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Gesellschaft
20.02.2024

Sammler der Materie

Sein Studio in der alten Lederwarenfabrik am Rhein ist seine grosse Inspirationsquelle: G M D THREE kehrte nach über 20 Jahren in New York Ende 2020 zurück in die Munotstadt. Geprägt von der Schnelllebigkeit der amerikanischen Metropole.
Sein Studio in der alten Lederwarenfabrik am Rhein ist seine grosse Inspirationsquelle: G M D THREE kehrte nach über 20 Jahren in New York Ende 2020 zurück in die Munotstadt. Geprägt von der Schnelllebigkeit der amerikanischen Metropole. Bild: Lara Gansser, Schaffhausen24
Entweder man schwimmt oder man geht unter: Geprägt vom Leben in New York verwirklicht GMD THREE in Schaffhausen seine eindrücklichen Foto- und Videoprojekte. Auch für Produktionen an den Grammys ist der Künstler ein gefragter Mann.

Rund 230 Quadratmeter umfasst das Atelier von G M D THREE in der alten Lederwarenfabrik. Zwischen dem professionell eingerichteten Foto- und Videostudio liegen überall alte Magazine, Grafik- und Fotobücher sowie Platten auf. An den Wänden hängen farbige Bilder, von denen der Künstler und Produzent viele selbst gemalt hat. «Mein Arbeitsort ist meine Inspirationsquelle», so der 53-Jährige. «Und die Inspiration sowie die Kreativität sind in meinem Milieu das Wichtigste.» G M D, der über 20 Jahre lang in New York lebte, sich dort in seiner Nische einen Namen machte und bis heute Stage Visuals für die Grammys produziert, kehrte Ende 2020 zurück in die Munotstadt. Geprägt von der amerikanischen Metropole, lebt er hier seinen Traum. 

Künstlername beim Hotel Check-in

G M D ist die Abkürzung von «The Gatherer of the Matter» (deutsch: der Sammler der Materie). Der Ursprung des Künstlernamens reicht in die 80er-Jahre zurück, als der Schaffhauser in der Sprayerszene unterwegs war. Heute tritt er nirgends mehr mit seinem bürgerlichen Namen auf. «Künstlernamen sind viel unzugänglicher», begründet der gebürtige Bulgare. Die Menschen begegnen einem mit weniger Vorurteilen. «Man kann nicht sagen – er kommt aus diesem Land oder jener Familie. Unbehaftet, wie ein weisses Blatt Papier.» Desto weiter weg man sich von Europa entferne, desto anerkannter sei ein Künstlername. «In Japan sieht es niemand als Problem, wenn G M D eine Hotelreservation tätigt.» Der Name reflektiere auf eine gewisse Art seine kreativschöpferische Persönlichkeit.  

New York als Wahlheimat

Die wohl prägendste Zeit im Leben des Künstlers begann 1997, als er mit seiner Frau nach New York auswanderte. Über 20 Jahre lang lebte das Ehepaar dort – bis sie die Corona-Pandemie Ende 2020 zurück in die Schweiz zwang. «Nach den tragischen Erlebnissen von 9/11, die wir hautnah miterlebten, war dies die schlimmste Zeit.» Besonders eingefahren sind ihnen die Tiefkühlcontainer mit den Leichen vor den Spitälern oder die Massengräber, über die in den Zeitungen berichtet wurde. 

Rückblickend auf die über 23 Jahre in der amerikanischen Metropole überwiegen aber die positiven Erlebnisse: G M D erarbeitete sich das, wovon er heute leben darf. «Ich hatte schon immer eine obsessive Leidenschaft für alles, was ich anpackte», gibt der 53-Jährige zu. «Mein grosses Privileg war, dass ich in New York den Menschen ausgesetzt war, die ihre Tätigkeiten auf höchstem Niveau ausübten.» Es begann damit, dass G M D angesehenen Fotografen assistierte und so nach und nach in das Business Fotografie, Video und 3D-Animation einsteigen konnte. Basis dafür: Tag für Tag hart arbeiten. «In New York wird man ins kalte Wasser geworfen: Entweder man schwimmt oder man geht unter.»

Kennt man vor allem aus Hollywood: Mit diesem Roboterarm, seinem wertvollsten Arbeitswerkzeug, kann G M D Präzisionskamerafahrten bis auf 0.04 mm machen. Bild: Lara Gansser, Schaffhausen24

Die Grammys wollen G M D

Bis heute stammen die meisten vollständig bezahlten Projekte, die G M D ausführt, aus Amerika. Eines der Highlights: die Produktionen der Stage Visuals, den grossen Videowänden auf der Bühne, für die Grammys – der wohl angesehensten Musikpreisverleihung der Welt. «Seit 14 Jahren produziere ich quasi jedes Jahr für die Grammys – dieses Jahr für den nigerianischen Sänger Burna Boy.» Weitere Verleihshows mit Livemusik und Produktionen von Tourneen zieren das Portfolio des 53-Jährigen. Darunter Namen wie Taylor Swift, Beyoncé, Mariah Carey, Diana Ross, Metallica, Lady Gaga oder Kendrick Lamar. «Es ist eine riesige Ehre zu erleben, dass die erfolgreichsten Künstler der Welt deine Arbeiten sehen.»

Auch für die Swiss Music Awards (SMA) stand G M D schon mehrfach im Einsatz und beehrte Persönlichkeiten wie Stress, Gotthard, 77 Bombay Street, Pegasus oder die Fantastischen Vier mit seinen Visuals.  «Ein grosser Unterschied ist, dass das Budget für die SMA gleich gross ist wie das Budget für einen Song bei den Grammys.» Zudem habe man in Amerika eine ganz andere Arbeitsweise, welche die Schnelllebigkeit der Grossstadt widerspiegelt. «Den Auftrag für die Grammys erhielt ich zehn Tage vor der Ausstrahlung.» In der Schweiz diskutiere man teils über ein Jahr im Voraus über Projekte und habe immer wieder Angst davor, Fehler zu machen. «Ich verdiene mein Geld damit, dass ich Sachen mache, die nicht dem Klischee entsprechen. Ich wünsche mir, dass sich hierzulande mehr Menschen trauen, etwas zu machen, für das es noch keinen vorgegebenen Pfad gibt.»

Immenser Konkurrenzkampf

Als 26-Jähriger der Schnelllebigkeit von New York ausgesetzt zu sein, hat G M D sicherlich in seinem Tun geprägt. «New York ist ein Ort, der sehr eigen ist. Wer dort hingeht, will sich behaupten.» Durch den immensen Konkurrenzkampf der grösstenteils auswärtigen Bevölkerung sei auch das Niveau extrem hoch. «Die ersten vier Jahre waren hart. Wir konnten uns nicht einmal Ferien leisten.» Gelebt haben G M D und seine Frau in Chinatown – sein Studio lag an der sechsspurigen Canal Street, welche täglich rund 100 000 Menschen passieren. «Es ist eine grosse Stadt, aber wenn man lange genug dort gearbeitet hat, gut ist und sich dadurch einen Namen macht, gelangt man an die richtigen Leute.» 

  • G M D sieht sich nicht als Maler, wenn auch dies seit eh und je eine grosse Leidenschaft von ihm ist. Der gebürtige Bulgare kehrte Ende 2020 aus New York in seine Heimat Schaffhausen zurück. Bild: zVg.
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  • Die Malerei als Ausgleich: Neben der Kreativität ist die Inspiration in seinem Milieu das Wichtigste, wie G M D ausführt. Bild: zVg.
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Balance aus Kommerz- und Herzensprojekten

Es ist der Mix aus kommerziellen Aufträgen und eigenen Projekten, welcher G M D Tag für Tag motiviert. «Die kreativen Projekte, die ich mache, bringen mir kommerzielle Jobs ein», betont er weiter. Geld geben beispielsweise Clips für Produktewerbungen, zuletzt fotografierte er für das Instagram-Konto von Uhl Schmuck in Schaffhausen. Nebenher arbeitet er an einem Musikvideo für einen Hip Hop Artisten, Dibby Sounds, aus dem Welschland. «Das ist ein typisches Beispiel für ein Verlustbusiness – da steckt ein riesiger Aufwand dahinter.» Bevor gefilmt wird, braucht es mehrere Tage Vorbereitung. 

Das wertvollste Arbeitswerkzeug von G M D ist der Roboterarm, an dem eine Filmkamera befestigt ist. «Damit kann ich Präzisionskamerafahrten machen bis auf 0.04 mm, also mit einer schweren Kamera um etwas herum oder auf etwas zu fahren und es bleibt scharf.» Kennen tut man dies aus Hollywoodproduktion, in der Schweiz sei das noch ein Nischenmarkt. Sämtliche noch so aufwändige Sets für seine Shootings baut G M D vor Ort. 

Bis heute ist es einerseits die Kreativität, andererseits die Abwechslung, die der Schaffhauser an seinem Job besonders liebt: «Würde man mich auf eine einsame Insel setzen, würde ich einen Stein finden und daraus etwas kreieren.»

Kontraste zum Alltäglichen

Als Ausgleich zum Alltag im Studio ist G M D regelmässig als DJ unterwegs oder widmet sich der Malerei. «Zweiteres ist mein Antidepressivum, welches mir das Geld für den Psychiater spart.» Auch die Fotografie ist ein wichtiger Bestandteil im Leben des Künstlers: In New York war es der perfekte Kontrast zu den langen Arbeitstagen, frühmorgens die Kamera zu schnappen und die Stimmung der Stadt einzufangen. «New York ist eine Stadt, in der immer etwas läuft und sich immer etwas Unvorhersehbares ergibt.» Dies war wohl auch ein Grund dafür, damals auszuwandern: «Ich wollte mein Leben nicht wie einen Film vorhersehen können.»

Was er an Schaffhausen «extrem faszinierend» findet: «Ich kann jemandem erzählen, dass ich etwas für die Grammys produziert habe, das von 17 Millionen Menschen gesehen wurde. Aber die Leute hier interessiert trotzdem mehr, wie toll das Foto von Frau Meiers Hund wurde.» Das zeigt ihm: «Ich bin eine völlig andere Person hier in Schaffhausen, als ich virtuell in Amerika bin.»

  • So sieht es hinter den Kulissen aus – hier bei den Aufnahmen eines Musikvideos im Studio vom G M D. Bild: zVg.
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  • G M D bei der Arbeit in New York. In der Metropole hat sich der Schaffhauser mit seinem Tun einen Namen gemacht. Bild: zVg.
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Lara Gansser, Schaffhausen24