Direkt an der Ecke beim Bahnhof in Diessenhofen hat sich Monika Stahel ihr Lebenswerk aufgebaut. Seit 2013 lebt die 75-Jährige im «Haus zur Gewesenen Zeit». In dem dreistöckigen Gebäude hat sie im Laufe der Zeit eine beeindruckende Sammlung zusammengetragen, welche die Jahre von 1900 bis 1970 repräsentiert. Jeweils am letzten Freitag des Monats öffnet die Sammlerin die Türen für die Öffentlichkeit.
Vom Kostümverleih zum Haus mit Beizli
Angefangen hat alles mit einem Kostümverleih, welchen die gelernte Dekorateurin an der Vordergasse in Schaffhausen betrieb. «Einkleiden ist für mich ein gestalterischer Akt», so Monika Stahel. «Mein Ziel war es immer, dass die Personen nicht verkleidet nach draussen gehen, sondern in der entsprechenden Zeit.»
Von Beginn an war es die grosse Leidenschaft der engagierten Schaffhauserin, die Vergangenheit mittels Inszenierungen weiterleben zu lassen. Unter dem Namen «Gewesene Zeiten inszeniert» führte sie gemeinsam mit Gleichgesinnten in der Stadt regelmässig Aktivitäten durch. Beispielsweise spazierten zwei Mütter, von Monika Stahel eingekleidet, mit Kinderwägen aus dem frühen 20. Jahrhundert durch die Altstadtgassen. Oder man traf sich auf einen Kaffee im Vordergässli, wo man mit Geld von früher zahlte. «Wir haben dafür nie geprobt. Ich schrieb eine Geschichte und jede:r erhielt seine Rolle», so Monika Stahel. «Wichtig ist, dass man in der vorgegebenen Zeit bleibt und auch entsprechend mit den Menschen um einen herum umgeht.» Sie fasst zusammen: «Ich werfe die Leute von 1900 ins Heute – und sie tun, als wäre es 1900.»
Bald machte sich Monika Stahel einen Namen im Bereich Theater und Film, weshalb sie ihre Kostüme bis heute für Produktionen verleiht. Vor einigen Wochen stellte sie eine Vielzahl an Kostümen für die Verfilmung von Max Frischs Roman «Stiller» zur Verfügung. Zudem trugen die Ensembles von «Schellen-Ursli» sowie der SRF-Produktion «Frieden» die Kleidung von Monika Stahel.
Wohnen wie früher
Heute ist der Kostümverleih nur ein Teil des «Haus zur Gewesenen Zeit». «Ich wusste immer, dass ich mir eines Tages etwas Eigenes aufbauen will.» Eigentümerin des Grundstücks in Diessenhofen ist Ariane Trümpler, mit der Monika Stahel schon länger zuvor in Kontakt stand. Ursprünglich war die Planung eines Museums nicht vorgesehen, doch mit der Zeit nahm diese Vision Fahrt auf.
Im Erdgeschoss des Gebäudes befindet sich eine gemütliche Beiz mit Terrasse. Geöffnet ist diese ebenfalls jeden letzten Freitag im Monat. Oder auf Anfrage: Regelmässig finden private Veranstaltungen – wie Geburtstage oder Klassentreffen – im Haus statt, bei denen Monika Stahel und ihr Bistroteam die Gäste mit Speisen von früher verwöhnen. Eine Führung durch ihr dreistöckiges Reich mit Keller und Estrich kann Teil des Anlasses sein.
Alte Plattenspieler und Modejournale
Zur Abrundung des Interviews erhält auch der «Bock» eine Führung durch die zwölf Zimmer: Mit viel Liebe zum Detail sind die verwinkelten Räume im «Haus zur Gewesenen Zeit» gestaltet. Die gesamte Einrichtung stammt aus der Zeit zwischen 1900 und 1970. So liegen im WC gestrickte Binden und WC-Papier aus Zeitungen auf.
Auch wertvolle Gegenstände zieren die Zimmer, so beispielsweise der Schellack-Jazz-Platten-Nachlass im Wohnraum. «Schellack ist der Vorgänger von Vinyl», erklärt die Dame des Hauses. Im Raum nebenan, der Bibliothek, reiht sich in den Regalen Buch an Buch. Von Zeitungen über Mode-Journale bis zum Magazin Annabelle aus den 50er-Jahren. Alte Schulsachen besitzt sie ebenfalls en masse. «Ich kann eine ganze Schulklasse mit gefüllten Theks ausstatten.» Anfassen darf man im Haus von Monika Stahel alles. «Deshalb läutet es bei mir auch immer, wenn ich in klassischen Museen bin», gibt sie lachend zu.