«Bock»: Gianluca Looser, Sie haben am 1. Juli, zusammen mit Urs Wohlgemuth und Tim Bucher, eine Motion im Kantonsrat eingereicht, welche sogenannte Konversionsmassnahmen verbieten soll. Was steckt hinter dem Begriff «Konversion»?
Gianluca Looser: Der Begriff «Konversion» bedeutet in diesem Fall in etwa «Umpolung». Insofern sind Konversionsmassnahmen diverse Praktiken, die darauf abzielen, dass die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität einer Person geändert werden soll. Doch dabei sind solche Massnahmen, die auch als «Konversionstherapien» bekannt sind, unglaublich schädlich. Sie verursachen schweres Leid und langfristige Traumata bei betroffenen Menschen. Zudem haben die Praktizierenden solcher Umpolungen keine medizinische Berechtigung. Konversionsmassnahmen stellen damit eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit und die Menschenrechte der Betroffenen dar.
Betrifft das nur die LGBTQIA+-Szene oder werden auch in anderen Bereichen «Umpolungen» vorgenommen?
Looser: Bezüglich nicht wissenschaftlichen Konversionsmassnahmen sind vor allem solche bekannt, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität zu ändern, was gefährlich, schädlich und schliesslich nicht möglich ist.
Gehört in dieses Verbot auch das Rekrutieren von religiösen Kreisen oder das Konvertieren, wie zum Beispiel in den IS?
Looser: Die Motion fordert ein Verbot von pseudowissenschaftlichen Massnahmen, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung, in der Regel Homosexualität, oder die Geschlechtsidentität zu «ändern». Extremistische Gruppen, die Leute in ihre Reihen rekrutieren möchten, stellen natürlich auch eine Gefahr für unsere Gesellschaft dar, jedoch handelt es sich dabei um ein anderes Themengebiet.
Doch nicht alle Massnahmen hinsichtlich Sexualität oder Geschlechtsidentität sollen verboten werden, wo mitunter auch Pädosexualität dazu gehört.
Looser: Es gibt einen grossen Unterschied zwischen professionellen, psychotherapeutischen Begleitungen und Behandlungen, die wichtig sind, und den nicht wissenschaftlichen und vor allem nicht ergebnisoffenen Konversionsmassnahmen, die beispielsweise zum Ziel haben, eine Person von ihrer Homosexualität abzubringen. Dem gegenüber stehen einerseits ergebnisoffene Beratungsangebote für Personen, die sich Hilfe holen wollen, und andererseits Therapieangebote für Störungen der Sexualpräferenz wie beispielsweise Pädophilie, die auch therapiert werden müssen.
Gibt es in unserem Kanton konkrete Fälle?
Looser: Für die Schweiz, wie auch für Schaffhausen, gibt es wenige genaue und verlässliche Zahlen zur Häufigkeit von Konversionsmassnahmen. Jedoch betreuen LGBTQ-Organisationen in der Schweiz häufig Betroffene. Klar ist, dass Konversionsmassnahmen ein weit verbreitetes Phänomen sind. Nach einer Umfrage sind fast 10 Prozent der sexuellen Minderheiten, sprich lesbische, schwule, bisexuelle Personen und 15 Prozent der geschlechtlichen Minderheiten, wie trans Menschen oder non-binäre Personen, betroffen. Ihre verheerenden Langzeitfolgen sind umfassend dokumentiert und mehrere rechtliche Analysen zeigen, wie wichtig klare Verbote sind.
Was sind die Gegenargumente, welche die Gegner anwenden, um dieses Konversionsverbot zu verhindern?
Looser: In meinen Augen ist der weitverbreitetste Grund, warum ein solches Verbot in der Schweiz noch nicht umgesetzt wurde, der grosse Irrglaube, dass die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität einer Krankheit gleicht und geändert werden kann. Letztendlich handelt es sich leider um ein in vielen Köpfen tiefsitzendes homophobes Gedankengut.
Im Nationalrat wurde im Dezember 2022 bereits eine Motion angenommen, nachdem der Bundesrat empfahl, diese abzulehnen. Warum diese Kontroverse zwischen Bundes- und Nationalrat?
Looser: Der Bundesrat möchte noch einen Bericht über Konversionsmassnahmen in der Schweiz abwarten. Jedoch ist es Tatsache, dass solche gefährlichen Angebote in der Schweiz existieren. Darum ist es wichtig, dass schnell vorangeschritten wird und auch aus verschiedenen Kantonen Druck auf den Bund ausgeübt wird. Dazu ist unsere Motion ebenfalls wichtig. Hinzu kommt, dass schon verschiedene Kantone ein solches Anliegen angenommen haben, darunter Bern, Zürich, Aargau und Zug. Im Kanton Neuchâtel wurde das Verbot sogar schon umgesetzt.
Wie geht es nun weiter mit dieser Motion?
Looser: Die Motion wurde jetzt eingereicht. Sie wird dann im Kantonsrat beraten und bei einer Annahme muss der Regierungsrat einen Vorschlag für einen Gesetzesentwurf präsentieren.
Zum Abschluss: Wo können sich Opfer von Konversionsmassnahmen im Kanton Schaffhausen Hilfe holen?
Looser: In erster Linie sind sicher ausgewiesene Fachpersonen wie beispielsweise Psycholog:innen eine gute Anlaufstelle. Zudem bietet die LGBTQ-Helpline eine erste Anlaufstelle.