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Kanton
24.12.2024
23.12.2024 15:24 Uhr

«So wie du bist, bist du ok»

Eine Ratte, eine Fledermaus, noch eine Ratte, eine Kröte und eine Spinne (v.l.) kommen ins Grübeln: «Vielleicht sind wir doch nicht so fürchterlich?»
Eine Ratte, eine Fledermaus, noch eine Ratte, eine Kröte und eine Spinne (v.l.) kommen ins Grübeln: «Vielleicht sind wir doch nicht so fürchterlich?» Bild: Claudia Riedel
Vorhang auf für Menschen mit Behinderungen: Der «Bock» war vergangenen Freitag bei der Generalprobe des Altra-Spiels «Die fürchterlichen Sechs» dabei und verliess das Stadttheater nicht nur mit viel Respekt für die Leistungen der Protagonisten und Organisatoren, sondern dank des Chors «Altra-Voce» auch mit einem Ohrwurm.

«Die Welt teilt sich in zwei Hälften: In die Hässlichen und die Schönen», sagt die Fledermaus. Sie zählt sich selbst zu den Hässlichen. Denkt sogar, sie sei das hässlichste Tier auf der Welt. Doch diesen Titel streitig machen ihr eine Spinne, zwei Ratten, eine Hyäne und eine Kröte. Sie alle leben ausgegrenzt, werden ausgelacht und von den andern fertiggemacht. Beim Stück «Die fürchterlichen Sechs», geschrieben und inszeniert von Thorsten Meito, geht es um Akzeptanz, Toleranz und Respekt – sowohl für andere als auch für sich selbst.

«Der Zusammenhalt ist das Wichtigste»

Eine Botschaft, die die Protagonisten nicht nur auf, sondern auch neben der Bühne verkörpern. Nicole Widmer, erste Erzählerin im Stück, sagt: «Der Zusammenhalt ist das Wichtigste.» Und Yvonne Hauser, die im «Altra-Voce-Chor» für die richtige Atmosphäre im Theater und für den einen oder anderen Ohrwurm bei den Besuchern sorgt, findet: «Ich singe gerne im Chor, weil es meiner Seele guttut und weil ich hier Freunde gefunden habe.» Eine davon ist Sue Schütt, die auf der Bühne nicht nur einen Engel spielt, sondern auch rappt und weiss: «Ich kann auf meine Kollegen zählen, wenn ich mal einen Texthänger habe.» 

  • Zu Jöri Hausers Lieblingsliedern auf der Handorgel gehören «Blos e chlini Stadt» und «Über den Wolken». Bild: Claudia Riedel
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  • Die Welt durch eine rosarote Brille zu sehen, ist irgendwie auch nicht die Lösung. Die Fledermaus ist sich sogar sicher: «Die Welt ist nicht rosa. Nicht für dich und nicht für mich!» Bild: Claudia Riedel
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  • Alex Borel als Storch. «Erst hätte ich lieber eine andere Rolle gehabt. Am Schluss hats gepasst.» Bild: Claudia Riedel
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  • Für Erzählerin Nicole Widmer ist der Zusammenhalt das Wichtigste. «Ich brauche das wie Luft.» Bild: Claudia Riedel
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  • Jens Förster (l.) und Thorsten Meito sind zufrieden: «Es ist immer ein schönes Erlebnis.» Bild: Claudia Riedel
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  • Auf und hinter der Bühne wird getanzt, gesungen und gelacht. 45 Personen sind in das Projekt involviert und geben alles. Bild: Claudia Riedel
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  • Sue Schütt spielt einen Engel und rappt auf der Bühne. Bild: Claudia Riedel
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  • Matthias Keller spielt die Hyäne auf der Bühne. Seine Texte lernt er mit System. Bild: Claudia Riedel
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  • Yvonne Hauser singt sehr gerne im Chor: «Es tut meiner Seele gut.» Bild: Claudia Riedel
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Bei der Umsetzung flexibel sein

Das Altra-Spiel entstand 2003 – damals noch als reine Gesangsaufführung. Seitdem hat es sich stetig weiterentwickelt und fand unter anderem im Pavillon im Park, in der Kirche Steig oder in der Dreifachhalle in Schaffhausen statt. Seit 2007 ist man nun im Stadttheater.
Jens Förster, Theaterleiter und Mitorganisator des Projekts, ist bereits das zwölfte Mal dabei. Auch wenn man viele Protagonisten nach all den Jahren kenne: «Wir haben ein Grundteam, bei dem wissen wir, was möglich ist», sagt Förster. Dennoch sei es immer wieder aufs Neue spannend. «Wir starten immer bei Punkt Null.» Bei der Planung und Umsetzung der Stücke müsse man flexibel sein, so Förster. Und Regisseur Thorsten Meito ergänzt: «Aber nur im Sinne der Geschichte flexibel. Von Selbstdarstellern bin ich kein Freund.» Denn letztlich soll das Stück auch gut und stimmig sein. Schliesslich habe man lange dafür gearbeitet. Die Proben laufen seit August. Und wie schnell sind die Rollen jeweils verteilt? Thorsten Meito und Jens Förster lachen: «Es gibt immer Diskussionen.» Oft wünschen sich die Protagonisten mehr Text oder andere Rollen. So fühlte sich beispielsweise Alex Borel anfangs gar nicht zum Storchen berufen, einem Bösewicht, der der Kröte an den Kragen will.  «Thorsten hat mir den Storch einfach zugeteilt, das fand ich zuerst gar nicht so gut», so Borel. Aber schlussendlich sei er mit seiner Rolle zufrieden gewesen. «Der Regisseur hat eben immer recht», grinst Thorsten Meito. 

Nicht auf die leichte Schulter nehmen

Eine grosse Bühnenpräsenz hat Hauptdarsteller Thomas Enderli als Kröte mit Zylinder und rotem Seidenmantel. Obwohl er schon viele Jahre dabei ist, nimmt er das Spiel nicht auf die leichte Schulter. «Die Abstimmung ist das Schwierigste. Das Timing muss stimmen. Man muss aufpassen, dass man nicht zu früh einsetzt.» Und das Textlernen ist natürlich auch nicht ohne. Matthias Keller, der als Hyäne als letztes Tier zur Gruppe der «fürchterlichen Sechs» stösst, lernt seine Texte mit System. «Ich mache mir immer einen Plan und lerne täglich mindestens zehn Minuten.» Das sei manchmal ein Krampf. «Aber wenn es Applaus gibt, hat sich die Mühe gelohnt.» Und den gibt es in jedem Fall. Die Fürchterlichen erkennen, sie sind doch ganz charmant und okay, so wie sie sind. Und das strahlen sie dann auch aus. Und plötzlich ist die Welt nicht mehr aufgeteilt in Hässlich und Schön, sondern alles wird eins. Oder wie die Hyäne sagt: «Du, du, du, du, du und ich, das sind mir. Und das isch Inklusion.»

«Die fürchterlichen Sechs» ist eine Eigenproduktion inspiriert von Wolf Erlbruchs Kinderbuchklassiker «Die fürchterlichen Fünf». Am Freitag wurde das traditionelle Altra-Spiel den 650 Mitarbeitenden der Altra sowie deren Freunden, Bekannten und Zugewandten gezeigt. 

Claudia Riedel