Man betritt das Lederatelier und sofort hüllt einen der erdige Duft von gegerbtem Leder ein, vermischt mit einem Hauch von Wachs und Öl. Es ist ein warmer, einladender Geruch, der von Handwerkskunst und Tradition erzählt.
Der Verkaufsbereich im «MD LederAtelier» gleicht einer Schatzkammer. Regale und Tische sind gefüllt mit Gürteln, Taschen, Portemonnaies, Schuhen, Sandalen und Schlüsselanhängern. Unter dem gläsernen Tresen glitzern Gürtelschnallen in allen Variationen. Hier könnte man ewig stöbern. Und doch zieht es einen irgendwie direkt rüber in die Werkstatt – dorthin, wo diese Kunstwerke entstehen.
Ladeninhaberin Mary-Salvatrice Catalfamo lacht: «So geht es den meisten unserer Kunden. Sie schätzen es, wenn sie rüber an die Werkbank dürfen.» Dort sitzt man dann zwischen Ledermessern, Polierhölzern, Stanz- und Lochwerkzeugen, Garnen und Zwirnen, alten und neuen Maschinen, trinkt einen Espresso und schaut Ledermeister Domenico Di Cinque bei der Arbeit zu. Es ist eine Mischung aus Neugier und Ehrfurcht, wie ein Blick hinter den Vorhang einer Bühne. Man spürt die Magie des Entstehens.
Nachhaltigkeit wird gross geschrieben
Gerade arbeitet der Italiener an einer Sonderanfertigung: Eine Kundin wünscht sich ein Jass-Etui, in dem sie ihre Karten, die Jasstafel, Kreidestifte und das Schwämmli verstauen kann. Das Leder dazu hat die Wildschwein-Jägerin gleich selbst mitgebracht. Auch das passt ins Konzept des Beringer Ateliers. «Das Leder muss nicht neu sein», erklärt Domenico. «Wenn jemand eine alte Tasche hat, die an manchen Stellen kaputt ist oder nicht mehr gefällt, können wir das Leder wiederverwerten – zum Beispiel für ein Portemonnaie.» In der Schuhmacherei werden nicht nur Schuhe, sondern auch Taschen und Accessoires repariert – inklusive Luxusmarken. Denn Nachhaltigkeit ist hier kein Trend, sondern eine Selbstverständlichkeit. Das zeigt sich auch im Interieur des Ladens: Die Regale stammen aus einer alten Mercerie im Schaffhauser Löwengässchen. «Wir durften sie von der ehemaligen Besitzerin übernehmen und haben sie aufbereitet», freut sich Mary-Salvatrice. Domenico ergänzt ernst: «Wenn ich sehe, in welcher Wegwerfgesellschaft wir leben, tut mir das weh.» Darum halte er es auch in Einkaufszentren kaum aus. «Wenn ich die billig produzierten Schuhe und Taschen sehe, muss ich wegschauen.»