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Politik
07.05.2024
07.05.2024 18:50 Uhr

Einmal noch in der höchsten Liga mitspielen

Ein Mann für den Stadtrat? Der parteilose Kandidat Urs Tanner will in der höchsten, politischen Stadtliga aktiv mitwirken.
Ein Mann für den Stadtrat? Der parteilose Kandidat Urs Tanner will in der höchsten, politischen Stadtliga aktiv mitwirken. Bild: zVg.
Am 18. August wählt Schaffhausen einen neuen Stadtrat. Ausser dem zurücktretenden Raphaël Rohner stellen sich alle zur Wiederwahl. Dazu bringen sich drei Personen in Wahlkampfposition. Der zweite Kandidat, den der «Bock» vorstellt, ist der 56-jährige, parteilose Schaffhauser Urs Tanner, der mindestens für zwei Legislaturen in den Stadtrat will.

Eines muss man dem zweifachen Familienvater lassen: Er ist wahrlich mit allen Wassern gewaschen. Nicht nur mit seiner Rhetorik, sondern auch als Macher. Als selbständiger Jurist sowie als Sonder- und Heilpädagoge hat sich Urs Tanner nicht nur längst eine dicke Haut zugelegt, sondern positioniert sich mit seinen Vorstössen regelmässig. Naheliegend sind seine Kernthemen, wie Umwelt, Energie, Schule und Familie. «Seit über einem Vierteljahrhundert übe ich Politik», und fügt schmunzelnd bei: «Wow, das ist eine gefühlte Ewigkeit.» Als 29-Jähriger erbte er nach dem Hinschied Bruno Merlos dessen SP-Sitz im Grossen Stadtrat und politisiert aktiv nach dem Gerechtigkeitsprinzip. «Würde ich aus bösem Willen handeln, könnte ich wohl täglich einen Vorstoss einreichen. Doch das will ich der Verwaltung, die ohnehin schon einen Riesenjob macht, nicht antun.»

Stadtrats- und Grossstadtratskandidat

Eigentlich stand eine Kandidatur zum Stadtrat nicht zuoberst auf der Prioritätenliste. Warum er dennoch als Stadtrat kandidieren will, beantwortet Urs Tanner mit folgenden Worten: «Wenn ich es mit dem FC Schaffhausen vergleiche, will man irgendwann mal von der Challenge League in die Super League aufsteigen. Und so ist es auch bei mir. Gerne möchte ich für eine, nein, am liebsten für zwei Legislaturen in der höchsten städtischen ‹Liga› mitwirken», erklärt er sein Vorhaben, da er diese Stärkeklasse bestens kenne. Zudem drängen viele weitere Ideen, die er umsetzen möchte. «Das Jahr 2024 ist unglaublich spannend und darum freue ich mich auf die Stadtratswahlen im August, aber auch auf die Grossstadtratswahlen im November.»

Diskussion anregen

Auch der Aufstieg in den Nationalrat war für 2019 vorgesehen, doch wurde Urs Tanner schliesslich nicht berücksichtigt. Das sei jedoch Schnee von gestern und das Thema längst vom Tisch, lässt er verlauten. Stattdessen forderte er jüngst ein Handyverbot an den Schulen. «Dieser Vorstoss wurde übrigens angepasst und in ‹Smartphone-freie Schulhäuser› umbenannt. Es geht in erster Linie darum, dass die Kinder nicht schon im jüngsten Alter durch das Smartphone abgelenkt werden, sondern dass sie wieder vermehrt ihre Begegnungskultur wahrnehmen.» Zudem solle beispielsweise ein Achtklässler lernen, sich auf eine Aufgabe zu fokussieren, ehe man sich in Fun-Aktivitäten stürze. Überhaupt seien Verbote nicht wirklich förderlich. Urs Tanner appelliert da vielmehr auf Belohnungssysteme. «Gibst du dein Auto ab, erhältst du als Belohnung ein Abo oder ein GA. Das sollten Anreize sein», ist der ÖV-affine Politiker überzeugt. Klar sehe man in erster Linie ein Verbot, auf ein Smartphone zu verzichten, doch dafür erhalten die Jungen die Belohnung, sich mit der Realität auseinanderzusetzen. «Sind wir doch ehrlich: Wir sehen doch alle, dass es vielen Teenagern scheisse geht. Durch die sozialen Medien werden Ideale und vermeintliche Vorbilder vorgegaukelt, die ohne Makel sind», argumentiert er. «Das macht den Jungen schliesslich zu schaffen, weil sie das Gefühl erhalten, nicht makellos zu sein. Aber schliesslich wisse Urs Tanner selbst, dass ein solcher Vorstoss wohl nie zustande käme. «Aber es wird eine Diskussion angeregt und das ist schon sehr viel wert.»

Kein Freund von «Little Hongkong»

Auch der Vorstoss 2017 mit der Umstellung auf Elektrofahrzeuge gedieh in der Ideenwerkstatt Urs Tanners und wurde – wenn auch knapp – angenommen. Zudem war mit Daniel Preisig einer im Lead, der dieses Vorhaben im Bereich des ÖV mit dem Kauf der neuen Busflotten proaktiv umsetzte. Auch im Zuge dessen, dass der frühere SP-Fraktionspräsident kein Freund von einem «Little Hongkong» sei und nicht alles zugebaut haben will, könne er sich mit der Nachhaltigkeits-Initiative der SVP «Keine 10-Millionen-Schweiz» irgendwie sogar noch etwas anfreunden. «Wir sehen es am Beispiel Winterthur, dass mit dem Zuwachs der Bevölkerung auch die Infrastruktur, wie etwa neue Schulen, nachgebessert werden müssen.» Im gleichen Atemzug erwähnt er zudem, dass auch Schaffhausen teure Projekte umsetze, wie etwa die KSS oder das Kammgarnareal.

Steuerrückvergütung sei reizvoll

Doch Urs Tanner findet auch, dass die Bevölkerung vom Budgetüberschuss profitieren soll. Er überlegte sich sogar einen Vorstoss, doch Gaétan Surber kam ihm da zuvor. «In Basel wurde darüber diskutiert, eine Steuerrückvergütung einzuführen, was ich für eine sehr gute Idee halte. Eine Steuersenkung kann man nicht mehr so einfach rückgängig machen, doch eine rückwirkende Vergütung, die in die Steuerrechnung integriert wird, könnte durchaus lukrativ sein», erklärt der 56-Jährige. «Seit ich nicht mehr im Parteiblock sitze, sehe ich das liberaler als früher. Ich finde, dass man nicht nur das Geld horten soll, sondern der Bevölkerung auch etwas zurückgeben soll.»

Bruch mit der SP

Ende 2022 brach Urs Tanner mit der SP, seiner «langjährigen Beziehung», wie er sagt. «Ich musste die Notbremse ziehen, denn ich war stocksauer.» Nach seinen Aussagen war geplant, dass er als Nachfolger von Martina Munz im Nationalrat vorgesehen gewesen wäre. «Dieses Versprechen wurde jedoch nicht eingehalten. Das war für mich sehr verletzend, wenn man bedenkt, dass ich während diesen dreissig Jahren bei so viel Aktivismus eine Ochsentour mitmachte.» Doch er sehe auch die Vorteile, als Parteiloser zu politisieren, da er sich in kein parteiliches Kostüm zwängen müsse, auch wenn seine Position weiterhin auf dem linken Flügel sei. «Doch schliesslich bin ich zu 95 Prozent ein langweiliger Sozialdemokrat, einfach ohne Partei», sagt der Schaffhauser über sich. Im Grossen Stadtrat hat sich Urs Tanner hingegen der Mittefraktion, bestehend aus GLP, den Grünen, den Jungen Grünen und der EVP, angeschlossen und hat als Nachfolger von Christoph Hak die Präsidentschaft in der Fachkommission Bildung übernommen, ein Amt, das er schon als Chef der SP-Fraktion innehatte. «Darüber bin ich selbst ein wenig überrascht», lacht er.

Politisieren bis 75 Jahre

Und nun will Urs Tanner es mit seiner Kandidatur als Stadtrat nochmals wissen. «Ich könnte mit meinem Glatzkopf Werbung machen, doch viele Leute wissen bereits, für was ich stehe.» Er sei bekannt für seine politischen Wortmeldungen und gibt das den Amtskolleginnen und -kollegen immer wieder zu verstehen. «Doch nun als Parteiloser bin ich quasi ein Single, der alles selbst finanzieren muss. Ich gehe jedoch mit einem starken Bewusstsein ins Rennen, verzichte auf grosse Plakatwerbung, sondern versuche mit meinen Ideen aufmerksam zu machen.» Für ihn werde es ein ganz spezieller Wahlkampf und er wolle durch diesen untypischen Vorgang «einfach mal schauen, wie ich reüssiere», berichtet Urs Tanner über seine Strategie. Punkten wird er aufgrund seiner Transparenz, hat er doch beispielsweise 2017 seinen Lohn über seine Homepage publiziert und verzichtete damals auch auf die 2000 Franken Grundentschädigung, die den Kommissionsmitgliedern zusteht. «Ich freue mich nun auf einen extrem heissen Sommer und die bevorstehenden Wahlen.» Eines sei klar: Er wolle bis 75 politisch aktiv bleiben, aber mit dem ambitionierten Ziel, die kommenden acht Jahre als Stadtrat mitzuwirken.

Ronny Bien, Schaffhausen24
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