Die Symptome eines Volkes, das am «Chronischen Bienen-Paralyse-Virus», auch CBPV genannt, erkrankt ist, sind jenen einer Bienenvergiftung sehr ähnlich: zitternde, sich putzende und an unkoordinierten Bewegungen leidende Bienen auf dem Flugbrett, die schliesslich massenhaft sterben. Geht der BGD davon aus, dass eher CBPV als Ursache des Bienensterbens in Frage kommt, aber eine Vergiftung durch Pflanzenschutzmittel nicht von vorneherein ausgeschlossen werden kann, wird die Probe separat in zwei verschiedenen Labors untersucht: ein Labor untersucht Pestizidrückstände, das andere CBPV.
Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel
Von den fünfzehn Bienenproben, die der BGD 2023 von ImkerInnen erhalten hat, wurden zehn im Labor analysiert. Nur vier wurden ausschliesslich auf Pestizidrückstände untersucht, vier auf Pestizidrückstände und CBPV und zwei auf CBPV. Die Pestizidrückstandsanalysen bestätigten zwei starke Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel (PSM). In zwei Proben wurden keine Rückstände nachgewiesen. Die Untersuchungen auf CBPV bestätigten in fünf Fällen eine sehr hohe Virenlast. In einer Probe schliesslich konnten weder die Pestizidrückstände noch die CBPV-Analysen das Bienensterben erklären.
Verdachtsmeldungen von Januar bis April, im Mai Vergiftungen bestätigt
Im Januar letzten Jahres traf die erste Verdachtsmeldung auf eine akute Bienenvergiftung beim BGD ein. Das Bienensterben war aber höchstwahrscheinlich auf Varroatose zurückzuführen (vgl. BGD-Artikel «Winterverluste verstehen», SBZ Februar 2024). Das war ebenso der Fall für die folgenden Meldungen im Februar und anfangs April. Bei zwei weiteren Meldungen im April war wohl die Kälte für das beobachtete Bienensterben verantwortlich. Anfang Mai erhielt der BGD eine Bienenprobe von einem Bienenstand mit 81 Völkern. Der Imker bemerkte an einem Sonntag massenhaft tote Bienen auf allen Flugbrettern. Der Bieneninspektor (AFA BI) schloss Krankheiten aus und entnahm eine Bienenprobe. Nach Austausch mit dem Imker und dem AFA BI, einer visuellen Kontrolle und dem Auswaschen eines Teils der Bienenprobe durch den BGD, wurde diese an das Kantonale Labor Zürich zur Analyse geschickt. Die Untersuchung bestätigte schliesslich eine starke akute Vergiftung. In für Bienen tödlicher Menge nachgewiesen wurden erstaunlicherweise der Wirkstoff Dimethoat, ein seit mehreren Jahren nicht mehr zugelassenes Insektizid, sowie dessen Abbauprodukt Omethoat. Verdächtigt wurde bereits zu Anfang eine auf einer Rapskultur in Nähe des Bienenstandes erfolgte Spritzung. Die Analyse der daraufhin untersuchten Pflanzenprobe belegte dies, denn die bereits in den Bienen bestimmten Rückstände wurden gleichfalls in den Pflanzen gefunden, darunter Dimethoat und Omethoat. Somit konnte davon ausgegangen werden, dass auf dieser Kultur in der Tat dieses Insektizid eingesetzt worden war. Diese scheinbar bewusste Anwendung eines zurückgezogenen und zudem für Rapskulturen nie zugelassenen Produktes führte zu einer starken akuten Vergiftung von 81 Bienenvölkern.
Rückstände im Honig?
In einem Vergiftungsfall nehmen unter Umständen nicht nur die Bienenvölker Schaden. Oft sind bei Auftreten einer Vergiftung im Frühling oder Anfang Sommer bei gesunden, starken Völkern die Honigräume aufgesetzt. Kommen die Bienen während ihrer Sammeltätigkeit mit wasserlöslichen Wirkstoffen (wie zum Beispiel Dimethoat und Omethoat) in Kontakt, können sie diese in den Bienenstock eintragen respektive die Substanzen können sich im Honig ansammeln. Für Honig sowie für alle anderen Lebens- und Futtermittel gelten bezüglich Pestizidrückständen maximale Rückstandsgehalte (sogenannte MRL)1, die nicht überschritten werden dürfen. Daher lässt der BGD bei bestätigter Vergiftung seit einigen Jahren zusätzlich den während der aufgetretenen Vergiftung eingetragenen Honig untersuchen. Es gilt zu verhindern, dass infolge Bienenvergiftung ein eventuell kontaminierter Honig auf den Schweizer Markt kommt und/oder der betroffene Imker/die betroffene Imkerin bei einer allfälligen Qualitätskontrolle für eine etwaige Kontamination zur Rechenschaft gezogen wird, obwohl er/sie diese nicht verursacht hat.
Bis anhin stellten Imker:innen dem BGD hierfür jeweils ein 250g-Glas Honig zur Verfügung. Dieses wurde dann, wie vorab die Bienenprobe, an das Kantonale Labor Zürich zur Pestizidanalyse geschickt. Der Entscheid, ob ein Lebensmittel verkauft werden darf oder nicht, obliegt jedoch dem jeweiligen Kantonschemiker. Deshalb wird ab 2024 von Rechts wegen die für die Region zuständige kantonale Fachperson gegebenenfalls eine Honigprobe entnehmen, damit diese ebenfalls im jeweiligen kantonalen Labor auf Rückstände der Substanzen untersucht werden kann, die die Vergiftung ausgelöst haben.
Chronisches Bienen-Paralyse-Virus (CBPV)
Im Verlauf des Monats Mai trafen noch vier weitere Bienenproben beim BGD ein: drei davon wurden auf Pestizidrückstände sowie auf CBPV untersucht, die vierte nur auf CBPV. Die Bienenproben wiesen zwar Rückstände von verschiedenen Pflanzenschutzmitteln auf, die Mengen waren allerdings so gering, dass die PSM nicht die Ursache für das Bienensterben sein konnten. In zwei dieser Fälle wurde aber eine sehr hohe CBPV-Erregerdichte nachgewiesen. Eine solche wurde ebenso bei der nur auf CBPV untersuchten Probe festgestellt. In diesen drei Fällen lag der Grund für das Sterben der Bienen bei dieser Virenkrankheit. Nur bei einer dieser vier Verdachtsmeldungen blieb das Bienensterben ungeklärt.
Im Juni wurde erneut ein Vergiftungsverdacht gemeldet. Untersucht wurden die Bienen auf CBPV und Pestizidrückstände. Die Probe wies keine Pestizidrückstände auf, jedoch CBP- Viren in sehr hoher Menge.
Zweite Vergiftung im Juli
Anfangs Juli traf eine weitere Bienenprobe infolge Vergiftungsverdacht beim BGD ein. Diese Imkerin beobachtete an einem Sonntag viele tote Bienen vor den Fluglöchern und teils in den Bienenkästen (Abb. 2) sowie der Jahreszeit entsprechend ungewöhnlich schlechten Bienenflug. Der Bieneninspektor konnte allfällige Krankheiten ausschliessen und entnahm eine Bienenprobe. Nach Erhalt und ersten Abklärungen wurde die Probe zur Analyse an das Kantonale Labor Zürich geschickt. Die Untersuchungen bestätigten eine starke akute Vergiftung durch den Wirkstoff Spinosad und damit die als Ursache vermutete Spritzung einer in nächster Nähe des Bienenstandes gelegenen Haselnusskultur. Spinosad ist normalerweise nicht für Haselnusskulturen zugelassen, der Landwirt hatte aber für diese spezielle Verwendung vom Landwirtschaftsamt eine Ausnahmebewilligung erhalten.
Für Spinosad-haltige Produkte gelten in der Schweiz folgende Bienenschutzauflagen (SPe 8: Gefährlich für Bienen):
- Darf nur ausserhalb des Bienenfluges am Abend mit blühenden oder Honigtau aufweisenden Pflanzen in Kontakt kommen. Anwendung im geschlossenen Gewächshaus, sofern keine Bestäuber zugegen sind.
- Darf nicht mit blühenden oder Honigtau aufweisenden Pflanzen (z.B. Kulturen, Einsaaten, Unkräutern, Nachbarkulturen, Hecken) in Kontakt kommen. Blühende Einsaaten oder Unkräuter sind vor der Behandlung zu entfernen (am Vortag mähen/mulchen).
- Anwendung im geschlossenen Gewächshaus, sofern keine Bestäuber zugegen sind.
- Darf nicht mit blühenden oder Honigtau aufweisenden Pflanzen in Kontakt kommen. Blühende
Einsaaten oder Unkräuter vor der Behandlung entfernen (mähen oder mulchen). Eine unbehandelte Pufferzone von 20 m zu blühenden Pflanzen in benachbarten Parzellen einhalten. Diese Distanz kann beim Einsatz von driftreduzierenden Massnahmen gemäss den Weisungen der Zulassungsstelle reduziert werden.
Was ist Honigtau?
Vor der oben erwähnten Spinosad-Anwendung wurde leider übersehen, dass auf den Haselnusspflanzen Honigtau vorhanden war. Unter Honigtau versteht man zuckerhaltige Ausscheidungsprodukte pflanzensaugender Insekten. Je nach Zuckergehalt sind diese von verschiedenen Läusen ausgeschiedenen Tröpfchen für Honigbienen eine attraktive Nahrungsquelle und werden im Bienenvolk zu Waldhonig verarbeitet. Mehr Informationen zu Honigtau finden Sie im ZBF-Artikel von 2007: «Waldhonig ist «Laushonig» – Honigtautracht und Honigtauhonige aus Mischtracht».
Spinosad, ein stark bienengiftiges biologisches Insektizid
Pflanzenschutzmittel mit dem Inhaltsstoff Spinosad (Spinosyne A und D) sind für Schweizer Bienen aktuell die risikoreichsten beziehungsweise giftigsten Produkte, die auf dem Markt sind. Deren Verbrauch ist in den letzten Jahren schweizweit auf etwa drei Tonnen jährlich angestiegen, da sie als Alternative zu zurückgezogenen Insektiziden vermehrt zum Einsatz kommen. Die LD50-Endpunkte2 (Oral- und Kontakttoxizitätswerte) von Spinosad sind praktisch identisch respektive sogar ein wenig tiefer als jene der nicht mehr zugelassenen Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam. Das bedeutet, dass Spinosad noch bienengiftiger ist als die vom Markt verschwundenen Neonicotinoide. Akute Bienenvergiftungen durch diesen Wirkstoff wurden bereits in den Jahren 2020 und 2021 bestätigt. Es gilt also, bei jeder Anwendung Spinosad-haltiger PSM äusserste Vorsicht walten zu lassen und die Anwendungsvorschriften unbedingt einzuhalten.
Weitere Verdachte im Juli und September
Im Juli trafen beim BGD noch zwei weitere Bienenproben ein: In einem Fall konnte in den Bienen eine hohe Erregerdichte der CBP-Viren festgestellt werden. In der zweiten Probe wurden zwar Pflanzenschutzmittel nachgewiesen, deren festgestellte Menge konnte aber das Bienensterben nicht erklären. Viele Bienen dieser Probe wiesen hingegen einen verkürzten Hinterleib auf, was auf einen Schaden durch Varroa schliessen liess. Eine abermalige, im September erhaltene Probe wies keine PSM-Rückstände auf. Die Ursache des vorübergehenden Bienensterbens konnte in diesem Fall leider nicht geklärt werden.
Auffälliges Bienensterben melden
Die beiden Fälle zeigen, dass akute Bienenvergiftungen dann auftreten, wenn nicht erlaubte, für Bienen giftige PSM angewendet oder wenn Bienenschutzauflagen nicht respektiert werden. Sicherheitsmassnahmen für Bienen sind auf den Gebinden und/oder auf der Packungsbeilage unter dem Vermerk «SPe 8» jeweils im Detail aufgeführt. Es ist wichtig, vor jeder Anwendung eines PSM die Anwendungsvorschriften durchzulesen und sich genau an die Vorschriften zu halten.
Der BGD erfasst Verdachtsmeldungen auf Bienenvergiftung und klärt deren Ursache möglichst auf. Bienen spielen für die Landwirtschaft eine wichtige Rolle, viele Kulturen sind von ihrer Bestäubungsleistung abhängig. Um die Bestäuber der Kulturen nicht zu schädigen, muss der sorgfältige Umgang mit Pflanzenschutzmitteln für LandwirtInnen erste Priorität haben.
Auffälliges Bienensterben kann via Hotline 0800 274 274 oder per Mail an info@apiservice.ch gemeldet werden. Die Abklärungen sind für alle Schweizer und Liechtensteiner Imker:innen kostenlos.