«Nach 20 Jahren im Musikbusiness stellt sich die Frage, welches spezielle Projekt nun realisiert werden soll. Es ist einfach fantastisch, dass MTV Unplugged zustande kam», erzählt Stress im Interview mit dem «Bock» strahlend. 1989 startete MTV mit diesem neuen Format, worin Künstler etwa auf den Einsatz von E-Gitarren und Keyboards verzichten – wie der Begriff schon sagt; «nicht eingesteckt». Während in Deutschland bereits einige Musiker zusammen mit MTV konzertierten, wurde in der Schweiz diese Ehre bis anhin nur der Band Patent Ochsner zuteil. «Bereits in meiner Jugend war MTV Unplugged eine grosse Nummer, aber ich hätte nie daran gedacht, dass ich selbst einmal Teil davon werde». Für ihn ist es deshalb ein Meilenstein seiner Karriere. Aber auch für die Lieder sei es ein Schritt nach vorne, so der Schweizer Rapper aus Lausanne: «Durch die neuen Arrangements und das frische Sounddesign wird den Songs neues Leben eingehaucht.» Es ist ihm durch die Arbeit am Projekt wieder einmal bewusst geworden, dass die Möglichkeiten in der Musik bei weitem nicht ausgeschöpft sind. «Es können noch sehr viele Türen geöffnet werden.»
In vielerlei Hinsicht einzigartig
Stress ist bekannt für seine energiegeladenen Auftritte. Dabei springt stets der Funke auf das Publikum über, das dann nichts mehr vom Mitmachen abhält. «An der MTV Unplugged Tour ist sicherlich speziell, dass alle sitzen. Aber dadurch können die Leute dem Ganzen viel entspannter folgen», sagt Andres Andrekson zum Konzept. Aufgrund dessen hätten die Auftritte einen gewissen Showcharakter – ein bisschen wie beim Theater – und fügt lächelnd hinzu: «Aber selbstverständlich bleiben die Zuschauer nicht die ganze Zeit auf ihren Stühlen.» Es sei zudem schön zu sehen, dass die akustischen Konzerte nicht an Energie verlieren würden. Im Gegenteil: Die Musik gewinne gar an zusätzlicher Tiefe. MTV Unplugged sei deshalb ein gutes Beispiel dafür, dass man nicht mit grosser Technik auffahren muss, um gute Musik zu machen. «Auch für die Fans ist es ein Gewinn, da sie neue Aspekte an meinem Schaffen entdecken können.»
Ein Album benötigt stets das Knowhow diverser Experten. Deshalb holten Stress und sein Team den deutschen Pianisten und Arrangeur Lillo Scrimali sowie den deutschen Produzenten und Gitarristen Philip Niessen mit ins Boot. «Eines Tages rief mich Lillo an und schilderte mir seine Idee mit den Streichern, dass diese sehr gut zu meiner Musik passen würden. Und ja, wir bräuchten davon ganze zwölf», lässt der Rapper das Gespräch Revue passieren: «Ich antwortete ihm darauf, dass wir dies finanzieren und deshalb die Anzahl verringern müssen. Aber er liess sich nicht davon abbringen.» Das Resultat sei überwältigend. Die Streicher würden die Kraft und Emotionen der Lieder zusätzlich unterstreichen – für ihn ein Highlight.
Genauso aktuell wie damals
Auf dem MTV Unplugged Album befindet sich unter anderem sein 2007 erschienener Song «On n’a q’une terre», welcher mit Gold ausgezeichnet wurde. Er behandelt Themen wie den Klimawandel und beschreibt mögliche düstere Szenarien rund um die Zukunft unseres Planeten. «Meine Generation richtete den Fokus weniger stark auf den Schutz der Umwelt», meint Stress. In der heutigen Zeit bestehe eine grössere Sensibilität dafür, dank Personen wie Greta Thunberg. «Es gibt deshalb Hoffnung für uns alle.» Dennoch müsse weiterhin für eine bessere Welt gekämpft werden. Ein Lied entstehe primär zur Unterhaltung. Dessen Inhalt trage aber definitiv dazu bei, dass darüber geredet werde, findet der Musiker: «Künstler sind ebenfalls dafür da, Botschaften in die Welt hinauszutragen. Nur so erhalten diese wichtigen Themen ihren gebührenden Platz im Alltag.» Deshalb sei sein Song weiterhin so relevant wie bei dessen Veröffentlichung.
Leidenschaft führt zu Kreativität
«Meine Arbeit ist meine absolute Leidenschaft. Ich sehe sie nicht als Job an. Es ist nämlich ein grosses Glück, wenn man Kreativität für sein Tun nutzen kann», sagt Andres Andrekson mit einem Leuchten in den Augen. Aber es brauche gewisse Voraussetzungen, damit die Kreativität fliesse. «Der Kopf muss stets bereit sein, neue Dinge aufzunehmen.» Dies gelingt nur, wenn Körper und Geist in Einklang sind. Gerade während einer Promotion Tour, die viele Termine mit sich bringt, liege der Fokus vermehrt auf Gesprächen.
Nervosität spornt an
Stress ist der Ansicht, dass ohne eine gewisse Nervosität sich mit der Zeit ein Gefühl der Routine einnistet. Dass ihm dies widerfahren könnte, sei eher unwahrscheinlich. «Ich bin vor jeder Show nervös. Dabei ist es egal, ob es sich um einen Konzertabend oder nur einen Song handelt. Unterdessen habe ich dies akzeptiert und sehe es als Geschenk an. Dadurch gebe ich stets 100 Prozent.» Vor jedem Auftritt zieht er sich im Backstagebereich für einen Moment zurück, um sich auf das Bevorstehende zu fokussieren. Dabei wärmt er seine Stimme mit ein paar Übungen auf. Ihm ist auch wichtig, dass alle Musiker:innen und Mitverantwortlichen zusammenkommen, um ein paar motivierende Worte zu sagen, berichtet Stress: «Ich sage der Crew dann, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir hier sind und das erleben dürfen.»
Das schönste Gefühl der Welt
Das Bühnenleben kann hart sein. Aber die Energie, die da fliesse, sei unbeschreiblich. Das Publikum spüre das. Multipliziert komme diese Energie dann zurück. Der Schweizer Künstler ist überzeugt, dass unabhängig von der Tätigkeit alle dieses unbeschreibliche Gefühl erleben können: «Es spielt keine Rolle, ob du Schreiber oder Schreiner bist. Wenn du vollkommen hinter deiner Arbeit stehst, dann kannst du diese Emotionen erleben.»
Stress macht während seiner MTV Unplugged Tournee am Samstag, 13. April, 20.30 Uhr, im Stadttheater halt. Das Kammgarn feiert dabei die Première des neuen Formates «Kammgarn goes…». «Es ist eine wunderbare Sache, dass ich nach meinem Lesetour-Halt im Kammgarn wieder mit dessen Verantwortlichen arbeiten darf. Ich freue mich riesig, zurück in Schaffhausen zu sein.»