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Schweiz
18.12.2023

Tabakindustrie-Lobby-Index: Die Schweiz fällt weiter zurück

Mit einer Punktzahl von 95 von möglichen 100 Punkten belegt die Schweiz den 89. Platz unter insgesamt 90 Ländern und ist somit als besonders empfänglich für die Interessen der Tabak- und Nikotinindustrie zu betrachten.
Mit einer Punktzahl von 95 von möglichen 100 Punkten belegt die Schweiz den 89. Platz unter insgesamt 90 Ländern und ist somit als besonders empfänglich für die Interessen der Tabak- und Nikotinindustrie zu betrachten. Bild: zVg
Die Schweiz landet im neuen Tabaklobby-Index 2023 erneut auf dem zweitletzten Platz, nur knapp vor der Dominikanischen Republik.

Die Schweiz sei aufgrund der grösseren Anzahl untersuchter Länder beimTabakindustrie-Lobby-Index nochmals um 10 Plätze zurückgefallen, schreibt die Tabakgemeinschaft Tabakprävention Schweiz in einer Medienmitteilung. Dies verdeutliche einmal mehr: Der Einfluss der Tabakindustrie auf die Politik in der Schweiz bleibe ungebrochen und verhindere eine wirksame Tabakkontrolle, welche die Menschen vor den tödlichen Produkten schützt.

Schlecht abgeschnitten

Mit einer Punktzahl von 95 von möglichen 100 Punkten belegt die Schweiz den 89. Platz unter insgesamt 90 Ländern und ist somit als besonders empfänglich für die Interessen der Tabak- und Nikotinindustrie zu betrachten. Unter den 20 europäischen Ländern, die teilgenommen haben, schneidet die Schweiz sogar am schlechtesten ab. Im Vergleich zum letzten Ranking aus dem Jahr 2021, bei dem sie den 79. Platz von 80 Ländern belegt hatte, hat sie sich um 10 Plätze und drei Punkte verschlechtert. Brunei, Neuseeland sowie Frankreich und die Niederlande belegen die ersten drei Plätze und sind die Nationen mit dem geringsten Einfluss der Tabakindustrie auf die Politik.

Einflussnahme auf die Forschung, Zusammenarbeit mit Bundesbehörden und nicht protokollierte Treffen

Das Ergebnis sei eindeutig: Die Tabakindustrie übe weiterhin einen erheblichen Einfluss auf Diskussionen und Gesetzgebungsverfahren im Bereich der öffentlichen Gesundheitspolitik aus. Sie nehme an Debatten über Regulierungsmassnahmen teil, beeinflusse Entscheidungsträger und setze eine Vielzahl von Lobbyist:innen ein, um tendenziöse Informationen zu verbreiten und ihre Interessen zu vertreten, die im Widerspruch zum angemessenen Schutz der öffentlichen Gesundheit stehen, so die Medienmitteilung. Zur Veranschaulichung hier drei Beispiele aus dem Bericht:

Forschung: Die ETH Zürich führe eine Studie mit finanzieller Unterstützung durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und die Tabakindustrie, namentlich Philip Morris, durch. Seit langer Zeit setze die Tabakindustrie auf eine gezielte Finanzierungsstrategie für Forschungsprojekte, die ihren Geschäftsinteressen dienen.

Greenwashing-Kampagne mit dem BAFU: Das BAFU arbeite mit zahlreichen Vertreter:innen der Industrie zusammen und aus Sitzungsprotokollen gehe hervor, dass das BAFU Hand biete für eine Greenwashing-Kampagne. Dass die Tabakindustrie seit Langem verschiedene Taktiken anwende, um ihren Ruf im Bereich des Umweltschutzes zu verbessern, sei hinlänglich bekannt. Einer der Hauptgründe für das Fehlen einer wirksamen Umweltschutzpolitik gegen die unsachgemässe Entsorgung von Zigarettenstummeln in der Schweiz sei die enge Zusammenarbeit zwischen Bundesbehörden und der Tabakindustrie.

Treffen mit Politiker:innen: Seit 2021 wurden gemäss dem Öffentlichkeitsgesetz Dokumente von lokalen Behörden angefordert, um die formellen Verbindungen zwischen der Tabakindustrie und den Behörden in der Schweiz zu untersuchen, heisst es in der Medienmitteilung. So gebe beispielsweise der Kanton Neuenburg an, dass er jährlich ein Treffen mit einem Unternehmen aus der Industrie abhalte, bei dem keine Aufzeichnungen geführt werden. Die Stadt Lausanne führe keine Protokolle über ihre regelmässigen Treffen einschliesslich informeller Mittagessen mit der Industrie.

Aktuellstes Beispiel für die Beeinflussung der Politik durch die Tabakindustrie, das jedoch nicht in den Untersuchungszeitraum dieses Berichts fälle, seien die Spenden in Höhe von je 35'000 Franken, die Philip Morris an die beiden Parteien FDP und SVP im Zuge der eidgenössischen Wahlen im Oktober 2023 geleistet haben soll.

Fehlende FCTC-Ratifizierung: Die Schweiz bleibt ein unregulierter Tummelplatz für die Tabakindustrie

Diese enge Kooperation zwischen Behörden und verschiedenen grossen Tabakkonzernen zeige, wie gross die Freiheiten seien, welche sich die Tabakindustrie in der Schweiz herausnehmen kann. Dies sei besonders auf das Fehlen einer Tabakkontrollpolitik zurückzuführen, die den Verantwortlichen klare Richtlinien zur Vermeidung solcher Industriepartnerschaften an die Hand geben könnte. Da die Schweiz als eines der wenigen Länder das WHO-Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakkonsums (FCTC) nicht ratifiziert hat, profitiere die Tabakindustrie von diesem Versäumnis und den laschen Bundesgesetzen in hohem Masse. Dabei bleibe die Schweiz der Tummelplatz der drei hier ansässigen multinationalen Tabakkonzerne Philip Morris International (PMI), British American Tobacco (BAT) und Japan Tobacco International (JTI).

Bekannterweise sei der Tabakkonsum nach wie vor für rund 14 Prozent aller Todesfälle in der Schweiz verantwortlich. Nur durch die Ratifizierung der Rahmenkonvention und die kategorische Ablehnung der Zusammenarbeit mit einer Industrie, deren starker Lobbyismus nichts anderes als Profitsteigerung zum Ziel habe, können die Gesundheitsrisiken durch ihre schädlichen Produkte für die Menschen in diesem Land wirksam eingedämmt werden, heisst es abschliessend in der Medienmitteilung.

Schaffhausen24, Originalmeldung Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz