Samstagmorgen in der Vordergasse und auf dem Fronwagplatz: Überall stehen Stände und Plakate, die auf die bevorstehenden Kantonsratswahlen aufmerksam machen. Es werden Flyer verteilt und das Gespräch mit den Passant:innen gesucht. Denn in gut zwei Wochen entscheidet das Schaffhauser Stimmvolk, wer sich von den rund 568 Kandidat:innen einen Platz im Kantonsrat erarbeiten kann. Insgesamt 15 Listen wurden von den Parteien eingereicht. Neben den bisherigen Parteien, welche die 60 Sitze im Schaffhauser Kantonsrat besetzen, haben auch die Jungfreisinnigen und die JUSO ihre Wahlvorschläge eingereicht. Doch welche politischen Persönlichkeiten stecken hinter diesen Kandidat:innen? Wir haben bei den Jüngsten und den Ältesten nachgefragt. Julian Marti ist 19 Jahre alt und seit Anfang Jahr Co-Präsident der JUSO Schaffhausen. Zurzeit macht er die Matura. Ruth Zimmermann ist 92 Jahre alt und Mitglied der SVP-Senioren. Vor ihrer Pensionierung war sie Hauswirtschaftslehrerin.
«Bock»: Wieso haben Sie sich für die Kantonratswahlen aufstellen lassen?
Julian Marti: Wenn wir heute das Schaffhauser Kantonsparlament anschauen, ist es für mich weit von einer gerechten Repräsentation der Schaffhauser Gesellschaft entfernt. Über die Hälfte der Parlamentarier:innen sind über 60 und wir haben den drittkleinsten Finta-Anteil (Frauen, Inter, Non-binär, Trans, Agender) aller Kantonsparlamente der Schweiz. Im Sinne einer starken Demokratie gilt es dies zu ändern und ich bin davon überzeugt, dass unser Engagement diese Veränderung bringen kann.
Ruth Zimmermann: Dass ich als älteste Kandidatin für den Kantonsrat aufgeführt bin hängt primär mit dem seltsamen, vom Volk angenommenen Wahlprozedere zusammen. Meine Chancen sind absolut gleich Null. Die Schaffhauser Politik interessiert mich in meinem hohen Alter aber noch immer, weshalb ich das Einverständnis als Lückenbüsserin erteilte. Es ist schliesslich bei vielen zur Wahl stehenden Personen seit Jahren dasselbe Spiel. Letzthin geht es auch bei diesen Wahlen noch nicht um Politik, sondern nur um Machtkämpfe für Sitzanteile der Parteien.
Wie machen Sie auf sich aufmerksam, um Stimmen zu erhalten?
Marti: Wir bieten Schaffhausen eine konsequent linke Liste, die zu ihren Überzeugungen steht und bereit ist, für diese zu kämpfen. Ich bin unglaublich stolz, ein Teil davon zu sein. Neben unseren Plakaten sind wir in den Sozialen Medien präsent, wo wir durch Videos und informative Inhalte versuchen, die prekäre Situation im politischen Schaffhausen aufzuzeigen und unsere Standpunkte und Lösungen näherzubringen. Ebenfalls sind wir auf den Strassen, wo wir interessante Gespräche führen und unsere Flyer verteilen. Dazu kommen unsere Postkarten, mit denen wir unser eigenes Umfeld zum Wählen auffordern.
Zimmermann: Betreffend Aufmerksamkeit erwecken genügt für mich, als ehemalige Hauswirtschaftslehrerin – mit Zusatzaufgaben wie Vermitteln von Lehrstellen ausserhalb des Schulbetriebes für meine Schülerinnen und die Allgemeinheit während Jahren – einstmals genug getan zu haben.
Was wollen Sie in Zukunft mit Ihrer Stimme im Schaffhauser Kantonsrat bewirken?
Marti: In erster Linie mit einer sozialen Stimme gegen das bürgerliche Parlament ankämpfen und dafür sorgen, dass unsere Anliegen, sei es in der Gesundheits-, Energie- oder Bildungspolitik, einen besseren Stellenwert kriegen. Dazu kommt, dass ich mit meinen persönlichen Erfahrungen als junger Schaffhauser neue und spannende Perspektiven in den Diskurs bringen möchte. Speziell in den Bereichen der Kultur oder bei gesellschaftspolitischen Themen kommen die Gedanken der Jungen viel zu kurz.
Zimmermann: Mit meiner Stimme will ich verhindern, dass die Bearbeitung kantonaler Anliegen nicht von lebensunerfahrenen, pubertierenden Studierenden als politisches Theater benutzt wird. Eine Veränderung der Politik ist bekanntlich nur mit Mehrheiten zu erreichen. Vernunft und Realität muss die Oberhand behalten und darf nicht unter die Macht der Ideologie fallen.
Altersunterschied in der Politik – was ist Ihre Meinung dazu?
Marti: Die Frage ist, wie man mit dem Altersunterschied umgeht. Da sehe ich zum einen natürlich die Jungen in der Verantwortung, sich einzubringen. Zum anderen liegt es aber auch an den Älteren, sich auf die Diskussion einzulassen und verstehen zu wollen, dass wir in komplett anderen Situationen aufgewachsen und sozialisiert worden sind und anders auf einige Streitpunkte schauen. Es kann nicht sein, dass die Ideen von – übrigens allen – Jungparteien weiterhin einfach als utopisch abgestempelt werden. Zur kurzen Veranschaulichung: Stellen Sie sich vor, wo wir gerade ohne die Klimastreik-Bewegung stünden.
Zimmermann: Altersunterschiede führend nur dann zu einem guten Resultat, wenn einander ohne Vorurteile zugehört und diskutiert werden kann.