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Kultur
27.08.2024
30.08.2024 09:23 Uhr

Poesie am Scheideweg

Rund zwanzig Wortkombinationen sind auf dem gesamten Waldfriedhofgelände verteilt. Mit einer im Flyer integrierten Karte können diese auf einem ausgedehnten Rundkurs entdeckt werden. Entweder auf eigene Faust oder dann mit dem Künstler Matthias Zurbrügg, der an acht Wochenenddaten den Spaziergang mit Geschichten moderiert und von Trompeter Beat Bossart musikalisch begleitet wird.
Rund zwanzig Wortkombinationen sind auf dem gesamten Waldfriedhofgelände verteilt. Mit einer im Flyer integrierten Karte können diese auf einem ausgedehnten Rundkurs entdeckt werden. Entweder auf eigene Faust oder dann mit dem Künstler Matthias Zurbrügg, der an acht Wochenenddaten den Spaziergang mit Geschichten moderiert und von Trompeter Beat Bossart musikalisch begleitet wird. Bild: zVg. / Matthias Zurbrügg
Den Waldfriedhof kennt die Schaffhauser Bevölkerung insbesondere als Besinnungsort und Ort des Abschieds. Doch der Rheinhardwald erfährt nun auch vermehrt Leben. Dies in Form einer Kunstausstellung mit Worten und lyrischen Trompetenklängen. Der Wortkünstler Matthias Zurbrügg eröffnet am kommenden Sonntag, 1. September, mit seiner Vernissage mit einem begehbaren Rundkurs durch den Waldfriedhof.

Mit der Idylle, wenn auch leicht gezuckert mit etwas Mystik, die der Waldfriedhof verbreitet, lässt sich der Alltag schnell entschleunigen. Kein Baulärm, kein Verkehr; einzig der Wald spricht mit dem Rauschen der Buchenblätter, dem Vogelgezwitscher und einem leichten Geschmatze eines Rehrudels, welches genüsslich und ohne Scheu wenige Meter nebenan ihren Natursnack verspeisen. «Man will sie offenbar weghaben, weil die Rehe die Grabbepflanzung wegfressen», weiss der Künstler Matthias Zurbrügg zu berichten. Immerhin wohnen die hier auf dieser 17 Hektaren grossen Waldfläche. Quasi ein provisorischer Bewohner ist momentan auch der gebürtige Zürcher, hat er im Waldfriedhof etwas ganz Besonderes vor.

Spaziergang als Bühne nutzen

In Fällanden ZH gross geworden, hat es Matthias Zurbrügg schnell in kreative Umfelder verschlagen. Nach seiner Lehre als Hochbauzeichner, hängte er eine weitere Ausbildung als Bewegungsschauspieler dazu, schloss sich dem Theaterzirkus Wunderplunder an und besuchte einen Kurs im Improvisationstheater. 2001 dislozierte Zurbrügg nach Utzigen BE und liess sich dort zur Lehrperson für Menschen mit geistiger Behinderung ausbilden. Und war da Teil des Ensembles der Trashrevue «Kurtli» und spezialisierte sich ab 2006 auf Theaterspaziergänge in Bern und Thun. 2011 führte eine solche Produktion auf den Schosshaldenfriedhof in Bern, bei dem Matthias Zurbrügg das Stück «Heinrich von Kleist –  Komm, lass uns etwas Gutes tun und dabei sterben» produzierte. Weitere Friedhofspaziergänge in Theaterform, wie «Der Blutfürst oder die Kunst des Sterbens» folgten. 2016 erweiterte der Künstler seine kreative Vielfalt, indem er Worte aus Holz in Landschaften inszenierte. Diese brachte ihn unter anderem vor drei Jahren an die Kunstausstellung «Chaos und Zuversicht» im Höfli 7 in Herblingen.

Schlafen im Waldfriedhof ist dank Matthias Zurbrüggs Kunstrundgang möglich. Bild: zVg. / Matthias Zurbrügg

Tierfreundliches E

Seit fast einem Monat ist Matthias Zurbrügg damit beschäftigt, Worte in Form von raffinierten Buchstabenkombinationen im gesamten Waldfriedhof auf einem Rundkurs zu befestigen. «Eine Millimeterarbeit ist das», schmunzelt er. Ohnehin ist das Setzen eines Wortes mit viel Aufwand verbunden. «Als erstes muss das Wort selbst zur Umgebung passen, danach auch gestalterisch im Einklang stehen.» Mittlerweile besitzt er ein Lager mit Buchstaben in allen Grössen, die je nach Situation vor Ort zum Einsatz kommen. «Beim Wort ‹Tor› verwende ich normalerweise das Vier-Meter O, hier entschied ich mich für den drei Meter grossen Vokal», erklärt Zurbrügg. Die Letter werden danach präzis mit Wasserwaage befestigt, einzig die schwimmenden Elemente, die sich im Wasser dynamisch verändern und dadurch verschiedene Wortkombinationen entstehen. «Huch, wie hat es denn dieser Tausendfüssler auf das schwimmende E geschafft?» Dieses treibt in der Mitte eines Stehgewässers. «In Basel hatte eine Ente ebenfalls das E in Beschlag genommen», lacht der Wortkünstler. Nebst all den Begriffen und Wortspielen hat Matthias Zurbrügg auch noch knapp ein Dutzend Wegweiser eingepfählt. «Unser Spaziergang ist für mich auch gleich ein Test, um zu sehen, ob die Leute den richtigen Weg nehmen. Aber mir wäre es fast lieber, wenn die im Flyer enthaltene Karte zur Verwendung kommt, das ist noch viel spannender», schmunzelt er.

Premiere am nächsten Sonntag

Nachdem am kommenden Freitag das erfolgreiche Szenario an selber Stelle ihre Dernière feiern wird, erfolgt am Sonntag, 1. September, 13.30 Uhr, Matthias Zurbrüggs Premiere mit der anschliessenden Vernissage. Dabei wird er mit dem Publikum den Rundgang bestreiten und Literatur und Poesie inszeniert vortragen. «ZEIT LOS LASSEN – Poesie am Ort der letzten Ruhe» wird zum Schmelztiegel visueller und hörbarer Wortkunst, die zu Gedankenspiele verleiten, aber auch, um innezuhalten. Mit der musikalischen Begleitung an der Trompete umrahmt der Schaffhauser Trompeter Beat Bossart mit lyrischen Klängen diesen einzigartigen Spaziergang, der bis zum 3. November an insgesamt acht Wochenenddaten durchgeführt wird.

Die Ausstellung im Waldfriedhof dauert vom 1. September bis 3. November. Alle Infos und Anmeldungen sind unter matthiaszurbruegg.ch zu entnehmen.

Daten der Spaziergänge:

So, 1. September - 13.30 Uhr - Premiere, anschliessend Vernissage
Sa, 7. September - 18 Uhr
So, 8. September - 14 Uhr
Sa, 5. Oktober - 17 Uhr
So, 6. Oktober - 14 Uhr
Sa, 19. Oktober - 17 Uhr
So, 20. Oktober - 14 Uhr
Sa, 2. November - 15 Uhr
So, 3. November - 14 Uhr - Dernière, anschliessend Finissage
Anmeldungen, Reservationen unter +41 77 454 18 44 oder matthias.zurbruegg@mesarts.ch

Interessierte Besuchende können den Spaziergang anhand des am Eingang aufgelegten Flyers mit integrierter Karte auf eigene Faust erkunden.

Ronny Bien, Schaffhausen24
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