Auch Menschen ohne Lobby eine Stimme geben: Das will Christine Thommen. Nachdem die aus Basel stammende SP-Politikerin im Jahr 2021 in den Stadtrat gewählt wurde und das Amt der Sozial- und Sicherheitsreferentin übernahm, stellt sie sich nun zur Wiederwahl. Während ihrer ersten Legislatur konnte sie schon einige Projekte umsetzen, welche Kinder und Jugendliche, Personen in schwierigen Lebenssituationen sowie die ältere Generation unterstützen. Doch damit ist noch nicht genug, denn nach der Wiederwahl möchte die Politikerin genau an diesen Themen anknüpfen.
Gefallen an sozialen Berufen
In ihrer beruflichen Karriere scheute Christine Thommen nicht davor, ins kalte Wasser zu springen. In Basel studierte sie Jura und zog nach dem Studium nach Schaffhausen. Als Praktikantin beim Vormundschaftsamt arbeitete sie das erste Mal im sozialen Bereich, woran sie schon damals Gefallen fand. Als darauf ein Praktikum am Gericht folgte, bemerkte sie, dass der Gerichtssaal nicht ihre Welt ist. Daraufhin bewarb sich die SP-Politikerin beim Erziehungsdepartement, leitete den Rechtsdienst und wurde für sechs Jahre stellvertretende Departementssekretärin. «Danach leitete ich die Koordinationsstelle für Aussenbeziehungen des Kantons», erzählt Christine Thommen. «Mein Jurastudium konnte ich dort nicht direkt gebrauchen, doch die Stelle lehrte mich zwei Aspekte: Meine Scheu abzubauen, auf andere Menschen jeglicher Hierarchiestufe zuzugehen, und diplomatisch zu handeln». Davon profitiert die 46-Jährige auch heute noch. Schon seit dem Praktikum beim Vormundschaftsamt wusste sie, dass sie in einem sozialen Beruf arbeiten will, und ergriff ihre Chance, als die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) neu gegründet und das Präsidiums ausgeschrieben wurde. «Obwohl ich meine Chancen eher schlecht einschätzte, stellte ich einen Fuss in die Tür und bewarb mich», erklärt sie. «Nachdem zwei Kandidaten abgesprungen waren, kamen sie auf mich zurück. Für einen Moment wurde mir schummrig, da diese Behörde noch nicht existierte und alles neu aufgebaut werden musste. Trotzdem nahm ich diese Herausforderung motiviert an.»
Pandemie als Herausforderung
Nach acht Jahren in der Pionierphase bei der KESB sehnte sich Christine Thommen nach einem Wandel: Als Simon Stocker vom Posten des Sozial- und Sicherheitsreferenten im Stadtrat zurücktrat, nutzte sie die Gelegenheit und gab der Partei ihr Interesse kund. Die Coronapandemie machte es ihr nicht leichter: «Ich konnte mich und meine Motivation für das Amt nicht bei einer Parteiversammlung vorstellen, sondern musste dies mittels Schreiben an die Parteimitglieder tun. Auch die Abstimmung lief schriftlich ab.» Trotzdem überzeugte sie und wurde nach der Nomination auch von der Schaffhauser Stimmbevölkerung gewählt.
Von der FDP zur SP
Obwohl ihr soziale Themen schon immer sehr am Herzen lagen und somit die Sozialdemokratische Partei am naheliegendsten scheint, gehörte sie zuerst der FDP-Fraktion an. «Ich teilte durchaus Werte, wie zum Beispiel die von der FDP monierte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und vertrat die Partei auch im Grossen Stadtrat», so die Politikerin. «Ich merkte dann aber, dass ich mir die Umsetzung anders vorstellte.» Nach ihrem Austritt aus der FDP beabsichtigte sie, sich von der Politik zu distanzieren. Schnell stellte sie aber fest, dass ihr das Mitreden und Mitbestimmen in einer Partei fehlte und schloss sich der SP an. Auf die Frage, ob sie mit dem Gedanken spielte, parteilos zu werden, antwortete sie: «Parteilos kam für mich nie infrage. Natürlich ist man mit seiner Partei nicht in jedem Aspekt einig, doch ich vertrete klar die Werte der SP. Indem man sich zu den Werten einer Partei bekennt, weiss auch die Bevölkerung im Wahlkampf, wen sie wählt.»
Projekte als Stadträtin
Es passte wie die Faust aufs Auge, als Christine Thommen das Amt der Sozial- und Sicherheitsreferentin übernahm. «Ich möchte für die Menschen einstehen, die selbst keine Stimme haben», sagt die Stadträtin. «Natürlich ist die Wirtschaft für unsere Stadt wichtig und ich setze mich auch für sie ein. Mein Fokus liegt aber gerade auch auf Menschen, die keine Lobby haben, wie Armutsbetroffene, Kinder und Ältere. Es erfüllt mich, dass ich in meinem Amt auch genau diese Menschen unterstützen kann.» In ihrer ersten Legislatur setzte sie einige Projekte um. Zu Beginn stand die Problemlösung des Lärms und Littering am Lindli im Vordergrund. Mit zusätzlichen Abfallbehältern, Toiletten sowie der Einführung eines Sicherheitsdienstes konnten erste Missstände behoben werden. Auch die Attraktivierung der Gesundheitsberufe gehört dazu. Dieses Projekt beinhaltete zehn Massnahmen. «Diese Vorkehrungen bringen den Gesundheitsberufen mehr als nur das Klatschen während der Coronapandemie, nämlich durch wesentlich verbesserte Arbeitsbedingungen auch tatsächliche Wertschätzung entgegen», informiert die 46-Jährige. «Damit wirken wir dem Fachkräftemangel entgegen, unter dem nicht nur die Pflegenden, sondern, wenn man nichts unternimmt, auch die Bewohnenden der Alterszentren und die Klient:innen der Spitex leiden.» Zudem lancierte sie ein Pilotprojekt zur Sozialhilfe. Anlass dafür sind die Zahlen der Bezüger:innen, welche im Vergleich zu anderen Städten steigen. «Momentan wird untersucht, was passiert, wenn Mitarbeitende mehr Zeit dafür einsetzen können, sich mit dem Sozialhilfeempfänger und seinem Dossier auseinanderzusetzen. Dieses Projekt ist noch nicht abgeschlossen, aber aktuell zeigt sich beispielsweise, dass mehr Arbeitsintegrationsmassnahmen geschehen.» Auch für die Jugendlichen setzte sich die Politikerin mit dem Projekt Fröbelgarten ein. Hierbei handelt es sich um ein Jugendzentrum, welches einen teilbetreuten Ort für Jugendliche bietet, wobei keine Konsumationspflicht besteht. Ebenfalls für die jüngere Generation ist die Stadt auf ihre Initiative hin daran, das UNICEF-Label «kinderfreundliche Gemeinde» zu erhalten. Ziel des Labels ist, dass Jugendliche und Kinder sich bestmöglich entwickeln und sich einbringen können. Dafür wurden über 800 Kinder und Jugendliche gefragt, was sie sich in Schaffhausen wünschen. «Erstaunlicherweise füllten fast 100 Prozent den Fragebogen bis zum Ende aus», berichtet die Sozialreferentin. «Das zeigt, dass jüngere Generationen ebenfalls partizipieren wollen.»
Sozialhilfe enttabuisieren
Nach der Wiederwahl will Christine Thommen den Fokus unter anderem auf Armutsbetroffene setzen. Viele Personen, die einen Anspruch auf Sozialhilfe hätten, beziehen diese nicht. Gründe dafür sind Unwissenheit oder Scham. Christine Thommen betont, dass dieses Thema enttabuisiert werden muss. Es ist erforderlich, den Betroffenen vor Augen zu führen, dass sie bei Erfüllen der Voraussetzungen ein Recht auf diese Gelder haben. Zudem muss eine Lösung für Personen gefunden werden, die keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben, aber am Existenzminimum leben. Auch beim Thema Alter will sich Christine Thommen weiter einsetzen, mit dem Ziel, dass Menschen in der Stadt Schaffhausen sorglos alt werden können. Dazu gehört zum einen die Überprüfung des Angebots und zum anderen eine bedarfsorientierte Begleitung beim Älterwerden. «Ein klassisches Beispiel ist, wenn eine ältere Person stürzt und ins Krankenhaus eingeliefert wird», sagt Christine Thommen. «Darauf muss sie oft Knall auf Fall ins Alterszentrum und sie selber und die Angehörigen sind überfordert. Es existieren viele Unterstützungsmassnahmen, doch die Koordination ist schwierig. Dies soll für die Betroffenen vereinfacht werden.» Weiter steht die Sanierung von zwei Alterszentren an, für welche sie sich einsetzen will.
Sich selbst treu bleiben
Für ihre politische Karriere nahm sich Christine Thommen vor, immer sich selbst zu bleiben. Auch im Wahlkampf soll sich das nicht ändern: «Die Stimmbevölkerung soll mich so wählen, wie ich bin. Ich würde mich nie anders geben, als ich bin, um bessere Chancen für die Wiederwahl zu haben. In der Politik herrscht ein rauer Ton und persönliche Angriffe sind nicht ungewöhnlich. Ich habe mir auf die Fahne geschrieben, dass ich mich davon nicht anstecken lasse, und konnte das bis jetzt auch gut umsetzen.»