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Kultur
15.04.2024

Ein Objekt mit Strahlkraft

Fabian Müller (v. l.), Marianne Leu-Uehlinger, Hans-Georg Richli, Rosmarie Widmer Gysel und Jakob «Vino» Stoll sind über das Resultat des Projekts sehr zufrieden und freuen sich, dass dadurch die historisch wertvolle Bergtrotte weiter an Substanz gewinnt.
Fabian Müller (v. l.), Marianne Leu-Uehlinger, Hans-Georg Richli, Rosmarie Widmer Gysel und Jakob «Vino» Stoll sind über das Resultat des Projekts sehr zufrieden und freuen sich, dass dadurch die historisch wertvolle Bergtrotte weiter an Substanz gewinnt. Bild: Sandro Zoller
Die 1584 erbaute Osterfinger Bergtrotte ist weit über die Grenzen des Schaffhauser Blauburgunderlandes bekannt. Das Baudenkmal von nationaler Bedeutung steht unter Schutz der Eidgenossenschaft. Vergangenen Mittwoch lud Rosmarie Widmer Gysel, Präsidentin des Clubs 1584, zur Einweihung des neuen physischen sowie virtuellen Rundgangs ein.

«Zum Wohl – möge die Bergtrotte leuchten», sagte die Schaffhauser Alt-Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel in die Runde und lud alle zum Anstossen ein. Auch wenn Wein am vergangenen Mittwochabend genüsslich verkostet wurde, stand der «Rebensaft» einmal nicht im Zentrum des Geschehens. Es drehte sich alles um die von der Stadt Schaffhausen 1577 erworbene 37 Meter lange Trotte. Sie entstand 1584 komplett neu und erhielt 1783 ihre letzte Erweiterung. An sich ist sie bereits ein beachtenswertes historisches Gebäude. Aber wenn niemand davon berichtet, bleibt ein grosser Teil des Potenzials verloren. Dessen waren sich die Mitglieder des Clubs 1584, um die Präsidentin Rosmarie Widmer Gysel, bewusst. Damit diese «Ikone» noch greifbarer wird, entwickelten sie zusammen mit einer Agentur ein passendes Projekt. Das Resultat besteht aus einer frisch kreierten Website, vollgepackt mit interessanten Fakten und Erzählungen, sowie einem Rundgang vor Ort, bestehend aus Infotafeln.

Symbiose von Alt und Neu

«Ich wohne im letzten Haus an der Bubenhalde in Wilchingen. Die Bergtrotte ist eigentlich die nächste Nachbarin in Richtung Osten», erklärte die Clubpräsidentin dem «Bock». Die Geschichte der Osterfinger Trotte fasziniere sie seit jeher. Die gelungene Erweiterung des historischen Objekts, an einem ausserordentlich schönen Platz mitten in den Rebbergen, bereite ihr viel Freude.

Der Zahn der Zeit nagte ohne Erbarmen an der Bergtrotte. Deshalb wurden zwischen 2011 und 2017, mit der Unterstützung von Gemeinde, Kanton und Bund, 27 Massnahmen umgesetzt. Das Architekturbüro SPPA entwarf die Pläne für den Neubau. Dieser ist in den Hang eingelassen und sozusagen unter den Wurzeln der Reben versteckt. Oberlichter, die aus der Erde herausgucken, sorgen im Restaurant und dem Festsaal für eine natürlichere Beleuchtung. Im überdachten Aussenbereich steht die elf Meter lange Baumtrotte von Siblingen. Dank des einstigen Präsidenten der Rebbaugenossenschaft Osterfingen, Jakob «Vino» Stoll, gelangte diese als Leihgabe 1986 in den Ort. Bis ins 19. Jahrhundert, und der Erfindung der Räderjochpresse, wurden Trauben durch die mehrere Tonnen schwere Baumtrotte gepresst.

Ein Fundus an Schätzen

«Wir stöberten in Archiven und Bibliotheken, befragten Wissensträger:innen und recherchierten auf dem Landwirtschaftsamt», erklärte Fabian Müller, Partner der Agentur MIND. Daraus sei ein Spinnennetz von Informationen entstanden. Dies habe verdeutlicht, dass im Kanton nicht nur die Zirkularfestung Munot von grosser Bedeutung sei, sondern ebenfalls die Bergtrotte. Das zusammengetragene Wissen wurde aufbereitet und auf kulturgut-bergtrotte.ch der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. «Das Ziel ist, dass der Wissensschatz stetig ergänzt wird, die Trotte weiter an Beachtung gewinnt und schlussendlich auch noch in 400 Jahren besteht», so Fabian Müller, zuständig für Strategie, Design sowie Code und Content. Damit online nebst den Augen auch die Ohren zum Zug kommen, wurde die Kurzgeschichte «Am Trottefüür» des Mundartautors Otto Uehlinger von dessen Tochter, Marianne Leu-Uehlinger, eingelesen.

Genuss und Ambition

«Ich bin vom Weinbau infiziert», so Rosmarie Widmer Gysel. In ihrer Familie pflegten ihre Grosseltern, dann ihre Eltern und nun sie selbst einen Rebberg in Hallau. «Als junges Mädchen durfte ich zum ersten Mal auf den Tanz an einem Trottenfest gehen. Vor 34 Jahren habe ich in der Bergtrotte in Osterfingen meine Hochzeit gefeiert und geniesse heute manchen Apéro oder feines Essen im Restaurant 1584.» Seit September 2021 steht sie dem von Mäni Frei, vor neun Jahren, gegründeten Club 1584 vor und setzt sich für die Förderung und den Erhalt der Bergtrotte ein. Dabei geht es ebenfalls um die Pflege der regionalen und internationalen Weinkultur, verbunden mit Geselligkeit, Genuss und Freundschaft – über Kantons- und Landesgrenzen hinweg. So kam der edle Tropfen des Abends, ein Grande Cuvée aus Chardonnay und Pinot Noir, auch von «ennet der Grenze», offeriert vom Winzer Berthold Clauss.

Sandro Zoller, Schaffhausen24