Erhebungen zeigen. Infektionen wie Chlamydien, Gonorrhö (Tripper) und Syphilis werden wieder häufiger diagnostiziert – eine Entwicklung, die sich auch lokal bemerkbar macht. Wie die «Schaffhauser Nachrichten» vergangene Woche berichteten, wurden gemäss Kantonsarzt Christoph Anders zwischen Jahresbeginn und Mitte April insgesamt 89 Fälle von verschiedenen sexuell übertragbaren Infektionen im Kanton Schaffhausen gemeldet.

Chlamydien auf dem Vormarsch

Gerade Chlamydieninfektionen sind in der Schweiz die am häufigsten gemeldeten STI. Laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) wurden im Jahr 2022 über 13 000 Fälle registriert. Aktuelle Zahlen zeigen, dass seit Jahresbeginn bis Mitte April 3757 Chlamydienfälle gemeldet wurden, während es im gleichen Zeitraum des Vorjahres 4004 Fälle waren. Besonders häufig betroffen sind junge Erwachsene, wobei viele Infektionen symptomlos verlaufen und deshalb oft unbemerkt bleiben. Unbehandelt können Chlamydien bei Frauen zu Entzündungen der inneren Geschlechtsorgane und zu Unfruchtbarkeit führen, bei Männern unter anderem zu Harnröhren- oder Nebenhodenentzündungen.

Ein Blick nach Skandinavien zeigt: Länder wie Dänemark, Norwegen und Schweden verzeichnen europaweit die höchsten Melderaten. Dies ist jedoch vor allem auf die umfassenden Test- und Überwachungsprogramme zurückzuführen, die dort regelmässige Screenings fördern und so mehr Infektionen frühzeitig entdecken. Auch in der Schweiz wird verstärkt auf gezielte Testangebote gesetzt, um Krankheitsausbreitungen wirksam einzudämmen.

Weniger Angst, mehr Risiko

Sereina Caduff vom Verein für Jugendfragen, Prävention und Suchthilfe Schaffhausen (VJPS) sieht für die Zunahme mehrere Ursachen. Einerseits habe sich durch die Fortschritte in der HIV-Therapie und -Prävention der Fokus beim Safer Sex verändert. Während früher das Kondom das Symbol für den Schutz vor HIV war, stehe heute der sogenannte Safer-Sex-Check im Vordergrund: regelmässige STI-Tests zusätzlich zur Kondombenutzung als weitere Schutzmassnahme. «Wenn mehr getestet wird, kommen auch mehr Fälle zum Vorschein, die sonst nicht bemerkt worden wären», erklärt Caduff.

Typischerweise erscheinen Chlamydien unter dem Lichtmikroskop als kleine, rundliche oder leicht ovale Bakterien, oft in Zellkulturen sichtbar. Sie sind extrem klein, deswegen sieht man häufig infizierte Zellen mit Einschlusskörperchen, die auf die Infektion hindeuten. Bild: Ronny Bien/KI

Neue Schutzstrategien und Risiken

Ein Einblick in verschiedene Dating-Apps zeigt zudem: Das Thema Safer Sex spielt bei vielen Nutzenden eine untergeordnete Rolle. Besonders auffällig ist die stark gestiegene Nachfrage nach der Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP). Die medikamentöse Vorbeugung schützt zuverlässig vor einer HIV-Infektion und ist vor allem für Menschen mit erhöhtem Risiko sinnvoll, etwa Männer, die Sex mit Männern haben, Personen mit häufig wechselnden Sexualpartnern oder Partner in sogenannten serodiskordanten Beziehungen, bei denen eine Person HIV-positiv und die andere HIV-negativ ist. Allerdings schützt PrEP ausschliesslich vor HIV und bietet keinen Schutz vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten wie Chlamydien, Gonorrhö oder Syphilis. Dieses Missverständnis trägt dazu bei, dass andere Infektionen weiter stark zirkulieren.

Dank der medizinischen Fortschritte können heute auch HIV-positive Personen ein normales Leben führen. Mit einer konsequenten antiretroviralen Therapie wird die Viruslast so weit gesenkt, dass eine Übertragung beim Geschlechtsverkehr nicht mehr möglich ist. Dieses Konzept ist als «Therapy as Prevention» (TasP) bekannt und wird unter dem Schlagwort «U=U» (Undetectable = Untransmittable) zusammengefasst. Damit kann auch in serodiskordanten Partnerschaften eine sorgenfreie Sexualität ohne Angst vor Ansteckung gelebt werden.

Besorgniserregend bleibt hingegen das Phänomen des sogenannten «Pozzen», bei dem sich Einzelne bewusst mit HIV infizieren lassen. Fachleute warnen schon länger eindringlich davor, denn trotz aller Fortschritte bleibt eine HIV-Infektion eine schwerwiegende, lebenslange Erkrankung.

Fingerspitzengefühl

Auch die schulische Aufklärung spielt eine wichtige Rolle, um das Bewusstsein für STI zu stärken. Zwar sieht der Lehrplan 21 eine verbindliche Thematisierung von Sexualität vor, doch laut Caduff hängt die Qualität der Umsetzung von der einzelnen Lehrperson ab. «Das Thema ist mit sehr viel Scham verbunden. Es braucht Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern, aber auch mit den Eltern», so Caduff. Um die Prävention im Kanton Schaffhausen nachhaltig zu verbessern, wird der VJPS ab 2026 ein flächendeckendes sexualpädagogisches Angebot für alle Schulen aufbauen. Ergänzend dazu finden bereits heute Informationsanlässe und Workshops statt, die Jugendlichen helfen sollen, ein gesundes Verhältnis zu ihrer Sexualität zu entwickeln.

Neues Testing im Angebot

Ein wichtiger Schritt bleibt auch der einfache Zugang zu Beratungen und Tests. Viele Infektionen verlaufen zunächst symptomlos und werden unbewusst weitergegeben. Frühzeitige Tests helfen, Infektionsketten zu unterbrechen und weitere Ansteckungen zu verhindern. In Schaffhausen startet der VJPS gemeinsam mit dem Checkpoint Zürich ab diesem Mai ein neues, niederschwelliges Testangebot: Jeden letzten Dienstag im Monat wird in der Webergasse 2/4 zwischen 18.45 und 21.15 Uhr ein STI-Testing mit persönlicher Beratung durchgeführt. Interessierte können spontan vorbeikommen oder vorab online auf cpzh.ch/schaffhausen einen Termin buchen.

Mit diesem Flyer wirbt das VJPS mit dem neuen Testangebot. Bild: zVg. / VJPS

Wichtige Eckdaten und Kontakte

Der VJPS setzt sich seit 1981 für eine bedarfsgerechte Suchthilfe und Prävention im Kanton Schaffhausen ein. Ab dem 27. Mai können sich Interessierte an der Webergasse 2/4 jeden letzten Dienstag im Monat zwischen 18.45 und 21.15 Uhr auf verschiedene sexuell übertragbare Infektionen (STI) zu niederschwelligen Konditionen testen lassen.

VJPS        
Webergasse 2/4
8200 Schaffhausen
052 633 60 10
vjps.ch
info@vjps.ch
 

Checkpoint Zürich
Limmatstrasse 25
8005 Zürich
044 455 59 10
cpzh.ch/schaffhausen
mail@cpzh.ch

Ronny Bien, Schaffhausen24
Demnächst