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Essen & Trinken
01.04.2025

Schlaatemer Rickli-Kunst

Marlen Gerdener verbindet die Tradition mit ihrer eigenen Note wie beim Mass ihrer Rickli. Traditionell wird ein Teig-Plätzli genau so breit wie das Ricklibrett ist ausgeschnitten. Das genormte Brett wird von einem Mann im Dorf hergestellt. Marlens Ricklis entsprechen allerdings nicht genau der Ricklibrett-Breite. Sie hat ihr eigenes, für sie richtiges Mass gefunden.
Marlen Gerdener verbindet die Tradition mit ihrer eigenen Note wie beim Mass ihrer Rickli. Traditionell wird ein Teig-Plätzli genau so breit wie das Ricklibrett ist ausgeschnitten. Das genormte Brett wird von einem Mann im Dorf hergestellt. Marlens Ricklis entsprechen allerdings nicht genau der Ricklibrett-Breite. Sie hat ihr eigenes, für sie richtiges Mass gefunden. Bild: Nici Peter
Marlen Gerdener aus Schleitheim ist nicht nur Landfrau und Bauerntochter, sondern auch eine wahre Rickli-Frau. Seit rund 20 Jahren widmet sie sich der Herstellung des traditionellen Schlaatemer Gebäcks – mit viel Herzblut und Respekt für das Handwerk.

Noch bevor der Tag anbricht, beginnt Marlen Gerdener ihre Arbeit. Bereits am Vorabend bereitet sie den speziellen ­Rickli-Teig vor, den sie nach dem Rezept ihrer Tante Alice Wanner-Härtenstein herstellt. «Das Rezept wurde zu meinem eigenen», erzählt sie. Der Teig ruht über Nacht im Keller, um die ideale Verarbeitungstemperatur zu erreichen. «Er darf weder zu warm noch zu kalt sein», erklärt die Rickli-Frau. Sorgfältige Vorbereitung ist das A und O: Gusseisenpfanne, Fett, Ricklibrett, Stäbe, Abtropfgitter und ein mit Karton und Haushaltpapier ausgelegter Tisch stehen bereit.

Der Weg zur Rickli-Frau

Den Anstoss zum Rickli-Handwerk gab die Konfirmation ihrer Söhne vor 20 Jahren. Traditionell verteilen die Konfirmanden in Schleitheim als Dank Rickli. Diese wollte Marlen selbst herstellen. Sie erlernte es von ihrer Tante, die als erfahrene Rickli-Frau im Dorf bekannt war. «Mein Onkel half immer mit – sie backte aus, er schnitt die Plätzli», erinnert sie sich lachend. Jeden Freitag ging sie bei ihnen vorbei und schaute dem erfahrenen Rickli-Paar über die Schulter «Los, sitz an den Tisch, sonst bist du im Weg», pflegte ihre Tante zu sagen. Erst nach langem Üben begann Marlen, auf Bestellung und für den Verkauf Rickli herzustellen.

Rickli mit Sorgfalt und Tradition

Einmal wöchentlich erfüllt herrlicher Rickli-Duft das Haus der Gerdeners. Immer an ihrem freien Tag steht sie früh auf, um in Ruhe zu arbeiten. «Dann habe ich den Rest des Tages zur freien Verfügung», sagt sie. Die Morgenstunden bieten zudem vor allem im Sommer die idealen Temperaturen, damit der Teig nicht zu warm wird.

Traditionell begleiten Rickli familiäre Anlässe wie Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen. Neben Bestellungen verkauft Gerdener ihre Rickli in zwei Geschäften im Dorf. Damit stets frische Rickli verfügbar sind, friert sie sie direkt nach dem Backen ein. «So bleiben sie frisch und verlieren nach dem Auftauen nicht an Qualität», betont sie. 

Liebe zum Detail

Das Backen der Rickli ist Präzisionsarbeit. Der Teig ruht idealerweise eine Nacht. Mit einem speziellen Teigrädli – ein Erbstück ihrer Tante – schneidet sie den ausgerollten Teig in Plätzli, versieht sie mit Schlitzen und «schläupft» sie. Vier Stück kommen mit der verkehrten Seiten herum in die Pfanne. Exakt zwei Minuten und dreissig Sekunden backt sie sie im Fett, bevor sie sie zum Abtropfen herausnimmt. Anschliessend «zuckert» sie die abgekühlten Rickli mit Puderzucker, verpackt und etikettiert sie.

Marlen hat ihre eigene Note eingebracht: Statt traditionellem Schweinefett nutzt sie Kokosfett, und sie zieht die Rickli nach dem Formen nicht auseinander. «So behält das Rickli eine schönere Form.» Auch beim Puderzucker achtet sie auf höchste Qualität und bezieht diesen direkt von der Bäckerei.

Gerade hatte Marlen den Lebensmittelinspektor vor Ort. «Vor dem Besuch war ich schon nervös. Er hat dann alles genau angeschaut und ging zufrieden wieder aus dem Haus.»

Grosse Wertschätzung

Ein besonderes Erlebnis bleibt ihr in Erinnerung: Ein Schaffhauser Ehepaar, das seit Jahren bei ihr zu Hause vorbei kam um ihre Rickli zukaufen, wurde für sie zu Stammkunden. «Er ist letztes Jahr verstorben. Deshalb liefere ich ihr nun die Rickli ins Altersheim. Sie verteilt die Rickli an ihre Freunde und ein Teil wandert in den Tiefkühler als Vorrat. Ihre Freude und Wertschätzung sind berührend und einfach wunderschön.»

Ein leidenschaftliches Hobby

Tatsächlich merkt Marlen beim Verkauf des süssen Gebäcks saisonale Schwankungen. «Vor Weihnachten und im Januar stagniert der Verkauf. Da haben die Weihnachtsguetzli und im Januar das Abnehmen Vorrang. Sobald der Frühling vor der Tür steht, steigen die Verkäufe wieder.» Pro Woche produziert sie rund 120 Rickli – mehr nicht. «Es soll ein Hobby bleiben, ein leidenschaftliches mit Muse», sagt sie schmunzelnd. 

Bewahrung der Tradition

Marlen Gerdener sieht ihre Arbeit als Beitrag zum Erhalt des traditionellen Handwerks. «Ich möchte verhindern, dass diese Tradition ausstirbt.» Sie unterstützt die Schlaatemer Landfrauen bei Rickli-Auffrischkursen oder wenn ein gemeinsames «Rickle» für ein Fest vor der Tür steht. Ihre Tipps gibt die eingefleischte Rickli-frau gerne an andere weiter. Den eines ist sie sich sicher: «Mit dem Rickli-Rezept alleine, kann man noch lange nicht ricklen.»

Wie entsteht ein Rickli? 
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Auch das «Zuckern» der Ricklis handhabt Marlen genau nach ihrer übernommenen Tradition. Sie nimmt dazu immer einen geklumpten Puderzucker und siebt diesen über die Ricklis. Bild: Nici Peter
Schaffhausen24, Originalmeldung Schaffhauser Bauer, Nici Peter