Gereift unter Smiljanic
Doch wer steckt hinter der Personalie Asllan Demhasaj? Man hört sagen, dass er das Herz nicht nur auf der Zunge trage, sondern auch durch seine Gutmütigkeit auffalle, mit sich im Reinen. Einer, der den Fussballtraum versuchte zu leben. Kein Wunder, wenn die Gene durch seinen Vater Ahmet, während 15 Jahren Goalgetter des FC Beringen, dem kleinen Asllan in die Wiege gelegt worden sind. Auch sein 1,5 Jahre älterer Bruder, Shkelqim «Mimi» Demhasaj, der 2017 von Schaffhausen nach Luzern, später zu GC und Winterthur wechselte und nun wohl bis 2025 in Aarau kickt, wurde mit demselben Talent gesegnet. Just als «Mimi» den Wechsel in die Innerschweiz vollzog, schaffte Asllan nach lang ertragener Geduld den Sprung ins FCS-Fanionteam.
In Neuhausen mit Bruder und Schwester aufgewachsen, absolvierte Asllan sämtliche Juniorenstufen beim FC Schaffhausen, mit einem zweijährigen Abstecher zu GC, wo er 2014 sogar die U18-Meisterschaft gewann. «Doch ich stagnierte und beschloss zurückzukehren», erinnert er sich. In der zweiten FCS-Mannschaft kam er regelmässig zum Einsatz und erhoffte sich dadurch, es zu den Profis zu schaffen. Einmal, am 15. Mai 2017, durfte er mit Murat Yakins Team mit nach Chiasso und sah von der Bank aus, wie «Mimi», Luca Tranquilli und Yassin Mikari mit einem Hattrick die Tessiner mit 6:0 abklatschten. «Ich solle die ganze Abwicklung am Spieltag mal erleben, meinte Yakin damals. Das imponierte mir natürlich.» Gegen Wil durfte er nochmals dabei sein. Für die Saison 2017/18 wurde Asllan dann ins Kader berufen, kam jedoch bis zur Winterpause lediglich auf vier Einsatzminuten. In der Rückrunde wendete sich das Blatt: «Nach dem Abschlusstraining kam er zu mir und fragte, ob ich bereit sei.» Und so genoss Asllan fortan das Vertrauen des Trainers, der mittlerweile Boris Smiljanic hiess.
«Für mich gab es nur den FCS»
«Ich bin Boris Smiljanic auch heute noch dankbar, dass er mir die Chance gab, in der Challenge League Fuss zu fassen», resümiert Demhasaj. «Ich war der glücklichste Mensch auf Erden.» Diese Spielzeit wurde schliesslich auch zu seiner goldenen Saison. «Wir waren so ein starkes Team, wurden gar Vizemeister. Hätte es 2018 die Barrage schon gegeben, ich glaube, wir wären imstande gewesen, GC zu besiegen», schwelgt der Schaffhauser. Auch in der Folgesaison waren die Dienste des Defensivakteurs gefragt. 46 Pflichtspiele zierten seine Vita, dazu eine mündliche Vereinbarung für eine weitere Spielzeit. «Es gab für mich nur den FCS. Hier wollte ich meine Karriere weiter lancieren», war für Demhasaj klar. Argumente dazu lieferte der damals 21-Jährige genug: Der Sprung von der 2. Liga in die Challenge League war riesig, doch er nahm die Herausforderung an, entwickelte sich, zeigte unglaublichen Willen, spielte mit Leidenschaft und wurde dadurch insbesondere für die FCS-Fans zur absoluten Identifikationsfigur. 5000 Fans wurden zudem Zeitzeugen, als Demhasaj auf der Schützenwiese bei der Saisondernière wieder gegen Winterthur aus rund 30 Metern eine Traumkiste reinhaute. «Asllan Fussballgott» war einer der meist skandierten Fanrufe.
«Zu alt für die Mannschaft»
Doch bekanntlich stand es um die Zukunft des FCS im Frühjahr 2019 gar nicht gut. Die Insolvenz drohte, bis dann kurz vor Ladenschluss Roland Klein den Verein übernahm und Murat Yakin wieder zurückkehrte. «Auch wenn ich traurig war, dass die Ära Fontana vorüber war, dachte ich, was für ein Glück, denn zwei Jahre zuvor wurde ich ja noch gefördert und ins Team integriert», weiss Demhasaj zu berichten. Doch es kam alles anders. Der neue Präsident habe ihn weder gekannt noch gewusst, auf welcher Position er spielte. Anstatt die von allen Seiten erhoffte Vertragsunterzeichnung zu vollziehen, wurde er hingehalten und vertröstet. «Eine Woche vor Transferschluss sagte mir Murat Yakin allen Ernstes, dass ich als 21-Jähriger zu alt sei für die Mannschaft. Zudem hätte ich zu hohe Lohnansprüche, dabei reden wir von einem Gehalt, was ein Stift im zweiten oder dritten Lehrjahr üblicherweise verdient.» Der Traum platzte wie eine Seifenblase. «Ich wurde so erzogen, dass ich mein Wort halte, wenn ich etwas verspreche, und war vielleicht deswegen etwas zu gutgläubig mit meiner Hoffnung auf den neuen Vertrag», konstatiert Demhasaj. Er hätte hartnäckiger sein sollen, denn plötzlich stand er ohne Verein da. Er boxte sich zuerst alleine durch seine Einzeltrainings, war tief gekränkt und wollte vom «neuen» FCS nichts mehr wissen. «Doch ich realisierte, nachdem ich auf die Schnelle keinen anderen Verein fand, dass es ohne Mannschaftstraining nicht geht, sprang über meinen Schatten und durfte mich schliesslich mit dem FCS fithalten.» Kaum wieder im Herblingertal, wurden ihm bereits wieder Hoffnungen gemacht, eventuell doch einen Vertrag zu erhalten. Die Situation wurde dabei immer skurriler.
Plötzlich in «Trainingsgruppe II»
«Einmal sagte mir Murat Yakin, dass mein Spielerpass immer noch im Besitz des FCS sei und ich jederzeit eingesetzt werden könne, falls sich mal jemand verletze oder gesperrt sei. Natürlich gratis, ohne Vertrag, nicht versichert. Kaum auszudenken, wenn ich mich dabei verletzt hätte», erzählt Demhasaj weiter und fährt fort: «Ein weiteres Mal versprach er mir einen Vertrag, wenn ich mithelfe, Mimi zurück nach Schaffhausen zu holen. Er spielte in Luzern und wollte sich in der Super League etablieren, was ja legitim ist. Ich fand das ziemlich dreist.» Schon bald fand sich Demhasaj in der berüchtigten «Trainingsgruppe II» wieder, in der nebst den rekonvaleszenten Spielern auch degradierte Akteure teilnahmen. Der Gipfel der Demütigung war, als jeder Verein «sein» Tor der Saison 2018/19 nominieren sollte und die Wahl mit absoluter Mehrheit auf Demhasajs Sonntagsschuss gegen Winterthur fiel. «Die Führung entschied sich hingegen, ein Tor von Hélios Sessolo zu nominieren», erinnert sich der Fussballer. Demhasaj befand sich ausserhalb des FCS-Radars, abgeschoben, verdrängt.
Ära Brühl
Er brach mit dem FCS schliesslich ganz und durfte sich im Pandemiesommer 2020 dem SC Brühl anschliessen. Er arbeitete gleichzeitig als Logistiker in Wil SG und pendelte zwischen Schaffhausen und St. Gallen hin und her. Diese Phase war nicht minder hektisch, denn auch die Kronen befanden sich dazumal im Abstiegskampf, doch mithilfe des später ebenfalls verpflichteten André Luis Neitzke mauserte sich Brühl immer mehr zum Geheimfavoriten. Im September 2022 heiratete Asllan Demhasaj seine Vanessa, die in Erwartung der gemeinsamen Tochter war. Es folgten ein Jobwechsel zu einem Unternehmen in Frauenfeld, wo er als Telematiker Glasfaserkabel verlegt, und ein Umzug nach Amriswil, um an Fahrzeit zu sparen, ehe ihn eine Verletzung fast ein halbes Jahr ausser Gefecht setzte. «Da realisierte ich, dass ich mehr Zeit mit der Familie verbringen möchte. Zudem fehlte uns die Nähe der Verwandtschaft, derweil meine Frau weiterhin hier arbeitete». Also kehrten sie wieder zurück. «Und es steht uns ein weiterer Umzug bevor, da wir ein zweites Kind erwarten», strahlt der 26-Jährige. Ein kleines Häuschen mit Garten mitten im schönen Chläggi soll im April bezogen werden.
Am Samstag gegen Chur 97
Asllan Demhasaj lächelt, als er erzählt, dass er sich schon während des Entscheidungsprozesses mit dem Fussball aufzuhören, überlegte, sich dabei der Spielvi anzuschliessen. Es scheint, als hätten sich Demhasaj und der Verein gegenseitig gefunden. Mit der SVS wird der Aufstieg in die 1. Liga angestrebt, Demhasaj – ganz der Profi – mahnt: «Die Rückrunde muss erst gespielt werden. Doch so professionell wie Luca Tranquilli seinen Job als Trainer ausübt, bin ich überzeugt, dass das gut kommt.» Am besten schon am kommenden Samstag, wenn die Spielvi wieder in den Ligabetrieb einsteigt und Chur 97 um 16 Uhr auf dem Bühlplatz empfängt.