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Politik
25.06.2024

Die fünfte Generation reanimiert das Schaffhauser Jugendparlament

Sie bringen das Jugendparlament Schaffhausen wieder zum Leben: Lara Damiano, Dimitrij Ruh, Noel Wangler, Nicolas Hirt, David Vögeli (o.v.l.), Maxim Mäder, Aaron Junker und David Ruh (u.v.l.) laden am kommenden Sonntag zur Versammlung ein.
Sie bringen das Jugendparlament Schaffhausen wieder zum Leben: Lara Damiano, Dimitrij Ruh, Noel Wangler, Nicolas Hirt, David Vögeli (o.v.l.), Maxim Mäder, Aaron Junker und David Ruh (u.v.l.) laden am kommenden Sonntag zur Versammlung ein. Bild: zVg. / David Ruh
Am kommenden Sonntag wird im Meetingpoint das Jugendparlament wieder zum Leben erweckt. Seit der Gründung 1945 erfuhr das «Jupa» – früher «JP» – immer wieder Hochs und Tiefs, doch nun kehrt mit einem motivierten Oktett Hoffnung zurück.

Das Jugendparlament erwacht wieder zum Leben. Dies schon zum fünften Mal. Initiant Maxim Mäder hat es geschafft, ein motiviertes Team aufzubauen, und nun ist es so weit: Am kommenden Sonntag, 30. Juni, 14.30 Uhr, wird im Meetingpoint der neue Vorstand gewählt. Diese Gelegenheit nimmt der «Bock» gleich zum Anlass, einen Streifzug durch die Chronologie zu gewähren.

Schweizer Durchschnitt übertroffen

Unter dem Motto «Das Jugendparlament marschiert» versammelten sich am Montag, 10. Dezember 1945, im Grossratssaal über 120 18- bis 35-jährige, mehrheitlich männliche, Erwachsene zur ersten öffentlichen Veranstaltung, um sich über ihre Anliegen auszutauschen. Diesem Anlass wurde auch seitens des Regierungsrats wohlwollend zugestimmt, was etwa der damalige Präsident Dr. Brühlmann in seiner Ansprache bestätigte. Der Stadtpräsident und spätere Stammgast-Redner Walther Bringolf erfasste eigens für diese Versammlung einen Motivationsbrief. Zwei Monate später, als Gründer Hans Blum zum ersten Präsidenten gewählt wurde, zählte das Schaffhauser Jugendparlament bereits 159 Mitglieder. Darunter auch 13 Frauen, die innerhalb des «JP», wie es damals genannt wurde, ebenfalls das Stimmrecht genossen. Sogar aus den benachbarten Zürcher und Thurgauer Gemeinden schlossen sie sich an. Die Schaffhauser Fraktion wuchs täglich und übertraf sogar den Schweizer Durchschnitt von rund hundert Mitgliedern pro kantonalem Jugendparlament deutlich. Wenig verwunderlich wurde kurz darauf der Schaffhauser Hans-Ulrich Baumgartner zum Vizepräsidenten des Schweizer Jugendparlaments gewählt. Beeindruckend war, wie engagiert das Schaffhauser Jugendparlament zu Werke ging. Während einer der Tagungen lobte Kantonsrat Hermann Schlatter deren Eifer, mahnte hingegen, ihre Geschäfte etwas sauberer abzuwickeln. Ein Thema, welches regelmässig für Diskussionen sorgte. Immerhin: Der Grossratssaal war bei den ersten Sitzungen komplett überfüllt und Debatten wurden leidenschaftlich geführt.

Romandie als neue Vorreiterin

Der Hype verflog im Laufe der monatlichen Sitzungen. Beim Peak von 216 Mitgliedern verabschiedeten sich einige wieder, darunter auch solche, die zu Beginn aktiv mitwirkten. Auf 113 Mitglieder schrumpfte das «JP» ein Jahr nach der Gründung. Beim 10-Jahre-Jubiläum zählte das «JP» noch rund 60 Mitglieder. Die Jahre vergingen und das «Scheinparlament», wie spitze Zungen die Vereinigung nannten, etablierte sich nach einem Abtaucher in die Unsichtbarkeit erst wieder unter Präsident Alfred Roost, der 1965 sein Amt an den neu gewählten Jörg Schäfli überreichen durfte. 1972 wurde das Schweizerische Jugendparlament mangels Interesse aufgelöst – mitten in der Stimmrechtsdebatte auf 18 Jahre. Das hatte auch Auswirkungen auf Schaffhausen, denn auch hier verschwand das Jugendparlament von der Bildfläche, dieses Mal ganz. Letztendlich scheiterte es daran, dass das Befugnis über politische Entscheidungen fehlte. Es gab einzelne Bestrebungen, dem Parlament wieder Leben einzuhauchen, wie etwa durch Walter Joos 1979 oder Marcel Wenger, der sich 1986 in einem Podiumsgespräch dafür stark machte. Zwei Jahre später wurde daran gezweifelt, ob ein Scheinparlament überhaupt realitätsgetreu sei, denn inzwischen hätten sich Jungparteien gebildet, die aktiv politisch mitmischten. Allerdings stieg das Interesse an Jugendparlamenten in den 80er-Jahren, vor allem in der Westschweiz, stark an, was 1993 Beat Grüninger mittels einer Interpellation auch für Schaffhausen anstiess, was der Stadtrat wohlwollend befürwortete. Am 5. Januar 1995 wurde das im November zuvor wiedergeborene Jugendparlament mit einem neuen Gremium bestückt. Zudem wurden Michaela Hänggi und Markus Hermanek der Gleichberechtigung wegen zusammen ins Präsidium gewählt.

Fünf Ratssitze erobert

Der Erfolg zeichnete sich schnell ab, denn bei den Wahlen im September 1996 erhielt das Jupa auf Anhieb zwei Sitze im Kantonsrat – als erstes Jugendparlament der Schweiz. Wieder ein Fall für das Duo Hänggi/Hermanek. Drei Monate später eroberte es im Grossen Stadtrat weitere drei Sitze. Bei den Folgewahlen vier Jahre später verlor es jedoch wieder beide Kantonsratssitze. Beim Grossen Stadtrat verzichtete das Jugendparlament auf eine weitere Kandidatur; stattdessen löste sich der Verein im Dezember 2000 schliesslich wieder auf. Es dauerte elf Jahre, bis eine neue Bewegung, darunter Samuele Barbera, Karin Cyril und Paddy Portmann, dem Jugendparlament abermals neues Leben einhauchte. «Viele Themen bewegte die jungen Menschen, darum war es wichtig, im Rahmen des Jugendparlaments eine Diskussionsplattform zur Partizipation zu erschaffen», erinnert sich Paddy Portmann. Dabei sollte einmal jährlich eine Jugendsession stattfinden, was schliesslich zweimal geschah. Eine erste Stabsübergabe erfolgte im März 2014, als Ramona Neidhart und Patrick Müntener das Co-Präsidium übernahmen, ein Jahr später waren Cedric Käppler und Rico Hauser die Nachfolger. 2017 übernahm Michael J. Kahler, ehe 2019 Tim Bucher und Ruben Schwarz das Co-Präsidium gemeinsam bekleideten.

«Das Jugendparlament ist für Jugendliche, die sich politisch noch nicht festlegen können. »
Maxim Mäder, 18, Initiant Jugendparlament

Initialzündung durch Maxim Mäder

Tim Bucher verblieb schliesslich als einziges Mitglied im Jugendparlament, organisierte zwar keine Anlässe mehr, stand allerdings für Fragen rund um Jugendthemen zur Verfügung. Das Ziel war jedoch, eine geeignete Nachfolge zu finden und den Verein in motivierte Hände abzugeben.

Initiant des Neustarts ist der 18-jährige Schleitheimer Maxim Mäder, der sich im vergangenen Herbst aufgrund der Nationalratswahlen durch einen Besuch in der Politsendung «Arena» inspirieren liess. Er erfuhr in einem Interview mit Sandro Brotz erstmals vom Jugendparlament. «Ich fand das spannend und begann aus Interesse zu recherchieren», erzählt Maxim Mäder. Er war plötzlich tief in der Materie drin, nahm all seinen Mut zusammen, gründete einen Gruppenchat und lud alle ein, die infrage kommen könnten, sich seiner Vision anzuschliessen. «Das ‹Jupa› soll Space bieten für Jugendliche, die sich zwar politisch auseinandersetzen möchten, sich aber noch nicht auf eine Parteirichtung festlegen wollen», erklärt der aufstrebende Jungpolitiker. Schnell waren die Zwillingsbrüder Dimitrij und David Ruh aus Neuhausen mit am Start. Begründet haben sie dies damit, dass über die Hälfte der Neuhauser Jugend bei ihrer Volljährigkeit nicht stimmberechtigt und daher auch das Interesse schwindend klein sei. «Darum wollen wir auch ausländischen Jugendlichen die Politik näher bringen und mit dem ‹Jupa› bieten wir eine optimale Grundlage», erklären die 20-jährigen Brüder.

Divers in alle Richtungen

Aaron Junker kam per Zufall zum Handkuss. «Ich wurde aus Versehen in den Gruppenchat hinzugefügt, fand das Projekt aber mega spannend. Darum wollte ich unbedingt im Gründungskomitee mitwirken und gestaltete mittlerweile eine Website», strahlt der 19-Jährige. «Politik hat das Stigma, langweilig zu sein. Doch nicht bei uns», ist er überzeugt. Über Maxim Mäder ist «Bock»-Kolumnist Nicolas «Nici» Hirt ins OK gekommen. Mit 25 Jahren ist er der Älteste des Gremiums und hegt Ambitionen, in der Politik ganz Fuss zu fassen. «Ich will dafür sorgen, dass die Generationen nach uns von unserem politischen Wissen profitieren», sagt er. Markenzeichen: Sein modischer Hut. Eine Gemeinsamkeit haben die 19-jährige Lara Damiano und der drei Jahre ältere David Vögeli, beide sind sie auf dem Land aufgewachsen. Sie in Hemishofen und er im appenzellischen Schönengrund. David Vögeli hat das urbane Leben vorgezogen und ist via St. Gallen nun kürzlich nach Neuhausen gezogen. «Mein Interesse zur Politik entwickelte sich schon im 10. Schuljahr, als ich mich für ein Politfach entschied», beschreibt er seine Verbindung. Lara Damiano kam durch den Klimastreik näher zur Politik. «In Hemishofen arbeiten wir oft überparteilich Hand in Hand, was auch positive Aspekte mit sich bringt», fügt sie bei, denn auch das Jugendparlament soll divers bestückt sein. Im Umfeld des 21-jährigen Noel Wangler hingegen ist Politik allgegenwärtig. Er habe zuvor noch nie etwas über das Jugendparlament gehört. «So sehr ist es in Vergessenheit geraten», staunt er. Auch er will die Jugend zum Politisieren bewegen.

Wohlwollende Wiedergeburt

Die letzten Vorbereitungen sind im Gange, die Übergabe durch Vorgänger Tim Bucher an den neuen Vorstand verläuft reibungslos. Sogar ein kleiner, vierstelliger Startbatzen wird weitervererbt. Am kommenden Sonntag, 30. Juni, 14.30 Uhr fällt im Meetingpoint der Startschuss zur «Revitalisierung». Auch der fünften Generation des Schaffhauser Jugendparlaments wird Wohlwollen entgegengebracht. Nicht zuletzt auch, weil für einige Politikschaffende das Jupa als politisches Sprungbrett diente. Mit Tim Bucher und Paddy Portmann treten zwei davon als Gastredner auf.

Ronny Bien, Schaffhausen24