Oft fällt es schwer über Gewalt in der Partnerschaft zu sprechen, heisst es in einer Medieninformation der Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter (UBA). Dies erst recht, wenn Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Alter oder der Pensionierung hinzukommen. Scham, das Gefühl, nichts ändern zu können, und die Angst vor Konsequenzen halten Betroffene davon ab, Hilfe zu suchen.
Gleiche Merkmale wie bei jüngeren Paaren
Eine neue Studie der Haute Ecole de la Santé La Source (HES-SO) zeige, dass Gewalt bei älteren Paaren im Wesentlichen die gleichen Merkmale aufweise wie bei jüngeren Paaren. Psychische Gewalt wie zwanghafte Kontrolle, aber auch körperliche und sexuelle Gewalt seien weit verbreitet. Häufig sei auch eine starke soziale und familiäre Isolation der Gewaltbetroffenen zu beobachten. Nicht selten beginne die Gewalt dabei bereits nach der Eheschliessung und könne über Jahrzehnte andauern. Der Übertritt ins Pensionsalter sei eine besonders kritische Phase und könne eine bestehende oder potenzielle Gewaltdynamik verschärfen.
Unkenntnis über verfügbare Hilfsangebote
Neben den Gewalterfahrungen sind ältere Menschen oft auch mit sozialen und gesundheitlichen Problemen wie einer eingeschränkten Mobilität, einer Abnahme der kognitiven Fähigkeiten, der Abhängigkeit vom Partner oder von Angehörigen konfrontiert. Der Zugang zur Hilfe werde überdies durch die Unkenntnis über verfügbaren Hilfsangebote, technischen Hindernisse, Scham, Angst vor möglichen Konsequenzen, generationentypische Wertvorstellungen und nicht altersgerechte Angebote erschwert. Dies führe dazu, dass ältere Gewaltbetroffene oft viel zu lange warten, bis sie Hilfe suchen. Vertrauenspersonen wie Freund:innen, Nachbar:innen oder auch Fachpersonen können sie unterstützen, die ersten Schritte zu wagen.
Seltene Inanspruchnahme der Hilfe
Statistiken verdeutlichen, dass ältere Menschen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, die vorhandenen Hilfsressourcen wie Opferhilfestellen, Schutzunterkünfte und Polizei nur selten in Anspruch nehmen, heisst es weiter. Gleichzeitig zeige sich, dass Menschen ab 64 Jahren in Präventionskampagnen gegen partnerschaftliche Gewalt kaum Beachtung finden, obwohl sie mittlerweile fast 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung ausmachen.
Zur Kampagne «Gewalt bei älteren Paaren»
Die Haute Ecole de la Santé La Source (HES-SO) und das senior-lab haben in den Jahren 2022/23 eine schweizweite qualitative Studie durchgeführt. Dabei wurden Fachpersonen aus den Bereichen „Alter“ und „Häusliche Gewalt“ sowie ältere Menschen, einschliesslich ehemalige gewaltbetroffene Senior:innen, befragt, so die UBA.
Die Kampagne "Gewalt bei älteren Paaren – es ist nie zu spät, Hilfe zu holen!" habe das Ziel, den Zugang zu Hilfsangeboten zu verbessern. Sie macht darauf aufmerksam, dass Partnerschaftsgewalt auch Senior:innen betrifft und es spezielle Hilfsangebote gibt. Die Kampagne verweist auf die Nummer 0848 00 13 13 des nationalen Kompetenzzentrums Alter ohne Gewalt, unter der vertrauliche, kostenlose und auf Wunsch anonyme Hilfe und Beratung in Deutsch, Französisch und Italienisch angeboten wird.