Werner Bärtschi ist ein umtriebiger Mann. «Im Musikerleben gibt es nichts anderes», so der 75-Jährige. Seine Gedanken sind von morgens bis abends bei der Musik. Beim Komponieren, Musizieren oder Organisieren. Das Alter bremst ihn nicht aus. Im Gegenteil: «Meine Ideen entstehen heute schneller, werden vielleicht auch radikaler», so der Organisator der 21. Schaffhauser Meisterkurse. Das spüre er in der Art, wie er spiele. In der Jugend sei man zu stark von der Umgebung geprägt. «Seit dies weggefallen ist, haben sich viele neue Möglichkeiten eröffnet.»
Dabei bleibt Bärtschi stets gelassen: «Ich bin kein aufgeregter Mensch, habe auch kein Lampenfieber.» Der italienische Pianist Arturo Benedetti Michelangeli habe ihm einst geraten: «Calmo lavorare!», also mit Ruhe zu arbeiten. «Manche Ratschläge gehen rein und raus, andere bewirken etwas», so Bärtschi. Dieser Rat prägte ihn nachhaltig. Und so wie Michelangelis Rat bei ihm keimte, sollen seine Ratschläge – und die seiner Kollegen – die jungen Musiktalente während der Meisterkurse voranbringen.
Während einer Woche unterrichtet Bärtschi zusammen mit Opernsängerin Vesselina Kasarova, Violinist Giuliano Carmignola und Cellist Wen-Sinn Yang junge Musiker aus aller Welt. Das Besondere an den Kursen: Im Vergleich zum Studium ist der Unterricht nicht instrumentenspezifisch. So ist die Sängerin auch beim Pianisten im Kurs und der Geiger bei der Opernsängerin. «Obwohl dies deutlich in der Anmeldung steht, überrascht es die jungen Musiker zuweilen», sagt Bärtschi.
Die Technik ist zweitrangig
Doch in den Meisterkursen gehe es eben nicht in erster Linie um den Pedalgebrauch oder den Fingersatz. «Vielmehr geht es um die Visionen und die Schönheit der Musik.» Dieses Ziel spiegelt sich auch in den Erlebnissen der Teilnehmer wider. Zu sehen, wie sich jungen Talenten eine neue Welt erschliesse, sei bewegend. «Es wäre aber illusorisch, zu glauben, dass dies fünfmal täglich passiert.» Natürlich versuche man, alle zu erreichen. Aber das sei zuweilen selbst für die Profis herausfordernd. «Manchmal steht eine Sängerin vor mir, die ich nicht kenne und deren Stück ich das erste Mal höre.» Es brauche ein gutes Gespür für die Musik, um das fehlende Etwas herauszulesen. «Die Erfahrung und die vielen Ratschläge, die man selbst über die Jahre erhalten hat, helfen natürlich.»
So würden manche Kursteilnehmer technisch einwandfrei spielen – aber zu vernünftig. «Manchmal braucht es eine willkürliche Dynamik, um etwas besser zu machen.» Gerade in Teams sollten die einzelnen Instrumente im bunten Wechsel miteinander agieren und auch mal instinktiv handeln. Viele würden ihr Forte, also das laute Spiel, zu wenig differenzieren und es bloss aus ihrem Temperament heraus gestalten. «Man schmeisst den Leuten das Forte um die Ohren», so Bärtschi. «Dabei kann man auch laute Stellen sensibel spielen.»
Der Unterricht gehört für den Organisator genauso zu den Höhepunkten der Woche wie das Galakonzert zur Eröffnung im Stadttheater und das grosse Finale mit dem Abschlusskonzert in der Rathauslaube. «Eine Woche lang schwelgen wir im Glück», freut sich Bärtschi.
Er sitzt nachts um vier am Klavier
Die Meisterkurse sind dazumal mit Werner Bärtschi nach Schaffhausen gekommen. Der Komponist zog aus Zürich zu, weil er ein grosszügiges Haus brauchte, wo auch sein Flügel Platz fand. Und: «Wo ich nachts um vier spielen konnte, ohne jemanden zu stören.» Kurz davor wurde an der damaligen Musikschule & Konservatorium Schaffhausen die Berufsabteilung geschlossen. Für Berufsmusiker gab es also nichts Entsprechendes mehr. Werner Bärtschi überlegte sich eine Alternative: «Die Meisterkurse zu organisieren, war für mich ein Leichtes.» Er brauchte nur ein paar Kollegen anzufragen. Dass die Kurse im ersten Jahr einen Fehlstart hatten, lag an der Stadt. «Sie brachte das versprochene Budget nicht zusammen.»
Später hat die Werner Amsler Stiftung die Finanzierung übernommen. An den Kursen selbst hat sich in all den Jahren nicht viel geändert, obwohl die Zahl interessierter Musiker oft weit über die Teilnehmerplätze hinausgeht. Gewachsen sind die Kurse über die vielen Jahre kaum. Und dies ganz bewusst: «Es soll persönlich bleiben. Ich bin überzeugt, dass wir genau die richtige Grösse haben.»
Für die Teilnehmer sind die Kurse, bis auf eine kleine Registrationsgebühr, kostenlos. Die Musiker reisen aus der ganzen Welt an – teilweise bereits zum wiederholten Mal. «Wir haben dieses Jahr Teilnehmer aus 17 verschiedenen Nationen.» Viele von ihnen kommen bei Gastfamilien unter. «Dadurch sind wir mit den Meisterkursen auch in der Bevölkerung verankert», so Bärtschi.
Musikalische Inspiration hautnah
Und auch wenn es in den Kursen selbst nicht um die Öffentlichkeit geht, sondern ganz klar um die Teilnehmer, so sind Besucher beim Unterricht herzlich willkommen. Werner Bärtschi lässt sie sogar ganz nah ran. «Sie sitzen oft zu weit weg und hören dann gar nicht, was wir besprechen. Ich lade sie dann ein, näher heranzurücken.» Und so werden die Meisterkurse für Teilnehmer, Besucher und Organisatoren gleichermassen zum Erfolg. «Am Schluss sind alle glücklich.»
Die Meisterkurse starten am 3. Februar mit einem Galakonzert im Stadttheater mit Vesselina Kasarova, Giuliano Carmignola, Jürg Dähler, Wen-Sinn Yang und Werner Bärtschi. Beim Abschlusskonzert am 8. Februar in der Rathauslaube präsentieren die Kursteilnehmer ihr Können. Zwischen diesen Terminen sind die Hörerinnen und Hörer herzlich eingeladen, dem Unterricht beizuwohnen. Mehr Informationen zum Programm unter: https://meisterkurse.ch/eroeffnungsgala/