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Kultur
03.12.2024

Der Schaffhauser Schatz

Das ist lediglich ein Bruchteil des riesigen «Schaffhauser Schatzes» von Bruno Sternegg, dennoch deutet dieses Sammelbild darauf hin, dass inmitten dieses gesamten Fundus’ ein Grossteil der Schaffhauser Geschichte dokumentiert ist. Nebst Bilder sind auch Filmmaterial, antiquare Sammlerstücke, Bücher, Dokumente und viele weitere Antiquitäten zu finden. 
Das ist lediglich ein Bruchteil des riesigen «Schaffhauser Schatzes» von Bruno Sternegg, dennoch deutet dieses Sammelbild darauf hin, dass inmitten dieses gesamten Fundus’ ein Grossteil der Schaffhauser Geschichte dokumentiert ist. Nebst Bilder sind auch Filmmaterial, antiquare Sammlerstücke, Bücher, Dokumente und viele weitere Antiquitäten zu finden.  Bild: Bruno Sternegg
Seit unzähligen Jahren dokumentiert Bruno Sternegg die Geschichte von Stadt und Kanton Schaffhausen. Mit Herzblut und unermüdlichem Einsatz hat der Sammler und Fotograf ein einzigartiges Kulturgut geschaffen. Doch nun sucht er Nachfolger und finanzielle Unterstützung, um sein Werk zu vollenden.

Wer sich mit der eigenen Heimat befasst, interessiert sich in der Regel auch, wie sich diese im Laufe der Jahrzehnte verändert oder entwickelt hat. Jüngere Generationen staunen darüber, dass bis vor etwas mehr als 50 Jahren in der Altstadt noch Mobilitätsverkehr herrschte, oder dass die heutige Verkehrsführung an der Rheinuferstrasse erst 1969 eingeweiht wurde. Unvorstellbar, dass einst auf Höhe der Falken Brauerei auf der Spitzwiese Schlittschuh gelaufen wurde oder wie sich das Stadtbild durch Neubauten verändert hat und sich im steten Wandel befindet. Vergessenes kommt zutage, wenn beispielsweise Fotomaterial bei Haushaltsräumungen gesichtet wird. Was nicht in den Abfall wandert, landet in einem Archiv. Sei es im Stadtarchiv, Staatsarchiv oder bei privaten Sammler.

Durchbruch Tonwerk

Einer dieser Privaten ist in Schaffhausen kein Unbekannter. Der passionierte Fotograf Bruno Sternegg ist nämlich Hüter einer solchen Sammlung, die wohl Seinesgleichen sucht. Dokumente, Bücher, Filme, sogar Glasplatten gehören dazu. Es ist sehr wahrscheinlich eine der grössten Schaffhauser Ansammlungen rundherum. Doch eben auch Zehntausende Bilddokumentationen zieren die Entwicklung der Region Schaffhausen. Mehrere Faktoren führten dazu, dass der 57-Jährige einen solchen Schaffhauser Schatz besitzt. «Während meiner Ausbildung zum Hochbauzeichner fand ich eines Tages eine Bibel aus dem 17. Jahrhundert», erzählt er. Dies habe ihm sozusagen den Ärmel reingezogen. Später machte sich Sternegg selbständig und vertiefte sich in der Antiquitätenbranche. So kamen regelmässig Räumungsaufträge zustande. Sein Durchbruch war, als er für das Tonwerk in Lohn eine geschichtsträchtige Dokumentation zusammenstellte. Das war vor rund 14 Jahren.

Vom Herzblut getrieben

Dadurch, dass sich Bruno Sternegg nicht zuletzt durch seinen beruflichen Background ein fundiertes Wissen aneignete, entwickelte sich der Schaffhauser zu einem wahren Experten der Schaffhauser Geschichte. «Da ich in Schaffhausen geboren wurde und hier aufwuchs, dachte ich immer, ich wisse sehr viel über Stadt und Kanton», lacht er. Doch weit gefehlt: «Im Laufe der Zeit entdeckte ich viele Zusammenhänge, die mir vorher nie bewusst waren und lernte zu vielen Geschichte die Hintergründe kennen.» Sternegg begann, Ordnung in diesem riesigen Archiv zu schaffen. Er digitalisierte abertausende Fotografien, sortierte diese akribisch und gestaltete dazu eine Website. Vom Herzblut getrieben, intensivierte der autodidaktische Historiker seine Arbeit während unzähligen Wochen, Monaten und Jahren. Zudem besuchte er Auktionen, reiste viel, klapperte diverse Läden im In- und Ausland ab, ging allen möglichen Spuren nach und recherchierte in jede Richtung. Im Mai 2014 eröffnete Bruno Sternegg auf Facebook die Gruppe «Schaffhausen Nostalgie», um ein paar fotografische Werke Interessierten zu präsentieren. «Das Interesse seitens der Facebook-User stieg kontinuierlich, während mir immer mehr Menschen Sammlungen von Nachlässen oder Räumungen vermachten», beschreibt er die Entwicklung. Später kam noch eine zweite Website dazu. «Nebst dem Kanton Schaffhausen ist auch das ganze Hegaugebiet sensationell dokumentiert», ergänzt Sternegg, 

Ein kleines Sammelsurium an historischen Fotografien aus den vergangenen hundert und mehr Jahren. Was geschieht damit in Zukunft? Das fragt sich der Schaffhauser Sammler Bruno Sternegg. Bild: Bruno Sternegg

Interesse versus Finanzen

Doch Bruno Sternegg ist mittlerweile an seine Grenzen gestossen. «Aus dem ganzen Fundus an Material sind rund 40 Prozent einheitlich digitalisiert und dokumentiert. Der Rest wartet noch darauf, um verarbeitet zu werden.» Alleine durch seine Leidenschaft hat er zwar eine unglaubliche Leistung vollbracht, doch die Arbeit zeigt auch Schattenseiten auf. Der finanzielle Aspekt ist ebenfalls ein Teil dieser Grenzen. «Ich kann es mir irgendwann nicht mehr leisten, den ganzen Unterhalt zu finanzieren», gibt er zu. Kommt hinzu, dass Sternegg spätestens in zehn Jahren nach Thailand zu seiner Frau zieht und dort seinen Lebensabend verbringen wird. Es ist ihm ein grosses Anliegen, bis dann seine Arbeit, sofern es möglich ist, abzuschliessen und die komplette Sammlung in vertraute Hände, wie er sagt, übergeben zu können. Dieses Vorhaben ist gar nicht so einfach, wie sich das anhört, denn der künftige Empfänger ist auf ein ähnlich starkes Know-how angewiesen, um diese privilegierte Aufgabe weiterzuführen. Sternegg rechnet damit, dass die noch offenen Aufgaben, inklusive Sortieren und Digitalisieren, bei einem 100-Prozent-Pensum rund zwei Jahre dauern. Ebenfalls in Planung sei ein Vorher-Nachher-Buch. «Das Interesse seitens der Bevölkerung ist wirklich immens», bekräftigt er. Das zeigen auch die Reaktionen in der Facebook-Gruppe, die nicht weniger als 9200 Follower vorweist.

 

Wertvolles Kulturgut

Was wäre denn Bruno Sterneggs Wunschszenario? «Man darf schon sagen, dass es sich hier um wertvolles Kulturgut aus der Region handelt», antwortet er. «Eigentlich müssten Stadt und Kanton Schaffhausen das grösste Interesse haben, in den Besitz dieser zeitgeschichtlichen Dokumentationen zu gelangen.» Es gebe jedoch auch Sammler, die bereits ein Auge darauf geworfen haben. «Mein grösster Wunsch wäre, wenn ich die komplette Sammlung abgeben könnte», so Sternegg weiter. Im Gegenzug soll eine finanzielle Sicherheit gesprochen werden, um die Digitalisierung abzuschliessen. Dazu gehört auch die Realisierung des Vorher-Nachher-Buchs und als Höhepunkt eine grosse Ausstellung. Um das alles umzusetzen und eine saubere Übergabe in die Wege zu leiten, ist auch ein finanzieller Aufwand vonnöten. «Die Geschichte soll seriös weiter gestaltet werden, gerade wenn künftig neue Sammlungen aufgrund von Räumungen dazustossen», hofft der Schaffhauser. «Aber», bekräftigt der Archivar, «ich möchte die Gewissheit haben, dass die Finanzierung gewährleistet ist, damit ich mit gutem Gewissen einen Schlussstrich unter meine getane Arbeit ziehen kann».

Ronny Bien, Schaffhausen24