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Politik
31.12.2024
31.12.2024 00:42 Uhr

Aufstehen, Zähne putzen und Strukturen ändern

Angela Penkov, SP-Grossstadträtin und Präsidentin des Grossen Stadtrats im Jahr 2025.
Angela Penkov, SP-Grossstadträtin und Präsidentin des Grossen Stadtrats im Jahr 2025. Bild: zVg.
Die SP-Grossstadträtin Angela Penkov blickt mit ihrer Kolumne auf das Jahr 2024 zurück.

Zu den schwersten Dingen im Universum gehören Sonnen, Neutronensterne und schwarze Löcher. Es gibt nur etwas, das schwerer wiegt: am Morgen aufzustehen, wenn einem der Glaube an die Vernunft des Menschen vollständig abhandengekommen zu sein scheint und der Kopf vor vielem Schütteln nur noch lahm herunterhängt. So geschehen am 5. November: Donald Trump setzte sich gegen die hochkompetente Demokratin Kamala Harris durch und wird ab Januar eine weitere Amtszeit als US-Präsident antreten. Ein Instapost von extra3 der ARD fasste die Schwere dieser universellen Ereignisse an diesem Morgen in einer schönen Grafik zusammen und brachte mich – so unmöglich es an diesem Tag schien – zum Lächeln. Und zum Aufstehen.

Ja, wir leben in Schaffhausen. Hier wäre so eine Wahl ja undenkbar. Relativierende Stimmen sagten auch an diesem Morgen: «Mach dir keinen Kopf, jedes Land erhält den Präsidenten, den es verdient.» Und doch sind wir so fest betroffen von der Politik dieser mächtigsten Länder, von alten Strukturen, die bereits so oft bekämpft und aufgebrochen wurden – nur um zu sehen, wie diese wieder zementiert werden. Das Patriarchat wiegt schwer und belastet uns alle, auch wenn wir es noch nicht alle wissen. Und es ist überall spürbar, auch in meinem sogenannten links-aufgeklärten Umfeld. Das machte mich im letzten Jahr zwischenzeitlich müde und ohnmächtig und dann: hässig.

Und wie die Schere das Papier schlägt, schlägt die Hässigkeit die Ohnmacht und macht wieder handlungsfähig. Ich habe mich für die Politik entschieden, weil ich fest daran glaube, dass Veränderung möglich ist, dass Menschen Rechte haben, die von allen eingehalten werden müssen, und die Demokratie die richtige Grundlage dafür bildet. Wenn es mir gelingt, Veränderungen in alltäglichen Machtstrukturen herbeizuführen, indem ich stehen bleibe und auf sie hinweise, auch wenn ich als Spielverderberin gelte, fühle ich mich ermächtigt. Wenn ich dann noch spüre, wie aus dieser Achtsamkeit eine Bewegung wächst, wie sich Frauen solidarisieren und auch Männer ihre Privilegien hinterfragen und sich der Dialog zum Thema «sexualisierte Gewalt» in den letzten Monaten verändert hat, bin ich zuversichtlich für die Zukunft.

Meine Vision der Zukunft ist klar. Sie sieht eine Welt vor, in der Frauen nicht mehr doppelt so hart arbeiten müssen, um ernst genommen zu werden. In der wir nicht mehr an unserer «Eignung» zweifeln müssen, weil andere uns dauernd infrage stellen. Ich sehe eine Welt, in der Frauen endlich gleichberechtigt in der Politik und in der Gesellschaft vertreten sind – ohne sich ständig dafür rechtfertigen zu müssen.

Nun freue ich mich, nächstes Jahr den Bock zu besteigen, den Grossen Stadtrat zu präsidieren und der Ratsglocke einen links-feministischen Klang zu verleihen. Gerne berichte ich hier an dieser Stelle in einem Jahr, wie gut mir das gelungen ist.

Schaffhausen24