Home Region Sport Schweiz/Ausland Magazin Agenda
Gesundheit
29.01.2025
04.02.2025 15:02 Uhr

Saisonale depressive Symptome sind bekannt und derzeit medial recht populär

Grau in Grau. Wetter und die psychische Verfassung gehen teilweise Hand in Hand.
Grau in Grau. Wetter und die psychische Verfassung gehen teilweise Hand in Hand. Bild: Pixabay
Nebel, Kälte und lange Nächte, gepaart etwa mit Einsamkeit oder Stress werden gerne als «Trigger» für saisonale psychische Probleme angesehen. Dazu führte der «Bock» Interviews und las sich querbeet durch.

Lichterglanz, ausgelassene Stimmung, Glühweinstände, Nachtessen mit Freunden und Familie, Weekendtrip ins wundervoll geschmückte Colmar. So oder ähnlich kann die für viele schönste Zeit des Jahres aussehen – Advent und Weihnachten. Und dann einen Tag auf den nächsten sind die Lichterketten aus, die Feste gehören der Vergangenheit an und ein neues Jahr voller Erwartungen und Hürden beginnt. Der eine oder andere führt Buche oder setzt sich unrealistische Ziele, um mit den teilweise realitätsfremden Social-Media Profilen mitzuhalten. Das Bankkonto ist womöglich auch noch in den roten Zahlen und im Büro flattert eine Hiobsbotschaft ins Hause, die besagt, dass der halben Belegschaft gekündigt wird. Das Resultat ist Stress, Angst oder Selbstzweifel. Und obendrauf scheint auch noch nur selten die Sonne. Willkommen im berühmt berüchtigten «Januarloch». Alles nur ein sich hartnäckig haltender Mythos oder steckt doch eine gewisse Wahrheit darin?

Der vielleicht tristeste Tag des Jahres

Der britische Psychologe Cliff Arnall «erfand» 2005 den «Blue Monday». Dazu stellte er eine Formel auf, die den traurigsten Tag des Jahres berechnen soll. Das Resultat ergab den jeweils dritten Montag im Januar. Also doch. Der Januar ist das dunkle, düstere Tal, bevor es hinauf Richtung Frühling geht. So einfach ist es dann doch nicht. Seine Arbeit wird auch als Pseudowissenschaft angesehen. Unter anderem auch, weil er den «Blue Monday» und dessen Formel erstmalig in einer Medienmitteilung eines Reiseunternehmens veröffentlichte. Also, alles nur Marketing?

Jahreszeit kann Einfluss haben

«Saisonale Akzentuierung, insbesondere depressiver Symptome bei manchen Personen, sind allgemein bekannt und derzeit medial recht populär, obgleich in Diagnosemanualen bisher nicht als eigenständige klinische Bilder geführt», so der 57-jährige Schaffhauser Psychologe Hans Ph. Pletscher. In der psychologischen Praxis seien solche saisonale, atypische melancholische Verstimmungen sehr wohl eine vertraute Tatsache.

«Auch wenn eine Tendenz zur Verschärfung saisonal mitbedingter Stimmungstiefs im Januar oft erwähnt wird, und unter anderem aus den von Ihnen skizierten Gründen auch plausibel erscheinen, lassen meine Erfahrungen in der Praxis keine auffallenden Unterschiede zwischen den Monaten November bis Januar erkennen.» Saisonunabhängig würden gesellschaftliche Normen, obgleich Sie für das Zusammenleben unverzichtbar sind, etwa im Selbstdarstellungs-Wettbewerb sozialer Netzwerke, zu permanentem Zugzwang und dadurch zu Selbstzweifeln und Verunsicherung, mit entsprechend nachteiligen Auswirkungen auf die Affektlage, führen. Dass Menschen, die bereits psychische Probleme hatten, leichter erneut getriggert werden, lasse sich nicht pauschal mit Ja oder Nein beantworten, sagt Pletscher, der seit fast 18 Jahren eine Praxis am Fronwagplatz, Schaffhausen, führt: «Jemand ist nicht jetzt anfälliger, weil er bereits Probleme hatte, sondern weil er allgemein dafür empfänglicher ist.»

Zyklen der Natur ernst nehmen

Bei Ratschlägen verzichte er ganz bewusst auf die Gängigen und durchaus auch Berechtigten. «Gerade saisonal akzentuierte Probleme sollten uns zur Einkehr aufrufen und bewusster werden lassen, dass wir selber ein Teil der Natur sind und dessen Zyklen deshalb ernst nehmen sollten.» Im Konkreten heisse dies etwa, dass im Herbst und Winter ein Herunterfahren und Ruhen in Kargheit von Nöten sein kann, um wieder Kraft zu schöpfen. «Diese innerliche Brache wird durch erzwungene Betriebsamkeit oder Flucht in den Süden umgangen», erklärt der psychologische Spezialist.

«Gerade saisonal akzentuierte Probleme sollten uns zur Einkehr aufrufen und bewusster werden lassen, dass wir selber ein Teil der Natur sind und dessen Zyklen deshalb ernst nehmen sollten.»
Hans Ph. Pletscher, lic. phil. Psychologe aus Schaffhausen

Natürliche Präparate unterstützen

«Aus meiner Sicht ist es kein Mythos, dass im Winter die depressive Verstimmung etwas häufiger oder verstärkt vorkommt. Dabei trifft es wohl vermehrt Menschen, die bereits psychisch instabil waren», findet Karin Jacober, Verantwortliche Apothekerin, Amavita Schaffhausen und fügt an: «Da diese bereits durch allfällige Behandlungen eine Ansprechperson haben, und dadurch nicht zu uns kommen, merken wir im Winter keinen grossen Anstieg der Nachfrage.» Die mit Abstand am häufigsten Krankheitsbilder im Januar seien Grippe- und Erkältungssymptome wie Fieber, Husten, Schnupfen, Halsweh und Gliederschmerzen.

Als Vorbeugung und Unterstützung im Allgemeinen biete die Apotheke der Kundschaft pflanzliche Präparate oder Vitaminpräparate an. «Wir empfehlen gerne Rosenwurz bei beginnenden Burnout-Symptomen. Man kann auch Lavendel, Johanniskraut oder ein gutes Multivitaminprodukt, mit guter Vitamin-B Dosierung, damit kombinieren.»

Gesundheitsfördernde Massnahmen

Im vergangenen Herbst fanden in Schaffhausen zum ersten Mal die «Aktionstage zur psychischen Gesundheit Jugendlicher und junger Erwachsener» der Gesundheitsförderung Schaffhausen statt. Dazu zählte etwa die Veranstaltung «Spiegelbilder» mit Filmvorführung und Podiumsdiskussion im «Meetingpoint» Schaffhausen. In 19 Gemeinden in der Region stehen weiterhin die gelben «Wie geht᾽s dir?»-Bänkli, welche zu Gesprächen mit anderen Menschen einladen. Sich zuzuhören, und über das eigene Wohlbefinden zu sprechen, spendet Kraft, Zuversicht und ein Gemeinschaftsgefühl.

Mythen und Fakten

  • Jugendliche haben keine psychischen Probleme:
    10 bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen leiden weltweit an psychischen Störungen. 9 Prozent der 15 bis 24-Jährigen nahmen 2022 in der Schweiz eine Behandlung in Anspruch
  • Menschen, die an Depression leiden, sehen immer traurig aus:
    Eine Depression ist nicht immer sichtbar, denn sie hat viele Gesichter, wie Verlust von Freude, Reizbarkeit oder Stimmungsschwankungen.
  • Beratungen und ­Therapien sind teuer:
    Es gibt in der Schweiz kostenlose Angebote, wie die Jugendberatung. Die Krankenkasse kann für die Kostenübernahme angefragt werden.
  • Mitarbeitende sind genug geschützt: 
    Jeder zweite Mitarbeitende zeigt einmal etwa Anzeichen von Stress oder Burnout. Und zwei von drei erhalten bei psychischen Problemen nicht die notwendige  Unterstützung.

Quellen: EDI, zhaw, ensa

  • Hans Ph. Pletscher, lic. phil. Psychologe, sieht in der Hypnose eine nützliche Möglichkeit zur Bewältigung eines jahreszeitlich mitbedingten Tiefs. Bild: zVg.
    1 / 3
  • Gemäss dem Bundesamt für Statistik haben psychische Belastungen bei allen Altersgruppen über die Jahre zugenommen, am meisten bei jungen Frauen. Bild: BFS
    2 / 3
  • Von Depressionssymptomen sind gerade junge Frauen, zwischen 15 und 24 Jahren, am häufigsten betroffen Bild: BFS
    3 / 3
Sandro Zoller, Schaffhausen24