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Kultur
07.05.2024
07.05.2024 18:51 Uhr

Musikalischer Schmelztiegel

Drei musikalische Koryphäen vereint zum «Jazz Chamber Trio», bestehend aus David Reitz, Marco Sigrist und Beat Bossart (v.l.).
Drei musikalische Koryphäen vereint zum «Jazz Chamber Trio», bestehend aus David Reitz, Marco Sigrist und Beat Bossart (v.l.). Bild: Mark Hofstetter
Das «Jazz Chamber Trio» mit Beat Bossart, Marco Sigrist und David Reitz feiert am kommenden Samstag die Plattentaufe seines Albums «Remote Memories» in der Neustadtbar. Doch das neuste Werk verzeichnet viel mehr als einfach nur Jazz, denn die drei Musiker bedienen sich nahezu aus jedem Genre.

Es könnte geradezu als Intro aus einem Thriller entspringen, wenn man sich die ersten Klänge von «Greed» zu Gemüte führt. Die Spannung steigt und entlädt sich, ehe sich das Spiel wiederholt. Die harmonisch gefühlte Frühlingswiese findet sich allerdings erst in der Bridge des Folgesongs «Turmoil». Schon sind wir mittendrin in «Remote Memories», dem zweiten Release des «Jazz Chamber Trio» nach dem Erstling namens «Heading South», welcher im April 2022 erschien. Zwar nicht als Konzeptalbum angesehen, würde es aufgrund der Dramaturgie durchaus als solches durchgehen. Darin zu hören ist nicht etwa ein traditioneller Standardjazz, sondern eine Zusammenführung von allen erdenklichen Musikstilen, eingepackt in neun Songs, die durch die entstehenden Klangfarben unterschiedliche Emotionen auslösen. Zwar sei schon der Jazz der rote Faden, dieser erstrahlt jedoch in einer einzigartigen Form. Wie es eben «Chamber» beschreibt, ein Kammerorchester, bestehend aus einer dreiköpfigen Formation, welche in der Schaffhauser Musikszene alles andere als unbekannt ist.

Von Surf-Rock bis «Herr der Ringe»

Schon fast zeitlebens ist Beat «Bossi» Bossart ein begnadeter Trompeter und Flügelhornist, der sich nicht nur dem Jazz verschrieben hat, sondern schon in unzähligen Formationen seinen unglaublich weiten Horizont an Genres ausleben darf. Wie etwa anatolischen New Wave-Rock mit «Café Türk», Surf-Rock mit «Tony Dynamite and the Shootin’ Beavers» oder mit «Zona Sul» lateinangereicherte Stile, wie Bossanova, Salsa oder Musica Brasileira. Zudem ist der Musiker regelmässig Gastspieler in diversen Reggae-, Blues- und Jazzformationen. Vor rund zehn Jahren schloss sich «Bossi» mit dem Gitarrenvirtuosen Marco «Sigi» Sigrist zusammen, der nicht nur in St. Gallen, München und Los Angeles studierte, sondern auch schon in Musicals auftrat und mit «King Kora» durch den Senegal und Gambia tourte sowie Filmmusik produzierte. Auch Marco Sigrist trägt einen unerschöpflichen Schatz an Erfahrung mit sich, was auf dem Album absolut zur Geltung kommt. Der Dritte im Bunde ist David Reitz, der Violoncello in «alter» und «neuer» Musik studierte. Im Kammerorchester oder als Solist führte er diverse Stücke berühmter Komponisten in ganz Europa auf.Doch auch ausserhalb der Klassik tobte sich David Reitz aus, sei es als Dirigent von «Live To Projection»-Aufführungen der Herr der Ringe-Trilogie für CAMI Music oder als Mitglied der progressiven Metalband «Apokatastasia». All diese Einflüsse sind auf «Remote Memories» erkennbar.

Frei nach Gefühl

Lange unterhielten sich «Bossi» und «Sigi» im Duo, probierten ihre neuen Ideen umzusetzen und wagten sich in musikalisches Neuland, wie sphärisch angehauchte Klänge, merkten jedoch, dass es ein drittes Instrument brauchte. «Wir suchten dann jemanden am Kontrabass oder Cello, was auch kurzfristig mit einer Cellistin gelang.» Doch das Gastspiel endete schnell, bis «Bossis» Lebenspartnerin kurz darauf den nötigen Input gab, wie «Bossi» zu erzählen weiss: «Eines Tages kam sie nach Hause und berichtete, dass der Freund einer Arbeitskollegin Proficellist sei. Wir kontaktierten David umgehend und schickten ihm Probematerial – zehn Minuten später kam die Antwort, dass er dabei sei.» Für das Duo ein Segen. Durch die klassischen Einflüsse eröffnen sich seither schier unendliche Möglichkeiten, nicht genrebasiert, sondern rein nach Intuition und Gefühl zu spielen. Höchste Kunst, was das Jazz Chamber Trio offenbart. «Es ist für uns bei allen Songs immer ein spannender Prozess, weil wir nie wissen, ob dieser am Schluss auch so klingt, wie die ursprüngliche Idee mal war.» Doch Bossi beschwichtigt auch, denn nur mit vorbestimmten Fragmenten auftreten und dann «einfach mal schauen, was sich daraus ergibt», sei «Highest Level» und für sie einer der vielen Sterne, nach denen sie greifen wollen. «Als Jazzer neigt man dazu, die Anfänge und Schlüsse festzulegen und lässt den Mittelteil offen, woraus jedes Mal andere Improvisationen entstehen, je nach Einfluss oder Tageslaune», erklärt der Trompetenspieler ihr vergleichbares Vorgehen bei ihren Konzerten.

Plattentaufe am Samstag

Apropos Konzerte: Am kommenden Samstag, 11. Mai, ist es das nächste Mal so weit, wenn das «Jazz Chamber Trio» sein Album «Remote Memories» feierlich tauft. In der Neustadtbar tritt das Trio um 18 Uhr zu Werke. Dort werden ihre Eigenkompositionen – ausser «The Fifth of Beethoven» von Ornette Coleman stammen alle Songs aus den Federn von Beat Bossart und Marco Sigrist – in frischem Glanz erstrahlen und dem Hörgefühl eine Wohltat bescheren, indem sich während der Konzertreise alle Einflüsse zu einem neuen Schmelztiegel vereinen.

Ronny Bien, Schaffhausen24