Seit Wochen führen die Regenfälle in verschiedenen Regionen der Schweiz zu Hochwasser. Auch am Rheinfall sind die übermässigen Wassermassen zu sehen. Obwohl das Naturspektakel gigantisch aussieht und viele Besucher:innen anlockt, haben der viele Regen und das Hochwasser für einige verheerende Folgen. So auch für den Kunstraum Reinart, der sich schon seit 13 Jahren im Mühleradhaus befindet. «Das Haus ist schon seit Jahren renovierungsbedürftig», berichtet Tom Schneider, Präsident des Reinart Kunstraums. «Das Wasser tritt durch die Wände, die Decke und drückt sogar durch den Boden in das Gebäude.» Schon früher kämpfte der Kunstraum bei viel Regen, Schmelzwasser oder im Winter mit diesem Problem. «Seit das Bistro oberhalb des Kunstraums renoviert wurde, ist es noch viel schlimmer geworden. Grund dafür sind die Risse im Vorplatz, durch welche das Wasser durchsickert und bei uns von der Decke tropft.» Die Unmengen an Regenfällen in den letzten Wochen verschlimmerten die Situation stetig. Wände sind voller Schimmel und Rost, kleine Wasserlachen bilden sich und ein Raum stand sogar zehn Zentimeter unter Wasser.
Kunst retten
«Eine Luftfeuchtigkeit von 50 bis 60 Prozent liegt im normalen Bereich», so Schneider. «Mit einem Hygrometer haben wir bei uns eine Luftfeuchtigkeit von 90 bis 95 Prozent gemessen.» Darunter leiden vor allem Papierarbeiten, die sich durch die hohe Luftfeuchtigkeit wellen. «Wir mussten umgehend eine Lösung finden, bevor die Kunst noch mehr Schäden davonträgt.» Nachdem Tom Schneider mit dem Kulturgüterschutz, dem Tiefbauchef der Gemeinde Neuhausen sowie dem Kulturreferenten gesprochen hatte, wurden ihm glücklicherweise zwei Lagerräume in Neuhausen angeboten. «Wenn ich den Vertrag bekomme, werde ich die Kunst umgehend in die Lagerräume transportieren.» Nur noch feuchtigkeitsresistente Kunst wie Öl-Bilder, Skulpturen aus Stein und Eisen und Installationen werden im Kunstraum bleiben.
Destinationsstrategie
Anfang 2025 soll die Gebäudehülle der Mühle renoviert werden. Doch nicht nur die Mühle, sondern alle Gebäude auf Schaffhauser Seite sollen erneuert werden, denn der Kanton Schaffhausen plant eine umfassende Weiterentwicklung des Rheinfalls. Mit einer neuen Destinationsstrategie und der Gründung der «Managementgesellschaft Rheinfall» soll die Attraktivität des Rheinfalls gesteigert und die Aufenthaltsdauer der jährlich rund 1,9 Millionen Besucher verlängert werden. Ab dem 1. April 2025 sucht der Kanton neue Betreiber für Gastronomie- und Schifffahrtsangebote, denn die Verträge mit dem aktuellen Betreiber, Rheinfall Betriebs AG, laufen Ende des Jahres aus. Diese werden in einem zweistufigen Verfahren ausgeschrieben. Die Ausschreibung umfasst drei Lose: Gastronomiebetrieb, Schifffahrtsbetrieb und die Koordination aller Leistungen. Bis am 3. Juli konnten sich Interessierte für ein oder mehrere Lose bewerben. In den nächsten Tagen wird der Kanton diese prüfen und dann erfolgt die zweite Stufe des Ausschreibungsverfahrens. Da Tom Schneider den Kunstraum von Thomas Mändli, dem Geschäftsführer der Rheinfall Betriebs AG gemietet hat, wird er wahrscheinlich nicht mehr in das Mühleradhaus zurückkehren können. «Wir würden gerne mit dem Kunstraum am Rheinfall bleiben», meint auch der Künstler Olivier Schlund. Angedacht wäre eine Kulturmühle für alle Menschen aus nah und fern. Essen und Trinken aus lokalen Produkten in der Mühle geniessen und zudem im Dachstuhl übernachten. Die Lokalität könnte man auch vermieten, zum Beispiel für Geburtstage, Klassentreffen, Weihnachtsessen und Hochzeiten. Kulinarisch, musikalisch und kulturell ein Wohlfühlkarussell. Denkbar wäre auch vom Vorplatz her ein begehbarer Balkon um das ganze Gebäude. Die aufwendigen, aber wertvollen Sanierungen sollen von der Öffentlichen Hand als auch von Privaten und Stiftungen finanziert werden. «Leider haben wir aber bei der Bewerbung wenig Chancen», fügt Schlund weiter hinzu.
Suche nach einer neuen Bleibe
Aufgrund der aktuellen Lage schaut sich Tom Schneider nach anderen Optionen um. Am liebsten möchte er mit seiner Kunst in Neuhausen bleiben. «Das leerstehende Kino, welches zuvor der Cinevox Junior Company gehörte, wäre das Nonplusultra für unsere Tätigkeit.» Dieses Gebäude ist aus architektonischer Sicht ein Leuchtturm, erbaut vom Star-Designer Max Bill. Es eignet sich mit dem Foyer und den Schaufenstern zur Strasse hervorragend als Schnittstelle zur Öffentlichkeit. Unterstützung bekäme Tom Schneider von seinem Bruder Nicola. Zudem wäre eine Fusion mit Lokal Winterthur und Zürich denkbar. «Momentan sind wir ein Zirkus ohne Zelt», sagt Tom Schneider. «Bis wir eine Lösung gefunden haben, versuchen wir nächstes Jahr Pop-up-Ausstellungen in verschiedenen Lokalen oder Openair-Ausstellungen zu organisieren.»