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Politik
15.01.2025

Fakten anstelle von Emotionen

Vermögenden Menschen wird teilweise nachgesagt, dass sie finanziell zu wenig für das Gemeinwohl in der Schweiz beisteuern. Dabei liegt der Steueranteil der obersten zehn Prozent der Einkommensbezüger bei mehr als 54 Prozent.
Vermögenden Menschen wird teilweise nachgesagt, dass sie finanziell zu wenig für das Gemeinwohl in der Schweiz beisteuern. Dabei liegt der Steueranteil der obersten zehn Prozent der Einkommensbezüger bei mehr als 54 Prozent. Bild: Pixabay
Der «Bock» bringt jede zweite Woche von Daten untermauerte Feststellungen zu wichtigen Themen, welche die öffentliche Diskussion, oft auch Kampagnen zu Initiativen oder Referenden, prägen. Am Beispiel der ersten Aussage des IWP zeigen wir auf, weshalb es wichtig ist, Untersuchungen ergebnisoffen zu führen: Wer solche Themen anschneidet, muss bereit sein zu akzeptieren, dass das Ergebnis der Analyse nicht die «erhoffte» These untermauert, sondern möglicherweise das Gegenteil beweist. Unzutreffende Aussagen werden zwar durch hartnäckiges Wiederholen nicht «richtig» – aber leider glauben immer Leute solchen «Erzählungen» und verhalten sich bei Wahlen und Abstimmungen entsprechend.

«Ungleichheit» ist ein beliebtes Thema in der Politik sowie den Medien. Auch in der Schweiz wird darüber ein reger Diskurs geführt. Dabei dominieren oft kaum durch eine saubere Analyse der Daten untermauerte Aussagen. Es wird so ein Bild gezeichnet, das von einer immer grösser werdenden Kluft zwischen Arm und Reich in der Schweiz spricht. Aber steht es wirklich so schlecht um die Einkommensverteilung in der Schweiz? Der Verteilungsradar 2024, erarbeitet vom IWP, dem Forschungsinstitut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern, analysiert die Einkommens- und Vermögensverteilung in der Schweiz umfassend. Dabei beleuchtet er sowohl Herausforderungen der heutigen Zeit als auch langfristige Entwicklungen; er greift nur auf harte Fakten zurück, nicht auf subjektive Einschätzungen oder Emotionen. Und genauso verfährt das IWP in seinen Analysen zu anderen wichtigen Fragen: Daten ermitteln, Ergebnis akzeptieren – auch wenn es überrascht, oder gar im Widerspruch zu den eigenen Erwartungen, und somit zum «Mainstream» steht. 

Einkommensverteilung in der Schweiz ist seit 100 Jahren stabil

Gemäss dem IWP-Verteilungsradar 2024 ist die Einkommensverteilung in der Schweiz seit etwa 100 Jahren stabil. Auch in jüngster Zeit hat sich daran nichts Nennenswertes geändert. Die Top-10-Prozent Verdiener erwirtschaften etwa 30 Prozent aller Einkommen. Die obersten ein Prozent vereinen rund zehn Prozent des Gesamteinkommens auf sich. 

Ein Ländervergleich zeigt zudem, dass in der Schweiz die Markteinkommen (vor Umverteilung) besonders gleichmässig verteilt sind. Nach der Umverteilung liegt die Eidgenossenschaft im OECD-Mittelfeld (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Dies rührt wahrscheinlich daher, dass aufgrund der relativ kleinen Einkommensungleichheit die Umverteilung geringer ausfällt.

Die im Vergleich mit anderen Ländern eher geringe Einkommensungleichheit vor Umverteilung sei, so das IWP, das Resultat wichtiger institutioneller Faktoren. Dazu gehören das flexible duale Bildungssystem, der agile Arbeitsmarkt, die direkte Demokratie und das föderale System der Einkommenssteuern.  

Reiche bezahlen über 50 Prozent der Steuern

Für 54,5 Prozent der Bundes-, Kantons-, Gemeinde- und Kirchensteuer sind die obersten zehn Prozent der Einkommensbezüger «verantwortlich». Die obersten ein Prozent der Einkommen zahlen 23,2 Prozent der Steuereinnahmen. Dagegen ist ein Viertel der Haushalte ganz von der direkten Bundessteuer befreit. Diese Daten zeigen die starke Abhängigkeit der Steuereinnahmen vor allem in Gemeinden sowie Kantonen von den Top-Einkommen; da und dort besteht ein gewisses Klumpenrisiko bezüglich Steuereinnahmen.

Trotz der stabil gebliebenen Einkommensverteilung – eine durch Daten unterlegte Feststellung – glauben immer mehr Personen, dass die Ungleichheit bezüglich Verteilung der Einkommen zunehme. So wünscht sich ein immer grösser werdender Anteil der Schweizer Bevölkerung, dass der Staat die Einkommensunterschiede verringert. Stimmten 1987 noch zwölf Prozent dieser Aussage zu, sind es heute 22,8 Prozent.

Zugenommen hat dagegen in den letzten Jahren die Ungleichheit bezüglich Verteilung der Vermögen. Allerdings sind die Aussagen dazu beim Vergleich mit anderen Ländern dahingehend zu prüfen, ob für die Analyse der Schweizer Daten auch die hohen Pensionsguthaben berücksichtigt wurden (was oft nicht der Fall ist). Zudem ist zu beachten, dass ein Teil der Veränderungen der Verteilung auf den Zufluss ausländischen Vermögens und auf die Steigerung der Werte von Unternehmen, Aktien und Immobilien als Folge der tiefen Zinsen zurückzuführen ist. 

Kampagne zur Aufklärung

Das IWP macht seine Forschungsergebnisse öffentlich, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Der Verteilungsradar spielt dabei eine zentrale Rolle für die politische und gesellschaftliche Debatte. Aus Sicht des IWP gibt es nebst diesem Thema weitere, die der Aufmerksamkeit bedürfen. Aus diesem Grund erscheint alle zwei Wochen ein «Block im Bock» mit faktenbasierten Informationen und Daten, die Licht in die oft emotional und subjektiv geprägten Diskussionen bringen sollen.

Sandro Zoller, Schaffhausen24