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Schaffhausen
27.02.2024

Die Sportart mit Köpfchen

Beim Schach gehören Taktik und Vorausdenken zu den entscheidenden Faktoren.
Beim Schach gehören Taktik und Vorausdenken zu den entscheidenden Faktoren. Bild: Mevina Portner, Schaffhausen24
Im Restaurant Falken versammeln sich jeden Dienstagabend Jugendliche, um sich im taktisch-strategischen Brettspiel zu duellieren. Der «Bock» besuchte das Jugendtraining der Schachgesellschaft Munot Schaffhausen und ging zudem der Frage nach, ob man Schach als Sportart bezeichnen kann.

Um Punkt 17 Uhr am Dienstag füllt sich der Saal im zweiten Stock des Restaurant Falken in der Altstadt von Schaffhausen mit vorfreudigen Jugendlichen, die sofort die Spielbretter aufstellen und sich in eine erste Partie stürzen. Jede Woche trainieren hier nämlich schachbegeisterte Jugendliche im Vereinslokal der Schachgesellschaft Munot Schaffhausen. Das Interesse am Schachspielen beim Nachwuchs stieg in den letzten Jahren in Schaffhausen immer weiter an. «Momentan besuchen uns ungefähr 15 Jugendliche pro Training», berichtet Arthur Waldvogel, der die Trainings zusammen mit Josef Peter und Christian Aeschlimann leitet. «Durch den Austausch zwischen den Mitgliedern und ihren Schulgspändli verzeichnet unser Verein immer wieder neue interessierte Schachspielerinnen und Schachspieler. Ausserdem stossen viele aufgrund unserer Beteiligung am Ferienpass während den Sommerferien dazu.» Der heutige Verein existiert seit der Fusion des Arbeiterschachklubs Munot (Gründungsjahr 1925) mit der Schachgesellschaft Schaffhausen (Gründungsjahr 1902) im Jahr 2005. Das Training für Jugendliche ab neun Jahren wird schon seit zwölf Jahren angeboten.

Schach als Sportart

Doch kann man Schach überhaupt als Sportart bezeichnen? Diese Frage ist weltweit sehr umstritten, denn beim Schachspielen sitzen sich die Gegner:innen nur gegenüber und bewegen sich kaum. Christian Aeschlimann hat dazu eine klare Antwort: «Schach wird vom Internationalen Olympischen Komitee seit 1999 als Sportart bezeichnet. Ausserdem führen sie in der Nationalliga A, wie bei anderen Sportarten, stichprobenartige Dopingkontrollen durch.» Hier betont der Schachspieler jedoch, dass in der Schachpraxis Doping kein Thema sein dürfte. Untersuchungen zeigen, dass die Verwendung von Dopingmitteln eher kontraproduktiv ist, da sie entweder einzelne Eigenschaften wie Mutlosigkeit, Ängstlichkeit oder Risikobereitschaft verstärken oder den Schachspieler in seiner Entscheidung verlangsamen. Oder um den deutschen Spitzenspieler Robert Hübner zu zitieren: «Ein Mensch mag schlucken, was er will: Es wird ihm in keiner Weise dabei helfen, zu entscheiden, ob in einer gegebenen Stellung Dd1-e2 oder Dd1-f3 der richtige Zug sei. Er muss sich sein Können in einem langwierigen Prozess geistiger Anstrengung erarbeiten.»

Medizinische Untersuchungen

Weiter verweist Christian Aeschlimann auf das Experiment des Arztes Dr. Helmut Pfleger, der in den 1980er-Jahren Schachspieler:innen während eines Turniers in München auf ihre körperliche Anstrengung prüfte. Dabei untersuchte er die Herz- und Atemfrequenz sowie den Blutdruck. Hier stellte der Arzt fest, dass sich die Werte von Sportler:innen aus den Bereichen wie Sportschiessen, Motorsport oder Billard nicht von seinen gemessenen Werten unterscheiden. Beim Experiment zeichnete sich eine erhöhte Atemfrequenz von 15 auf 40 pro Minute ab. Dies entspricht einer Atemfrequenz bei einer intensiven körperlichen Aktivität. Auch der Blutdruck stieg von 120 auf 200 mmHg. Bei der Herzschlagfrequenz wurden erstaunliche Werte bis 200 Schläge pro Minute gemessen. «Natürlich muss hier aber beachtet werden, dass dieses Experiment nur bei Spitzenspieler:innen durchgeführt wurde und beim Nachwuchstraining sicher nicht so hohe Werte zu messen wären», führt der Jugendleiter weiter aus. «Doch es kommen auch sehr ehrgeizige Jugendliche zu uns ins Training, bei denen der Puls in die Höhe schiesst.» Auch die Kondition gehört beim Schachspielen zu einer entscheidenden Komponente, denn ein Spiel kann bis zu sechs Stunden dauern und somit viel Energie in Anspruch nehmen. Deshalb betreiben viele Schachprofis zusätzlich eine Ausdauersportart, um ihre Kondition zu verbessern.

Schachmeisterschaften

Wie es sich bei einer «richtigen» Sportart gehört, organisiert man auch im Schach Turniere und Wettkämpfe. So gehören die Schweizerische Mannschaftsmeisterschaft (SMM) oder die Schweizerische Gruppenmeisterschaft (SGM) zum Highlight des Jahres – auch für den Nachwuchs. Die Schachgesellschaft Munot Schaffhausen spielt unter anderem in der 2. Liga SMM mit einer 6er-Mannschaft. «Die älteren Jugendlichen nehmen schon mit uns Pensionierten an den Mannschaftsturnieren teil», erzählt Arthur Waldvogel. «Für diese Turniere brauchen die Teilnehmenden nur eine Lizenz und schon sind sie startberechtigt.» Neben den Gruppenturnieren kann auch an den Schweizer Einzelmeisterschaften gestartet werden.

Individuelle Interessen

Für eine Wettkampfteilnahme ist eine gute Vorbereitung nötig. Dabei sind Taktik und das Vorausdenken entscheidende Faktoren. Deshalb beginnt das Jugendtraining auch häufig mit einem Theorieblock. Eröffnungen oder Problemstellungen werden hier am Demonstrationsbrett aufgezeigt und zusammen gelöst. «Der Theorieteil darf nicht zu lange dauern», erklärt der erfahrene Spieler Josef Peter. «Ansonsten werden die meisten unkonzentriert und hören nicht mehr zu.» Dabei unterscheiden sich aber die Interessen. «Äusserst ehrgeizige Jugendliche befassen sich selbständig mit Eröffnungen oder kniffligen Schachproblemen und wenden diese während des Trainings an», führt Arthur Waldvogel weiter aus. Für eine optimale Unterstützung fehlt es aber an Betreuenden. «Optimal wäre es natürlich, wenn eine Person bei zwei bis drei Anwesenden über die Schulter schauen könnte», spricht der engagierte Arthur Waldvogel das Problem an. «Doch für viele ist das Leiten zu zeitaufwendig.» Trotz mangelnder Unterstützung gehen die drei Leiter ihrer Tätigkeit mit viel Engagement nach. «Vor der Gründung des Vereins war der Altersdurchschnitt in unserem Verein viel zu hoch», gibt Arthur Waldvogel schmunzelnd zu. «Damit unser Verein auch später noch bestehen bleibt, ist uns die Nachwuchsförderung sehr wichtig.» Langsam neigt sich das Jugendtraining dem Ende zu. Die letzten Partien werden abgeschlossen, während die Anstrengung der letzten eineinhalb Stunden auf einigen Gesichtern abzulesen ist. Die Leiter verabschieden sich von den Schachbegeisterten, die erschöpft, aber zufrieden ihren Heimweg antreten.

Mevina Portner, Schaffhausen24