In einem Artikel analysierte der Historiker Yuval Noah Harari den Ausgang der diesjährigen US-Wahlen und meinte, dass Menschen «starke Geschichten» brauchen, an die sie glauben können und die ihnen Hoffnung geben. Die Geschehnisse 2024 haben mich und viele Menschen, die für demokratische Grundwerte einstehen, fassungslos und zeitweise sprachlos gemacht. Ich hätte nicht geglaubt, dass wieder Menschen gewählt werden, die von Lagern und Deportation und von einer Zweiklassengesellschaft sprechen, die die Vielfalt der Geschlechteridentität in Frage stellen, sowie dass jeder Mensch vor dem Gesetz gleich ist.
Jetzt ist es so eine Sache, wie «politisch» Künstlerinnen und Künstler sein sollen, dürfen, müssen. Vor ein paar Jahren hatte ich eine interessante Diskussion mit meinem damaligen Gitarristen. Er meinte, ich soll bei meinen Texten darauf achten, dass die Themen allgemein gehalten werden, so dass möglichst viele Menschen in ihrer Gesinnung abgeholt werden können. Wirtschaftlich gesehen, müsste man ihm wohl zustimmen, wäre da nicht eine innere Stimme, die nicht fragt, was gefällt, sondern einfach macht, was sie berührt. Man bringt das auf Papier, was man beobachtet, inspiriert von der Umgebung und in ständiger Interaktion mit der Innen- und Aussenwelt. Streicht man die Ecken und Kanten, so streicht man auch die Authentizität und somit die Aussagekraft. Bald darauf trennten sich unsere Wege und ich musste mir einen neuen Gitarristen suchen aber dank der Auseinandersetzung wurde mir die Bedeutung meines eigenen künstlerischen Schaffens bewusster und stärkte mich darin, die Dinge beim Namen zu nennen. Ich sehe darin keine Ausgrenzung, ich sehe darin eine Haltung, die zum Nachdenken anregen kann, die kritisiert werden darf, die aufhorchen lässt und vielleicht auch neue Impulse setzt.
2025 sind wir gefordert, gute Geschichten zu schreiben. Aufgeben ist nie eine Option, auch wenn die Zeichen der Zeit nachdenklich stimmen und man gar nicht weiss, wo man anfangen soll. Haben wir den Mut neue Lebens- und Gedankenmodelle zu kreieren, unabhängig vom Mainstream. Wer könnte das besser als wir Künstlerinnen und Künstler. Denn am Anfang steht immer eine gute Idee – eben eine starke, authentische Geschichte.